Betriebsübergang bei einem Möbelhaus, wenn sich der Arbeitgeber in mehrere Gesellschaften aufgliedert.
Betriebsübergang bei einem Möbelhaus, wenn sich der Arbeitgeber in mehrere Gesellschaften aufgliedert.

Der Kläger war zuletzt als Verkäufer in den Bereichen »Vorzimmer« und »Büromöbel« in einem Möbelhaus tätig.

Möbelhaus spaltet sich auf

Dieses war auch Eigentümer der Immobilie und des Inventars. Betrieben wurde das Möbelhaus bis 31.07.2015 von der A-Gesellschaft (im folgenden A) und der B-Gesellschaft (im folgenden B).

Die A bewirtschaftetet alle anderen betriebsnahen Abteilungen, die B übernahm die Vertriebsleistungen, einschließlich des Warenverkaufs und der Kassierertätigkeit.

Unstreitig fand ein Betriebsübergang zu B statt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestand mit B fort, da er im Verkauf arbeitete. Zum 31.07.2015 stellte B ihre Tätigkeit ein. Ab dem 01.08.2015 führten die Gesellschaften C, D, E, F, G, H und I das Möbelhaus am gleichen Standort fort.

Kläger erhält betriebsbedingte Kündigung

Diese Gesellschaften setzten auch eigenes Personal ein und erhielten Räume und Inventar wiederum unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Verkaufsbereiche des Klägers übernahm die Gesellschaft D. B kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Verkäufer betriebsbedingt zum 29.02.2016.

Der Kläger meint, aufgrund eines Betriebsüberganges bestehe sein Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft D fort. D meint, es liege eine bloße Funktionsnachfolge vor, kein Betriebsübergang.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat einen Betriebsübergang nach § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bejaht. Folglich ist das Arbeitsverhältnis kraft Gesetz auf die neuen Betreiberin D übergegangen. Die Darlegungs- und Beweislast für den Betriebsübergang trifft den Arbeitnehmer.

Der Kläger hatte argumentiert, dass der Möbelverkauf nach wie vor ein Teilbestand des Möbelhauses ist. Eine identische wirtschaftliche Einheit lag vor. Der Kundenstamm, das Warensortiment und die Verkaufsstätte haben sich nicht geändert. Die Firmen arbeiten zusammen. Ein Gemeinschaftsbetrieb liegt vor.

Keine bloße Funktionsnachfolge

Die Arbeitgeberin D hatte behauptet, nur eine Funktionsnachfolge angetreten zu haben. Bei einer Funktionsnachfolge werden aber nur die bloßen Tätigkeiten fortgeführt. Weder Betriebsmittel noch Belegschaft und Kundenstamm gehen auf den Erwerber über.

Dies war hier jedoch der Fall. Die Gesellschaft D hat den Vortrag des Klägers nicht entkräftet, indem sie sich darauf berufen hat, dass der Personaleinsatz durch ein Computerprogramm gesteuert wird. D hatte auch ihr Direktionsrecht als Arbeitgeberin ausgeübt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da das LAG Düsseldorf die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen hat. Aus meiner Sicht hätte das Landesarbeitsgericht die Revision nicht zulassen müssen. Die vom BAG aufgestellten Kriterien für einen Betriebsübergang sind in diesem Fall eindeutig erfüllt.

Praxistipp: Betriebsübergang nach § 613a BGB

Bei einem Betriebsübergang tritt ein neuer Inhaber an die Stelle des alten Inhabers durch ein Rechtsgeschäft ein. Die Arbeitsverhältnisse bestehen unverändert fort. Der Betriebsübergang setzt voraus, dass die wirtschaftliche Einheit des Betriebs bestehen bleibt. Damit ist eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen gemeint, die darauf ausgerichtet ist, auf Dauer eine wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung auszuüben. Um dies festzustellen, nimmt das Gericht eine Gesamtwürdigung vor. Dabei berücksichtigt das Gericht üblicherweise: Die Art des Betriebes, den Übergang materieller Betriebsmittel, den Wert der innerbetrieblichen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft, Übergang von Kunden und Lieferanten, Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit, Dauer der Unterbrechung der Tätigkeit.

So das Bundesarbeitsgericht (BAG), in

  • BAG Urteil vom 07.04.2011 - 8 AZR 730/09,
  • BAG Urteil vom 18.10.2011 - 6 AZR 41/11,
  • BAG Urteil vom 17.10.2013 - 8 AZR 763/12.

Bei betriebsmittelarmen und dienstleistungsorientierten Branchen, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeit ankommt, ist zu fragen, ob die auf Dauer angelegte gemeinsame Tätigkeit noch die gleiche ist. Auch dann liegt eine wirtschaftliche Einheit vor. Bei einem Teilbetriebsübergang muss vor und nach dem Übergang eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit vorhanden gewesen sein, die fortgesetzt wird. Der betroffene Arbeitnehmer muss dem Betriebsteil zugeordnet gewesen sein. Entscheidend ist dabei das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das bloße Arbeiten ohne Einbindung in die Struktur genügt nicht. (Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 26/2016 vom 21.09.2016.)


Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 30.08.2016 - 14 Sa 274/16 hier im Volltext

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Rechtliche Grundlagen

§ 613a BGB

§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.

(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.

(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.

(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2. den Grund für den Übergang,
3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.