Kein Widerrufsrecht bei einem Aufhebungsvertrag, der  im Wohnhaus des Arbeitnehmers geschlossen wurde. Copyright by Stockfotos-MG/fotolia
Kein Widerrufsrecht bei einem Aufhebungsvertrag, der im Wohnhaus des Arbeitnehmers geschlossen wurde. Copyright by Stockfotos-MG/fotolia

Was versteht man unter einem Haustürgeschäft?

Die Vorschrift über Haustürgeschäfte wurde mehrfach neu gefasst. Verbraucher sollen damit in Situationen geschützt werden, in denen sie nicht damit rechnen, einen Kaufvertrag abzuschließen. Sie haben ein Widerrufs- oder Rückgaberecht. Typischer Fall ist der Vertreterbesuch an der Haustür.
 
Die Vorschrift schützt jedoch nicht nur vor Kaufverträgen an der eigenen Haustür, sondern auch vor Abschlüssen bei Kaffeefahrten, am Arbeitsplatz und selbst bei Strandgängen.
 

Kein Haustürgeschäft bei Aufhebungsvertrag am Arbeitsplatz

Frau Neumann war als Reinigungskraft des Diebstahls beschuldigt. Der Arbeitgeber drohte ihr in einem Gespräch an, sie fristlos zu entlassen. Man könne sich aber auch auf eine fristgerechte Kündigung einigen. Dem stimmte Frau Neumann zu, erhielt sofort die fristgerechte Kündigung, so dass sie noch Geld für die Dauer der Kündigungsfrist erhielt.
 
Gleichzeitig unterzeichnete sie dann eine separate Klageverzichtserklärung, in der sie ausdrücklich bestätigte, gegen diese Kündigung keine Klage zu erheben. Diesen Klageverzicht wollte sie jedoch später nicht mehr gelten lassen klagte gegen die Kündigung. Sie berief sich vergeblich auf die typische Situation eines Haustürgeschäftes.
 
Das BAG hat zur entsprechenden Vorschrift bereits 2013 ausgeführt, dass die Vorschrift ein Vertragstypen bezogenes Verbraucherschutzrecht sei (Urteil vom 27.11 2013 2 AZR 177). Der Verbraucher solle vor besonderen Vertriebsformen wie Käufen an der Haustür geschützt sein.
 
Der Aufhebungsvertrag sei kein solches Vertriebsgeschäft. Auch sei die Situation am Arbeitsplatz nicht mit einem typischen Haustürgeschäft vergleichbar. Der Arbeitsplatz sei vielmehr typischerweise der Ort, an dem das Arbeitsverhältnis betreffende Fragen besprochen und geregelt werden.
 

Gesetzesänderung bewirkt keine Änderung der Rechtslage

Frau Neumann war befristet bei einem Verein beschäftigt. Ca. acht Monate vor Ablauf der Befristung suchte der Geschäftsführer sie am Arbeitsplatz auf und warf ihr vor, einen Arbeitszeitbetrug begangen zu haben; diesen räumte Frau Neumann ein.
 
Ihr wurde daraufhin ein bereits vorbereiteter Aufhebungsvertrag vorgelesen. Das Arbeitsverhältnis sollte zweieinhalb Monate nach dem Datum des Vertrages liegen. Bis dahin sollte das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt werden. Die Klägerin widerrief die Vereinbarung und focht den Aufhebungsvertrag an.
 
Das Arbeitsgericht Solingen hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 03.11.2016, Az.: 3 Ca 1177/16 lev). Es liege weder ein Anfechtungsgrund vor, noch sei die Vereinbarung wirksam widerrufen worden.
 
Der Arbeitsplatz sei nicht als Geschäftsraum im Sinne der Widerrufsvorschrift anzusehen. Die Situation beim Abschluss von arbeitsvertraglichen Aufhebungsverträgen am Arbeitsplatz sei nicht vergleichbar mit Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden.
 

Aufhebungsvertrag beim Arbeitnehmer zu Hause. Ist das ein Haustürgeschäft?

Deswegen ist auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrages im eigenen Haus kein Haustürgeschäft, wie das LAG Niedersachsen nun entschieden hat (Urteil vom 7. November 2017 10 Sa 1159/16).
 
Frau Neumann war arbeitsunfähig und zu Hause. Ihr Arbeitgeber suchte sie zu Hause auf und drohte ihr eine fristlosen Kündigung an. Sie hat dann noch in ihrer Wohnung einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet, mit dem das Arbeitsverhältnis sofort endete.
 
