Arbeitsunfähigkeit: lückenloser Nachweis durch Reha-Entlassbericht. Copyright by Stockfotos-MG/AdobeStock
Arbeitsunfähigkeit: lückenloser Nachweis durch Reha-Entlassbericht. Copyright by Stockfotos-MG/AdobeStock

Die Klägerin bezog ab Februar 2017 Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit. Im April erkrankte die Klägerin. Da sie als Bezieher von Arbeitslosengeld ebenso wie Arbeitnehmer einen Anspruch auf Krankengeld hatte, erhielt sie ab Mitte Mai 2017 Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Von Mitte Juli bis Mitte August 2017 befand die Klägerin sich in einer Rehabilitationsmaßnahme.
 
Am 14.08.2017 wurde die Klägerin als arbeitsunfähig entlassen. Der Entlassbericht der Rehabilitationsklinik ging der Krankenkasse der Klägerin am 21.08.2017 zu. Die Klägerin suchte erst am 16.08.2017 ihren behandelnden Arzt auf. Dieser schrieb sie bis zum 13.09.2017 weiter arbeitsunfähig.
 
Die Krankenkasse zahlte der Klägerin für die Zeit ab dem 15.08.2017 kein Krankengeld. Die Krankenkasse berief sich darauf, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht durchgehend lückenlos nachgewiesen sei. Um den Anspruch auf Krankengeld zu erhalten, habe ein Arzt die fortlaufende Arbeitsunfähigkeit spätestens am 15.08.2017 feststellen müssen. Dies sei nicht geschehen. Die Mitgliedschaft der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld habe daher mit der Entlassung aus der Rehabilitationsklinik am 14.08.2017 geendet. Am Tag der Feststellung der  Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt der Klägerin habe deshalb keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden. Den Widerspruch der Klägerin wies die Krankenkasse ebenfalls mit der Begründung der fehlenden Mitgliedschaft wegen des nicht lückenlosen Nachweises der Arbeitsunfähigkeit zurück.
 

Klage beim Sozialgericht Stuttgart war erfolgreich

Mit Unterstützung des Stuttgarter Büros der DGB Rechtsschutz GmbH wehrte die Klägerin sich gegen die Entscheidung ihrer Krankenkasse. Sie erhob daher Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung ihrer Klage  berief die Klägerin sich darauf, dass zum lückenlosen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Feststellung genüge. Diese Feststellung müsse nicht zwingend auf den hierfür vorgesehenen Vordrucken („gelber Zettel“)  erfolgen. Sie sei im Entlassbericht der Rehabilitationsklinik enthalten. Dass die Feststellung ein Arzt der Reha-Klinik getroffen habe sei  unschädlich.  Die Mitgliedschaft der Klägerin bei ihrer Krankenversicherung habe daher nicht geendet. Sie habe also auch für die Zeit ab dem 14.08.2017 einen Anspruch auf Zahlung des Krankengeldes von ihrer Krankenkasse.
 

Entscheidung des Gerichts

Das Sozialgericht teilte die Auffassung der Klägerin. Es verurteilte die Krankenkasse, für die Zeit vom 14.08.2017 bis zum 13.09.2017 Krankengeld zu bezahlen.
 
Das Sozialgericht führt in seiner Entscheidung aus, dass es für die Aufrechterhaltung des Versicherungsverhältnisses, d.h. der Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld, ausreichend sei, dass die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig festgestellt werde. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit müsse durch einen Arzt erfolgen. Dies sei jedoch nicht unbedingt der Vertragsarzt. Auch die für Vertragsärzte vorgeschriebenen Vordrucke seien nicht zwingend. Für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei es ausreichend, wenn der Arzt aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Versicherten feststellt, dass der Patient krank ist und seiner letzten Beschäftigung nicht mehr nachgehen kann. Diese ärztliche Feststellung kann sich auch aus einem Reha-Entlassbericht ergeben.
 
Bei der Klägerin war dies der Fall. Im Entlassbericht der Reha-Klinik hieß es wörtlich, dass die Klägerin als „weiter arbeitsunfähig“ entlasse werde.
 
Das Sozialgericht führt hierzu aus, dass aus dieser Formulierung folge, dass die Klägerin nicht nur „bei“, sondern auch „nach“ der Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme „weiterhin“ arbeitsunfähig gewesen sei. Diese Feststellung des Entlassberichts beziehe sich damit gerade nicht ausschließlich auf den Entlassungstag, sondern werde für einen darüberhinausgehenden Zeitraum getroffen. Vor ihrer Entlassung  wurde die Klägerin auch ärztlich untersucht.
 

Fehlende Befristung der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit unschädlich

Dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Reha-Entlassbericht nicht befristet war, stellt nach Auffassung des Sozialgerichts kein Problem dar.
Nach Auffassung des Sozialgerichts kann ein Arzt, wenn er nach der Untersuchung des Versicherten absehen kann, dass die Arbeitsunfähigkeit längere Zeit andauern wird, diesen auch für einen längeren Zeitraum krankschreiben. Aus einer Krankschreibung „auf nicht absehbare Zeit“ oder „bis auf Weiteres“ folge lediglich, dass für eine ärztliche Feststellung im Sinne des fünften Sozialgesetzbuches keine neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt werden müssen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Krankenkasse der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit folgt oder nicht.
 
Die Frage, ob die spätere befristete Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des behandelnden Arztes der Klägerin die unbefristete Feststellung im Entlassbericht eingeschränkt hat, ließ das Sozialgericht offen. Hierauf kam es im Fall der Klägerin nicht an, da der behandelnde Arzt ab dem 16.08.2017 die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin weiter lückenlos festgestellt hatte.
 
Das Sozialgericht verpflichtete die beklagte Krankenkasse daher richtigerweise, der Klägerin auch für die Zeit nach der Entlassung aus der Rehabilitationsklinik Krankengeld zu bezahlen.

Das sagen wir dazu:

Anmerkung der Redaktion:

Mit dem Sozialgericht Stuttgart hat bereits das zweite Sozialgericht im Sinne der Versicherten entschieden. Bereits im September 2018 hatte das Sozialgericht Detmold in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass der Entlassbericht einer Rehaklinik eine Bescheinigung über die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des SGB V ist und die Krankenkasse zur Zahlung verurteilt.

Artikel: Entlassungsmitteilung aus der Reha wahrt Anspruch auf Krankengeld