Wird ein sogenannter Kleinbetrieb nach geplanter Stilllegung weitergeführt, besteht kein Anspruch auf Wiedereinstellung.
Wird ein sogenannter Kleinbetrieb nach geplanter Stilllegung weitergeführt, besteht kein Anspruch auf Wiedereinstellung.


Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil Stellung zum Anspruch auf Wiedereinstellung im Kleinbetrieb bezogen. Eine Entscheidung zu diesem Thema gab es bislang nicht. 

Kündigung im Kleinbetrieb

Der Kläger war seit dem Jahr 1987 als vorexaminierter Apothekenangestellter in einer Apotheke beschäftigt. Die vormalige Eigentümerin der Apotheke und Arbeitgeberin des Klägers kündigte im November 2013 das Arbeitsverhältnis zu Ende Juni 2014.

Auch alle anderen Arbeitnehmer erhielten die Kündigung zum gleichen Datum. Der Kläger erhob gegen seine Kündigung keine Kündigungsschutzklage.

Die vormalige Eigentümerin der Apotheke beschäftigte zu keinem Zeitpunkt mehr als zehn Arbeitnehmer, es war also ein Kleinbetrieb. Damit war das Kündigungsschutzgesetz für die Beschäftigten nicht anwendbar. 

Keine Stilllegung zum Ende der Kündigungsfrist

Der Geschäftsbetrieb endete allerdings nicht Ende im Juni 2014. Die Apotheke wurde vielmehr mit weniger Beschäftigten als zuvor fortgeführt. Anfang September 2014 übernahm dann eine neue Eigentümerin die Apotheke einschließlich des Warenlagers. In dem Kaufvertrag verpflichtete sich die neue Eigentümerin, drei der bisherigen Arbeitnehmer zu übernehmen. Der Kläger gehörte nicht dazu.

Als der Kläger von der Übernahme der Apotheke erfuhr, reichte er Klage gegen die neue Eigentümerin ein. Er war der Meinung, da die Apotheke nun weitergeführt werde, müsse das frühere Arbeitsverhältnis mit ihm durch die neue Eigentümerin fortgeführt werden.

Mit seiner Klage verlangte er von der neuen Eigentümerin die Wiedereinstellung zu den alten, mit der vormaligen Eigentümerin vereinbarten Bedingungen. Die Beklagte führte demgegenüber aus, eine Entscheidung zur Fortführung der Apotheke sei erst kurzfristig im Juli 2014, also nach dem Ende der Kündigungsfrist des Klägers, gefallen.

BAG lehnt Wiedereinstellungsanspruch ab

Das Arbeitsgericht Duisburg wies die Klage ab. Nachdem das LAG Düsseldorf die Berufung des Klägers zurückgewiesen hatte, legte er Revision ein.

In seinem Urteil führt das BAG aus, dass ein Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich nur denjenigen Arbeitnehmern zustehen könne, auf deren Arbeitsverhältnisse das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. 

Hintergrund: Der Widereinstellungsanspruch

Ist das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, gilt Folgendes: Zur Beantwortung der Frage, ob eine Kündigung wirksam ist, kommt es stets auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Umstände, die zwischen Zugang der Kündigung und dem Ende der Kündigungsfrist eintreten, können an sich nichts mehr am Kündigungsgrund ändern. Denn die Kündigung ist stets zukunftsbezogen. Sie stellt eine Reaktion auf erwartete Gegebenheiten dar.

Das Bundesarbeitsgericht erkennt jedoch einen Anspruch auf Wiedereinstellung dann an, wenn sich Prognose nach Ausspruch der Kündigung als nicht bewahrheitet. Zum Beispiel wenn ein Unternehmen doch nicht geschlossen wird, weil sich ein Käufer für das Unternehmen gefunden hat.

Allerdings muss diese Änderung bis zum Ende der Kündigungsfrist eintreten. Besteht die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung erst ab dem Zeitpunkt nach Ablauf der Kündigungsfrist, kommt demgegenüber eine Wiedereinstellung des gekündigten Arbeitnehmers nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa durch treuwidrige Neubesetzung des Arbeitsplatzes mit einem anderen Arbeitnehmer.

Ohne Kündigungsschutz keine Wiedereinstellung

Das BAG knüpft, wie das LAG zuvor, einen Wiedereinstellungsanspruch an die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Denn nur im Rahmen der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes bedarf es einer Prognose, ob der Kündigungsgrund zum Ende der Kündigungsfrist vorliegt.

Das Kündigungsschutzgesetz findet dann Anwendung, wenn regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Im vorliegenden Fall kam noch die alte, bis 2003 geltende Regelung zur Anwendung, wonach das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, wenn der Arbeitgeber mehr als fünf Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt.

Da aber auch dies nicht gegeben war, fand das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, die Apotheke ist und war daher ein sog. „Kleinbetrieb“.

