Dem bei einem katholischen Krankenhausträger als Chefarzt tätigen Kläger wurde im Frühjahr 2009 zum Ende September 2009 gekündigt. Begründet wurde Kündigung damit, dass der Kläger nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau ein zweites Mal standesamtlich heiratete. Gegen diese Kündigung erhob der Arzt Klage, die in allen drei Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgreich war.

Bundesverfassungsgericht kippt Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Wer glaubt, dass durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 08.September 2011 die Sache ein Ende gefunden habe, irrt.

Der sich durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts unverstanden fühlende katholische Krankenhausträger rief das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) an, um die seiner Annahme nach nicht haltbare Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu kippen. Das gelang auch. Denn mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 folgte das Bundesverfassungsgericht der Auffassung der Beklagten. Das Gericht bestätigte seine bisherige Auffassung, wonach staatliche Gerichte die Loyalitätsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen nur eingeschränkt überprüfen dürfen. Die Sache wurde durch die Schützer*innen der Verfassung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bundesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Bundesarbeitsgericht ruft den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) an

Am 28. Juli 2016 ersuchte der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts, der nun, unter Beachtung der Auffassung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht erneut über die aus seiner Sicht unzulässige Kündigung des Chefarztes zu entscheiden hatte, den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bat um eine sogenannte Vorabentscheidung.

Über das Ersuchen des Bundesarbeitsgerichts zum Inhalt und zur Auslegung des Unionsrechts hat der EuGH mit Urteil vom 11. September 2018 entschieden.

Unter Einbeziehung der Auffassung des EuGH, kam das Bundesarbeitsgerichts zu dem Ergebnis, dass kirchlichen Mitarbeitern bei Wiederheirat nicht gekündigt werden darf, wenn deren Religion für ihre Tätigkeit nicht wesentlich ist. Im Fall des seit fast zehn Jahren durch die Instanzen kämpfenden Chefarztes sei nicht davon auszugehen, dass für dessen ärztliche Tätigkeit die Religion wesentlich sei. Nach fast einem Jahrzehnt steht nunmehr fest, dass dem Kläger zu Unrecht gekündigt wurde.

Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Februar 2019 hat über den Fall des Chefarztes hinaus weitgehende Bedeutung. Kirchliche Arbeitgeber müssen künftig darauf achten, welche Loyalitätsanforderungen sie an Mitarbeiter stellen. Mit dem Urteil rüttelt das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Sonderstatus von Kirchen als Arbeitgeber. Wünschenswert wäre, wenn das Bundesverfassungsgericht bei seinen zukünftigen Entscheidungen die Rechtsauffassung des EuGH nicht außer Betracht lassen würde und nicht mehr an seiner starren Rechtsprechung festhält. Die über Jahre hinweg vertretene Auffassung des Bundesverfassungsgericht , nach der staatliche Gerichte die Loyalitätsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen nur eingeschränkt überprüfen dürfen, ist schlichtweg nicht mehr zeitgemäß.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht zum Urteil vom 20.Februar 2019, Az: 2 AZR 746/14


Für Interessierte:

Hier geht es zu unserem Beitrag vom 5. August 2016:

Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederverheiratung zulässig?