Frau Neumann reute das schnell. Sie erklärte gegenüber dem Arbeitgeber die Anfechtung der Vereinbarung wegen Drohung. Ihr Arbeitgeber akzeptierte das nicht, so dass Frau Neumann Klage erhob und auch die Vereinbarung widerrief.
 

Kein Anfechtungsgrund nachweisbar

Unabhängig davon, ob Vorwürfe zutreffen, ist es natürlich eine Drucksituation, wenn Arbeitnehmer Verfehlungen vorgeworfen werden und sie überraschend mit der Aufhebung des Arbeitsvertrags konfrontiert werden.
 
Bei Drohung gibt es auch die Möglichkeit einen Vertrag wirksam anzufechten, wenn dem Betroffenen ein künftiges Übel in Aussicht gestellt wird. Die Drohung muss aber nicht nur ein Übel ankündigen, sondern diese Ankündigung muss auch widerrechtlich sein.
 
Eine Kündigung kann ein solches Übel sein, nur müsste die angedrohte Kündigung objektiv betrachtet sehr wahrscheinlich unwirksam sein.
 
Frau Neumann hatte zwar vorgetragen, ihr sei gedroht worden, sie hatte aber aus Sicht des Gerichts nicht konkret benannt, worin die Drohung konkret bestand. Damit schied ein Anfechtungsgrund aus.
 

Ein Aufhebungsvertrag ist auch außerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers wirksam

Frau Neumann hat sich auf das Haustürwiderrufsrecht berufen. Wie 2003 das BAG zur alten Vorschrift hat das Arbeitsgericht Celle und nachfolgend das LAG Niedersachsen erkannt, dass das Haustürwiderrufsrecht nicht auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge anzuwenden ist, wie eine Analyse vom Sinn und Zweck der Vorschrift zeige. Damit war die Klage für Frau Neumann erfolglos.
 

Rettung durch Geltung eines Tarifvertrags?

Ein Aufhebungsvertrag ist grundsätzlich nicht allein deshalb unwirksam, weil dem Arbeitnehmer kein Widerrufsrecht eingeräumt wird und wohl auch nicht nur, weil ihm der beabsichtigte Gesprächsinhalt nicht mitgeteilt wurde.
 
Manche tarifliche Regelungen sehen aber vor, dass der Abnehmer den Abschluss eines Aufhebungsvertrags innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angaben von Gründen widerrufen kann.
 
Wenn also ein entsprechender Tarifvertrages gegolten hätte und Frau Neumann die Frist eingehalten hätte, hätte sie sich auf das tarifliche Widerrufsrecht berufen können.
 
Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen

Das sagen wir dazu:

Vorsicht in solchen Situationen. Ebenso, wie man Widerrufsmöglichkeiten ausschließen kann, besteht rechtlich immer die Möglichkeit, eine Klausel mit Widerrufsmöglichkeit aufzunehmen. Oder noch besser, der Arbeitnehmer bekommt einen Entwurf und kann sich fachkundigen Rat einholen bevor unterschrieben wird.

Selbst wenn eine verlockende Abfindung winkt, ist diese schnell geschrumpft, wenn eine Sperrzeit von der Agentur für Arbeit verhängt wird oder die Zahlung des Arbeitslosengelds ruht. Das sind oft sozialrechtliche Konsequenzen von Aufhebungsverträgen.

Wer 18 Jahre zählt und etwas unterschreibt, ist dafür verantwortlich. Nur wenn passende Schutzvorschriften bestehen, kann im Einzelfall eine Änderung erreicht werden. Hier wird vom Arbeitnehmer erwartet, einen gewissen Druck auszuhalten und eben nicht vorschnell zu unterschreiben.

Dreist empfindet die Autorin aber das Vorgehen des Arbeitgebers, seine Mitarbeiterin unangekündigt zu Hause aufzusuchen. Den Arbeitgeber ohne die von ihm gewünschte Unterschrift aus der Wohnung zu komplementieren, ist sicher nicht einfach.

Dazu hatte die österreichische Pop-Rock-Band Erste Allgemeine Verunsicherung im Jahr 1990 schon einen Rat in ihrem Song „Ding Dong“:
Mach nie die Tür auf,
laß keinen rein.
Mach nie die Tür auf,
sei nie daheim.
Ist erst die Tür auf,
dann ist's zu spät
Denn du weißt nie,
wer draußen steht

Den Zutritt zu ihrer Wohnung hätte Frau Neumann dem Arbeitgeber ohne weiteres verweigern können. Dann bestünde das Arbeitsverhältnis vielleicht heute noch.

Rechtliche Grundlagen

§ 312 BGB

(1) Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind nur auf Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Absatz 3 anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben.

