Der Kläger, Mitglied der Gewerkschaft IG Metall, ist Einrichter in einem Kunststoffverarbeitenden Betrieb. Nach einer Störung an einer Maschine, gab er an, dass nicht er, sondern andere Mitarbeiter dafür verantwortlich waren. Daraufhin gab es ein Gespräch mit der Geschäftsleitung, an dem auf Wunsch des Klägers auch ein Mitglied des Betriebsrates teilnahm. Dem Kläger wurde hier gesagt, man beabsichtige das Arbeitsverhältnis  außerordentliche und hilfsweise ordentliche zu kündigen. Vorwurf war, er würde andere Mitarbeiter diffamieren. Daraufhin verfasste der Kläger eine Eigenkündigung.

 

Auf Eigenkündigung erfolgte Anfechtung und Klage

Bereits nach 4 Tagen erfolgte schriftlich eine Anfechtung der Willenserklärung wegen widerrechtlicher Drohung. Kurz darauf wurde über den DGB Rechtsschutz in Detmold eine Klage beim Arbeitsgericht Detmold erhoben.

 

Das Arbeitsgericht Detmold gab der Klage statt. Es wertete den Sachverhalt so, dass die streitgegenständliche Kündigung wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten wurde. Nach dieser Bestimmung kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wurde, die Erklärung anfechten.

 

Arbeitsgericht geht von einer widerrechtlichen Drohung aus

In diesem Fall sah das Arbeitsgericht die gesetzlichen Voraussetzungen einer widerrechtlichen Drohung als erfüllt an.

Eine Drohung setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt eine Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht zu einer Eigenkündigung  bereit sei, die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar.

 

Die erste Voraussetzung der Drohung war hier ohne Zweifel erfüllt. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung muss darüber hinaus widerrechtlich sein. Dies ist der Punkt an dem die Anfechtungen zumeist scheitern. Eine Drohung ist dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

Das Arbeitsgericht stellte hier darauf ab, dass ein Fehlverhalten des Klägers – ein solches nach dem Vorbringen der Arbeitgeberseite unterstellt – nicht für eine fristlose Kündigung gereicht hätte, sondern erst einmal abgemahnt hätte werden müssen. Einer wirksamen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen muss grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen. Und eben dieses Abmahnungserfordernis wäre für den verständigen Arbeitgeber auch offensichtlich gewesen. 

 

Eine Abmahnung war nicht entbehrlich

Das Arbeitsgericht hat sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich war. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer Abmahnung bedarf es wegen der gebotenen Verhältnismäßigkeit nur dann nicht, wenn bereits erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich -auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist.

Dies wurde verneint, da es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass der Kläger nach Ausspruch einer Abmahnung sein Verhalten nicht geändert hätte.

Dies galt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich nach dem Vortrag des Arbeitgebers um ein strafbares Verhalten handeln könnte. Denn nicht jedes strafbare Verhalten berechtigt den Arbeitgeber eine fristlose Kündigung auszusprechen oder in Erwägung zu ziehen. Das Gesetz kennt auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf deshalb stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung - zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht.

 

Weiterbeschäftigung nach rechtskräftigem Urteil

Das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold wurde nicht mit der Berufung angegriffen, ist also rechtskräftig geworden. Der Kläger hat deshalb einen Anspruch darauf, weiter beschäftigt zu werden.

Erfreulicherweise musste Rechtsschutzsekretär Michael Ludwig, der den Kläger im Verfahren vertreten hat, den Weiterbeschäftigungsanspruch nicht noch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Denn dieser war einsichtig; der Kläger wird wieder im Betrieb eingesetzt, wenn auch in einer anderen benachbarten Abteilung. Für das angebliche Fehlverhalten gab es eine Abmahnung, zu der einen Gegendarstellung erfolgte.

 

Tipp der Redaktion zum Thema Eigenkündigung:

Unser Ratschlag lautet natürlich, sich erst gar nicht dazu bringen zu lassen, selbst zu kündigen. Selbst wenn Sie  das Unternehmen tatsächlich verlassen möchten, sollte dies nicht per Eigenkündigung erfolgen. Denn u.a. müssen Sie dann immer mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeldbezug rechnen.

Ist es aber dann doch dazu gekommen, ist schnelles Handeln erforderlich. Denn eine Anfechtung muss unverzüglich erfolgen. Die Rechtsprechung versteht unter darunter ein Handeln ohne schuldhaftes Zögern. Also: Sofort auf den Weg zu Ihrer Gewerkschaft machen!

Wichtig ist es in Gesprächen, die wegen heikler Situationen erfolgen oder bei denen der Beschäftigte auch einfach nur unsicher ist, was ihn erwartet, einen Zeugen dabei zu haben. Dazu haben Sie auch das Recht. Da es bei einer Anfechtung einer Eigenkündigung sehr darauf ankommt, ob und wie eine Kündigung in Aussicht gestellt wurde, um die eigene Kündigung des Beschäftigten zu erzwingen, ist ein Zeuge in einem späteren gerichtlichen Verfahren so gut wie unerlässlich.

 

 

Silke Clasvorbeck, Rechtsschutzsekretärin und Onlineredakteurin, Bielefeld

 

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