BAG betont Kündigungsfreiheit

Das BAG betont, ebenso wie die Vorinstanz, die Kündigungsfreiheit der vormaligen Betriebsinhaberin. Weil das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, bedarf es keines personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Grundes zur Rechtfertigung der Kündigung.

Der Arbeitgeber muss freilich die Kündigungsfristen beachten. Vor allem über diese Fristen gewährleistet der Gesetzgeber für Beschäftigte eines Kleinbetriebes einen gewissen Schutz vor dem zeitnahen Verlust des Arbeitsplatzes.

Im Kleinbetrieb kann sich die Unwirksamkeit einer Kündigung lediglich aus Willkür oder Diskriminierung ergeben, oder wegen Übergang des Betriebes.

BAG: keine Unwirksamkeit wegen Betriebsübergang

Auch eine Unwirksamkeit wegen des Betriebsüberganges verneint das BAG. Eine solche liegt nach Ansicht des BAG nur vor, wenn der Betriebsübergang das „tragende Motiv“ für die Kündigung war.
 

Im vorliegenden Fall hielt das Gericht aber die Behauptung der Beklagten und der vormaligen Betreiberin der Apotheke für einleuchtend und erkannte die Motivation zur Kündigung der vormaligen Eigentümerin der Apotheke an.

Da sie nach Ansicht des BAG von einer Stilllegung des Betriebes mangels vorhandenem Käufer ausgehen durfte, war folglich ein Betriebsübergang zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Kläger „kein Thema“. 

Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Außerdem bestand nach Überzeugung des BAG auch keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Denn die Beklagte betreibt die Apotheke mit verringerter Beschäftigungszahl weiter. Zur Weiterbeschäftigung von drei Arbeitnehmern hatte sie sich vertraglich verpflichtet.

Damit stellt sich für das Gericht auch nicht die Frage nach der rechtmäßigen Auswahl der Arbeitnehmer, welche von der Beklagten weiter beschäftigt werden.

Das LAG erkannte im Berufungsurteil immerhin noch ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme dergestalt an, dass bei mehreren zu kündigenden Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen sei, in Anbetracht der Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Arbeitnehmer.

Links:

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Das sagen wir dazu:

Das Urteil des BAG ist ganz überwiegend abzulehnen. Schon die grundsätzliche Ablehnung eines Wiedereinstellungsanspruches für den Fall, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, ist falsch. 

Rücksichtnahme auch nach Vertragsende

Denn aus jedem vertraglichen Schuldverhältnis kann sich die Pflicht zur nachvertraglichen Rücksichtnahme ergeben, so auch im Arbeitsrecht.

So darf beispielsweise ein Vermieter die zurückgelassenen Sachen des Mieters nach Ende des Mietvertrages nicht einfach entsorgen. Insoweit ergibt sich ein Wiedereinstellungsanspruch als Resultat eines Mindestmaßes an sozialer Rücksichtnahme. Dies völlig unabhängig vom Kündigungsschutzgesetz.

Dieser nachvertraglichen Rücksichtnahme kam die Beklagte in gewisser Weise gegenüber den drei Arbeitnehmern nach, zu deren Übernahme sie sich gar vertraglich im Kaufvertrag über die Apotheke verpflichtete. 

Anknüpfungspunkt muss Kündigungsfrist sein

Einzig die Anknüpfung an eine Weiterführung des Betriebes nach Ende der Kündigungsfrist kann im Ansatz überzeugen. Denn hier hätte auch ein Arbeitnehmer, der in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzes fällt, keinen umfangreicheren Schutz. Allerdings muss dann auch eine deutliche Zäsur in zeitlicher Hinsicht vorliegen. Der Betrieb muss zunächst gänzlich stillgelegt sein.

Im vorliegenden Fall wurde der Betrieb zum einen von der vormaligen Inhaberin über die Kündigungsfrist weitergeführt, zum anderen danach - ganz plötzlich – verkauft und dann von der neuen Inhaberin weitergeführt. Eine „fließende Übergabe des Staffelholzes“ also.

Die Unwirksamkeit einer Kündigung „wegen“ Betriebsübergangs verneint das BAG viel zu schnell. Denn in der Praxis wird jeder Verkäufer eines Betriebes die Beweggründe einer Kündigung zu verschleiern wissen und behaupten, mit einer gänzlichen Stilllegung des Betriebs fest gerechnet zu haben.

Hier wäre das BAG gehalten, die Begleitumstände des Betriebsübergangs gründlich zu erforschen und lebensnah zu würdigen. Vorliegend war der Gesundheitszustand der vormaligen Inhaberin der Apotheke offenbar doch noch gut genug, um die Apotheke über das Ende der Kündigungsfrist des Klägers hinaus zu führen. Die Beklagte entschloss sich außerdem verdächtig schnell zur Übernahme der Apotheke.

Rechtliche Grundlagen

§ 613 a BGB

Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
(1) 1Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. 2Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. 3Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. 4Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) 1Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. 2Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) 1Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. 2Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2. den Grund für den Übergang,
3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) 1Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. 2Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.