Der Austritt eines Mitarbeiters einer von einem katholischen Caritasverband getragenen Kinderbetreuungsstätte aus der katholischen Kirche kann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Ist der Mitarbeiter ordentlich unkündbar, ist auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zulässig.

Der Fall:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist seit 1992 als Sozialpädagoge bei dem beklagten Caritasverband mit rund 800 Mitarbeitern beschäftigt. Der Kläger arbeitete in einem sozialen Zentrum, in dem Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Bedeutung. Religiöse Inhalte werden nicht vermittelt.

Für das Dienstverhältnis gelten die »Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in ihrer jeweiligen Fassung. Nach § 4 Abs. 3 AVR »erfordert der Dienst in der katholischen Kirche vom katholischen Mitarbeiter, dass er seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche einrichtet.

Nach § 14 Abs. 5 AVR ist nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren bei demselben Dienstgeber eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen, soweit der Mitarbeiter das 40. Lebensjahr vollendet hat. Diese Bedingungen trafen auch auf den Kläger zu.

Im Februar 2011 trat der Kläger aus der katholischen Kirche aus. Seinem Arbeitgeber nannte er als Beweggründe die zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die Vorgänge um die »Piusbruderschaft« und die Karfreitagsliturgie, in der eine antijudaische Tradition der katholischen Kirche zu Tage trete.

Daraufhin kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.03.2011 außerordentlich zum 30.09.2011, nachdem er die Mitarbeitervertretung beteiligt hatte. Die Vorinstanzen haben die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers abgewiesen.

Die Entscheidung:

Auch der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wies die Anträge des Klägers zurück. Der Kläger habe durch seinen Austritt gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen. Aufgrund dessen war es dem Beklagten nicht zumutbar, ihn als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen.

Nach dem kirchlichen Selbstverständnis leistete der Kläger unmittelbar »Dienst am Menschen« und nahm damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teil. Ihm fehlt infolge seines Kirchenaustritts nach dem Glaubensverständnis des Beklagten die Eignung für eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Zwar habe auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers ein hohes Gewicht. Sie müsste aber hier hinter das Selbstbestimmungsrecht des Beklagten zurücktreten.

Der kirchliche Arbeitgeber könne im vorliegenden Fall von den staatlichen Gerichten nicht gezwungen werden, im verkündigungsnahen Bereich einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht gerecht geworden ist, sondern sich insgesamt von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt hat. Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers fielen demgegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht. Für Sozialpädagogen gebe es zudem auch außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten.

Der Kläger werde durch die Kündigung auch nicht im Sinne von § 1, § 7 AGG diskriminiert. Die Ungleichbehandlung wegen seiner Religion ist nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Eine entscheidungserhebliche Frage der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 stellte sich angesichts der Art der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht.

Folgen für die Praxis:

Nach Art. 140 GG iVm Art. 137 Absatz 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung ordnet jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst. Dazu gehört auch das Recht zu bestimmen, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll. Also wie hier die Betreuung von Kindern.
Auf diese Arbeitsverhältnisse findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Allerdings bestimmt die Kirche auf Grund ihres Selbstbestimmungsrechtes die gebotenen Loyalitätspflichten. Nach der Grundordnung der kirchlichen Dienste im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 1993 ist der Austritt aus der katholischen Kirche ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Weiterbschäftigung des Mitarbeiters nicht zulässt.
Im Kündigungsschutzprozeß hat eine Interessenabwägung zwischen den Grundrechten des Arbeitnehmers –wie Glaubens- und Gewissenfreiheit- und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche statt zu finden.
Der Kläger hier leistet als Sozialpädagoge unmittelbar „Dienst am Menschen“. Aus diesem Grunde mussten seine Interessen hinter dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche zurücktreten.
Die Beschäftigungsdauer und das Lebensalter des Arbeitnehmers sind in derartigen Fällen ohne Bedeutung. Zudem finden Sozialpädagogen auch außerhalb der Kirche Beschäftigungsmöglichkeiten.
Dem steht weder die Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf noch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) entgegen. Art. 4 Absatz 2 der Richtlinie und § 9 AGG enthalten Sonderreglungen für die berufliche Tätigkeit innerhalb der Kirche.
Wer also bei einer Kirche oder einer Einrichtung einer Kirche beschäftigt ist, muss sich nach deren Statuten richten.

 


Margit Körlings

DGB Rechtsschutz GmbH

 

Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 25.04.2013, Az: 2 AZR 579/12