(2) Von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels ist nur § 312a Absatz 1, 3, 4 und 6 auf folgende Verträge anzuwenden:
1. notariell beurkundete Verträge
a) über Finanzdienstleistungen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden,
b) die keine Verträge über Finanzdienstleistungen sind; für Verträge, für die das Gesetz die notarielle Beurkundung des Vertrags oder einer Vertragserklärung nicht vorschreibt, gilt dies nur, wenn der Notar darüber belehrt, dass die Informationspflichten nach § 312d Absatz 1 und das Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 entfallen,

2. Verträge über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Eigentum oder anderen Rechten an Grundstücken,
3. Verbraucherbauverträge nach § 650i Absatz 1,
4. (weggefallen)
5. Verträge über die Beförderung von Personen,
6. Verträge über Teilzeit-Wohnrechte, langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungen und Tauschsysteme nach den §§ 481 bis 481b,
7. Behandlungsverträge nach § 630a,
8. Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers von einem Unternehmer im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden,
9. Verträge, die unter Verwendung von Warenautomaten und automatisierten Geschäftsräumen geschlossen werden,
10. Verträge, die mit Betreibern von Telekommunikationsmitteln mit Hilfe öffentlicher Münz- und Kartentelefone zu deren Nutzung geschlossen werden,
11. Verträge zur Nutzung einer einzelnen von einem Verbraucher hergestellten Telefon-, Internet- oder Telefaxverbindung,
12. außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, bei denen die Leistung bei Abschluss der Verhandlungen sofort erbracht und bezahlt wird und das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt 40 Euro nicht überschreitet, und
13. Verträge über den Verkauf beweglicher Sachen auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen.

(3) Auf Verträge über soziale Dienstleistungen, wie Kinderbetreuung oder Unterstützung von dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Familien oder Personen, einschließlich Langzeitpflege, sind von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur folgende anzuwenden:
1. die Definitionen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und der Fernabsatzverträge nach den §§ 312b und 312c,
2. § 312a Absatz 1 über die Pflicht zur Offenlegung bei Telefonanrufen,
3. § 312a Absatz 3 über die Wirksamkeit der Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung gerichtet ist,
4. § 312a Absatz 4 über die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Entgelts für die Nutzung von Zahlungsmitteln,
5. § 312a Absatz 6,
6. § 312d Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 246a § 1 Absatz 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über die Pflicht zur Information über das Widerrufsrecht und
7. § 312g über das Widerrufsrecht.

(4) Auf Verträge über die Vermietung von Wohnraum sind von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur die in Absatz 3 Nummer 1 bis 7 genannten Bestimmungen anzuwenden. Die in Absatz 3 Nummer 1, 6 und 7 genannten Bestimmungen sind jedoch nicht auf die Begründung eines Mietverhältnisses über Wohnraum anzuwenden, wenn der Mieter die Wohnung zuvor besichtigt hat.

(5) Bei Vertragsverhältnissen über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung (Finanzdienstleistungen), die eine erstmalige Vereinbarung mit daran anschließenden aufeinanderfolgenden Vorgängen oder eine daran anschließende Reihe getrennter, in einem zeitlichen Zusammenhang stehender Vorgänge gleicher Art umfassen, sind die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur auf die erste Vereinbarung anzuwenden. § 312a Absatz 1, 3, 4 und 6 ist daneben auf jeden Vorgang anzuwenden. Wenn die in Satz 1 genannten Vorgänge ohne eine solche Vereinbarung aufeinanderfolgen, gelten die Vorschriften über Informationspflichten des Unternehmers nur für den ersten Vorgang. Findet jedoch länger als ein Jahr kein Vorgang der gleichen Art mehr statt, so gilt der nächste Vorgang als der erste Vorgang einer neuen Reihe im Sinne von Satz 3.

(6) Von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels ist auf Verträge über Versicherungen sowie auf Verträge über deren Vermittlung nur § 312a Absatz 3, 4 und 6 anzuwenden.

(7) Auf Pauschalreiseverträge nach den §§ 651a und 651c sind von den Vorschriften dieses Untertitels nur § 312a Absatz 3 bis 6, die §§ 312i, 312j Absatz 2 bis 5 und § 312k anzuwenden; diese Vorschriften finden auch Anwendung, wenn der Reisende kein Verbraucher ist. Ist der Reisende ein Verbraucher, ist auf Pauschalreiseverträge nach § 651a, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, auch § 312g Absatz 1 anzuwenden, es sei denn, die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Vertragsschluss beruht, sind auf vorhergehende Bestellung des Verbrauchers geführt worden.