Beleidigungen von Vorgesetzten auf Facebook rechtfertigen nicht unbedingt eine Kündigung (Auszug [Ohne Facebooklogo] aus dem Urteil des LAG BaWü
Beleidigungen von Vorgesetzten auf Facebook rechtfertigen nicht unbedingt eine Kündigung (Auszug [Ohne Facebooklogo] aus dem Urteil des LAG BaWü

In der öffentlich einsehbaren Facebook-Chronik eines Kollegen hatte sich der Kläger an einer Unterhaltung beteiligt, in der es um seine Krankschreibung wegen eines Arbeitsunfalls ging. In diesem Gespräch wurden überwiegend Spitznamen gebraucht.

Beklagte kündigt Arbeitsverhältnis wegen Beleidigung auf Facebook

Unter anderem äußerte sich der Kläger wie folgt: "Das fette (Emoticon: Schwein) dreht durch!!! (Emoticons: gehässig lachende Smileys) (...) und der (Emoticon: Bär)kopf auch!!! (Emoticons: gehässig lachende Smileys)."

Die Beklagte meinte, in den so bezeichneten Personen zwei Vorgesetzte des Klägers zu erkennen. Darunter befand sich einer, der sehr korpulent ist. Ein anderer hat krankheitsbedingt eine sehr breite Stirnfront sowie eine breite Nase und breitere Hände.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen dieser Äußerungen in der Facebookunterhaltung fristlos und hilfsweise fristgerecht.

Kläger obsiegt in zwei Instanzen

Die gegen die Kündigungen gerichtete Klage hatte vor dem Arbeitsgericht und auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg. Die Richter*innen beider Instanzen, kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger sowohl vor einer außerordentlichen als auch ordentlichen Kündigung hätte abgemahnt werden müssen.

Interessenabwägung kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, so das Berufungsgericht, dass mit den Äußerungen die zwei Vorgesetzten gemeint waren, liegt zwar eine grobe Beleidigung vor, die an sich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Im Rahmen der Interessenabwägung jedoch erweise sich die Kündigung als nicht erforderlich, wie sich dies aus folgenden Aspekten ergibt:

Im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass dem Kläger die Tragweite seines Tuns und die Reichweite seiner Beleidigungen nicht bewusst waren. Er ging offenkundig davon aus, dass die von ihm verwendeten Codes und Spitznamen nicht allgemein verständlich waren, sondern nur für Eingeweihte, insbesondere für den Chronikinhaber.

Im Übrigen seien die Beleidigungen zudem Ausdruck des vielfach zu beobachtenden Phänomens, dass unter dem Schutz der Anonymität der sozialen Netzwerke deutlich heftiger "vom Leder gezogen" werde, als in einem persönlichen Gespräch. Dies kann zwar das Verhalten des Klägers nicht rechtfertigen, mache aber deutlich, dass eine Abmahnung nicht von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Vielmehr wäre zu erwarten gewesen, dass eine Abmahnung dem Kläger die Außenwirkung seiner Beleidigungen deutlich gemacht und er künftig solche Beleidigungen voraussichtlich unterlassen hätte.

Schlussendlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger 16 Jahre lang beanstandungsfrei für die Beklagte tätig war und daher einen Vertrauensbonus aufgebaut hat. Durch einen einmaligen Verstoß erscheine dieses Vertrauen nicht als endgültig zerstört.

Hier finden Sie die vollständige Entscheidung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 22.06.2016

Das sagen wir dazu:

Kein Freibrief für sanktionslose Beleidigungen!

Das Urteil des LAG Baden-Württemberg sollte nicht als Freibrief dafür verstanden werden, dass man in sozialen Medien Vorgesetzte folgenlos beleidigen kann. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine Verallgemeinerung zulässt. Ausschlaggebend für den positiven Ausgang des Verfahrens war letztendlich die Würdigung der in diesem Fall vorgelegenen Gesamtumstände und die sich hieraus ergebende Annahme des Gerichts, dass eine Abmahnung dem Kläger die Außenwirkung seiner Beleidigungen deutlich gemacht und er künftig solche Beleidigungen voraussichtlich unterlassen hätte.