Am Urlaubsende traf es den Brauer, seit 35 Jahren in der Firma beschäftigt, knüppeldick. Persönlich brachte ihm der Personalchef am Nachmittag das Kündigungsschreiben vorbei. Es handelte sich um eine außerordentliche Tatkündigung, die ihn des Diebstahls beschuldigte und deshalb das Arbeitsverhältnis sofort aufkündigte – ohne dass der Mitarbeiter vorher gehört worden wäre. Der Vorwurf: Angeblich habe er Fußbälle aus dem Werbemittellager der Brauerei entwendet – er aber versicherte seine Unschuld und ging mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH gegen die Kündigung vor.

Die Brauerei aus Fürth hatte einen Detektiv beauftragt, da der Verdacht bestand, dass im Lager Werbemittel entwendet werden. Es wurde eine Videokamera installiert, die Mitarbeiter dabei aufnahm, wie diese unaufgepumpte Fußbälle oder andere Gegenstände an sich nahmen. Mit sieben Mitarbeitern führte der Personalleiter ein Gespräch, in dessen Anschluss alle von sich aus kündigten. Einer der sieben, der für Aufräumarbeiten im Werbemittellager abgestellt war, gab ein schriftliches Geständnis ab, in dem er auch den späteren Mandanten des Nürnberger DGB-Rechtsschutz-Büros ins Gespräch brachte. Dieser Mitarbeiter befand sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub.

 

Kein Beweis für Bälle-Diebstahl

 

Das Arbeitsgericht Nürnberg gab der Kündigungsschutzklage nach Anhörung des geständigen Arbeitnehmers als Zeugen statt. Es sah keinen Beweis vorliegen, dass der Kläger das Betriebsgelände mit den Bällen verlassen habe, selbst wenn er damit aus der Halle gegangen sei. Der Hallenausgang sei nicht das Werkstor, meinte das Arbeitsgericht. Außerdem seien die Gegenstände nur von geringem Wert. Dies sah das Landesarbeitsgericht Nürnberg anders: Die Fußbälle seien höherwertig und nicht geringfügig. Die Berufung der Firma gegen das Ersturteil wurde dennoch zurückgewiesen. „Es gab keinen Beweis von Seiten der Firmenleitung“, so der Nürnberger Rechtssekretär Jörg Schulz. „Auf dem Video war nicht zu erkennen, ob unser Mandant tatsächlich Bälle mit hinausnahm, sondern lediglich, dass der Mandant irgendetwas aus dem Regal herausnahm.“ Letzte Zweifel beseitigte der Zeuge, der nochmals gehört wurde. Er bekräftigte trotz kreuzverhörartiger Befragung durch den LAG-Präsidenten, dass der Mitarbeiter beim Verlassen der Halle keine Bälle in der Hand gehalten habe. „Als er zu seinem Gabelstapler zurückkehrte“, gibt Jörg Schulz die Zeugenaussage wieder, „drehte sich der Zeuge noch einmal um und sah unseren Mandanten ohne Bälle hinausgehen.“ Damit war der Vorwurf des Diebstahls vom Tisch und die Kündigung unwirksam.

Rechtliche Grundlagen

Geringfügig oder nicht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) kennt kein Pardon, wenn Mitarbeiter Gegenstände der beschäftigenden Firma mitnehmen oder sich einverleiben. Wie beim „Bienenstich-Urteil“ von 1984: In letzter Instanz wurde das Essen eines Stücks Bienenstich aus der Verkaufsauslage während der Arbeitszeit von einer Bäckereifachverkäuferin als Diebstahl und schwere Vertragsverletzung bewertet und damit als außerordentlicher Kündigungsgrund angesehen. Lediglich Briefpapier oder ein Schreibstift werden von den Richtern als geringfügig eingestuft. Allerdings verlangt das BAG immer eine Einzelfallprüfung und die Abwägung der Interessen beider Seiten.