Unterbliebene Anhörung der SBV führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Copyright by nmann77 / Fotolia
Unterbliebene Anhörung der SBV führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Copyright by nmann77 / Fotolia


Mit Urteil vom 06. März2018 kommt das Arbeitsgericht Hagen zu dem Ergebnis, dass es zu der Pflicht des Arbeitgebers gehört, die Schwerbehindertenvertretung (SBV) vor dem Antrag an das Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten bzw. eines mit den Schwerbehinderten gleichgestellten Menschen zu unterrichten und anzuhören.
 

Fehlerhafte Anhörung führt zu Unwirksamkeit

Geschieht dies nicht, so die Richter*innen der 5. Kammer des Hagener Arbeitsgerichts, ist die Kündigung unwirksam.

Aus der Begründung des Urteils ergibt sich, dass der Arbeitgeber die SBV in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören hat. Er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Versäumt der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung und vor dem Antrag an das Integrationsamt auf Zustimmung zur Kündigung die SBV zu beteiligen, hat sich die Kündigung als unwirksam zu erweisen, wenn die Kündigungsschutzklage fristgerecht erhoben wurde.  
 

Hinweis des Arbeitsgerichts

Die Unwirksamkeit der Kündigung ergebe sich daraus, so die Hagener Richter, dass die Unterrichtung und Anhörung der SBV bereits abgeschlossen sein muss, bevor der Antrag beim zuständigen Integrationsamt gestellt wird. Wenn jedoch der Antrag auf Zustimmung schon gestellt wurde, müsse davon ausgegangen werden, das der Arbeitgeber seine Willensbildung bereits abgeschlossen und seinen Willen nach außen erkennbar manifestiert habe.

Wenn aber die Willensbildung bereits als abgeschlossen zu bewerten ist, wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist, ist eine Beteiligung der SBV an der Willensbildung schlechthin nicht vorstellbar.

Unabhängig von den Entscheidungsgründen weist das Gericht noch darauf hin, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Anhörung der SBV bei allen Kündigungen bestehe. Mithin auch bei Änderungskündigungen schwerbehinderter oder gleichgestellter Arbeitnehmer.
 

Anhörungspflicht gilt für alle Kündigungen

Weiterhin auch unabhängig davon, dass das Integrationsamt von sich aus auch noch eine Stellungnahme der SBV einholen muss, da die Zustimmung durch das Integrationsamt zur Kündigung ohne Anhörung der SBV rechtswidrig sein dürfte.
 

Berufung zugelassen

Zwischenzeitlich hat die Beklagte unter dem Aktenzeichen 15 Sa 426/18 Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt. Über den weiteren Verlauf der Sache werden wir berichten.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.03.2018 :

Das sagen wir dazu:

Unterlassene Anhörung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung


Im Zuge der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes wurde im SGB IX der Kündigungsschutz für schwerbehinderter Menschen verbessert. Hiernach  ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Anhörung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) unwirksam.

Zu dieser neuen Sanktion liegt nunmehr - soweit ersichtlich - eine erste Entscheidung vor, bei der es sich um die des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.03.2018 handelt.

Wenn die Entscheidung des Arbeitsgerichts, gegen die zwischenzeitlich Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt wurde, letztendlich in Rechtskraft erwächst, würde die unterbliebene Anhörung der SBV die gleichen Rechtsfolgen mit sich bringen, wie zum Beispiel die fehlende Anhörung des Betriebsrats vor der Kündigung eines Mitarbeiters

Denn die unterbliebene Beteiligung der SBV führt bei einer rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage ebenso zur Unwirksamkeit der Kündigung (§ 178 Abs. 2 S. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) IX), wie die unterlassene Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung.

Rechtliche Grundlagen

§178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX und § 102 Abs. 1 BetrVG

§ 178 Abs. 2 Sätze 1-3 Sozialgesetzbuch IX

2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.

Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden.

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam



§ 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.