Klauseln in AGB müssen klar und verständlich sein.
Klauseln in AGB müssen klar und verständlich sein.


Der seit April 2014 bei der Beklagten beschäftigte Flugbegleiter schloss mit der Arbeitgeberin einen von dieser vorformulierten Arbeitsvertrag ab. § 1 dieses Vertrages bestimmt pauschal, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach einem Manteltarifvertrag (MTV) richten, der während der Probezeiten besondere Kündigungsfristen vorsah.
 

Streit um Kündigungsfrist in der Probezeit

 
Unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ war in § 3 des Arbeitsvertrags vorgesehen, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. Ohne Bezugnahme auf die §§ 1 oder 3 des Arbeitsvertrags war in § 8 („Beendigung des Arbeitsverhältnisses“) festgelegt, dass eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gelte. Mit Schreiben vom 05.09.2014 kündigte die Beklagte dem Kläger zum 20.09.2014.
 
Gegen diese Kündigung erhob der Flugbegleiter Klage beim Arbeitsgericht. Er begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der in § 8 des Arbeitsvertrags vereinbarten Frist und somit zum 31. Oktober 2014 geendet habe. Der Kläger begründete dies damit, dass sich aus dem von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag nicht ergebe, dass innerhalb der sechsmonatigen Probezeit eine kürzere Kündigungsfrist gelten solle.
 

Arbeitsgericht weist Klage ab. LAG und BAG bestätigen Rechtsauffassung des Klägers

 
Erstinstanzlich blieb die Klage erfolglos, da das Arbeitsgericht die Argumentation des Klägers nicht nachzuvollziehen vermochte. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die von der Beklagten beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.
 

AGB sind so auszulegen wie sie ein nicht rechtskundiger Arbeitnehmer versteht

 
In seiner Begründung führte der 6. Senat des BAG aus, dass die Bestimmungen des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer versteht. Aus Sicht eines solchen Arbeitnehmers, so der erkennende Senat, lasse sich eine Vertragsgestaltung wie die im Arbeitsvertrag der Parteien nicht erkennen, dass dem Verweis auf den MTV und der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung für Kündigungsfristen zukomme. Nach Wortlaut und Systematik des Vertrags sei vielmehr allein die Bestimmung einer sechswöchigen Kündigungsfrist maßgeblich. Diese Frist gelte auch für Kündigungen in der vereinbarten Probezeit.

Das sagen wir dazu:

Zum Thema „Inhaltskontrolle“

 
Bestimmungen in AGB sind unwirksam wenn sie die den Vertragspartner (im vorliegenden Fall den Arbeitnehmer) des Verwenders (im vorliegenden Fall der Arbeitgeber) der AGB entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
 
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass eine Klausel nicht klar und verständlich ist. Die Bestimmungen in AGB unterliegen dem Gebot der Transparenz. Deshalb muss der Arbeitgeber Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und nachvollziehbar darstellen. AGB müssen ohne Probleme wahrnehmbar und lesbar sein. Insbesondere müssen Nachteile und Belastungen erkennbar sein. Zu vermeiden sind Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten in den AGB- Formulierungen.
 
Von einem solchen Fall ist das BAG in seiner Entscheidung vom 23.03.2017 ausgegangen.
 
Im Ergebnis heißt dies, dass Bestimmungen so formuliert sein müssen, dass ein Nichtjurist in der Lage ist, sie zu verstehen. Außerdem müssen AGB-Klauseln  dem Vertragspartner die damit verbundenen Einschränkungen seiner Rechte klar genug vor Augen führen. 


Hier finden Sie das vollständige Urteil des BAG vom 23.03.2017:

Rechtliche Grundlagen

§ 307 BGB (Inhaltskontrolle), § 622 BGB (Kündigungsfristen)

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.


Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6. 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7. 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. (Anmerkung: Dieser Satz befindet sich noch im Gesetz. Die Berechnung der Beschäftigungsdauer, wonach die Zeiten vor dem 25. Lebensjahr des Arbeitnehmers nicht zu berücksichtigen sind, gilt aber nach höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr!)

(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.

(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,
1. wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2. wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.

Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.