Gilt das Kündigungsschutzgesetz für Geschäftsführer? © Adobe Stock - Von Mediaparts
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Der Kläger und die Beklagte zu 1. streiten über den Fortbestand des Vertragsverhältnisses zwischen ihnen sowie über Ansprüche auf Zahlung von Vergütung, Abrechnungsansprüche sowie im Rahmen von Hilfsanträgen über Urlaubsgewährung und weitere Vergütung. Darüber hinaus streiten der Kläger und die Beklagte zu 2. über Provisionsansprüche.

Wesentlicher Vertragsinhalt

Der Kläger ist seit dem 1. August 2020 für die Beklagte als Managing Director tätig. Grundlage dieser Tätigkeit ist der Vertrag der Parteien vom 30. Juli 2020 / 9. August 2020 in englischer Sprache. Dieser Vertrag ist als „EMPLOYMENT CONTRACT“ überschrieben. Der Vertrag der Parteien enthält in § 1 Regelungen dazu, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein Vollzeitarbeitsvertrag mit einem Festgehalt handelt.

In § 3 des Vertrags ist die Anwendung von Tarifverträgen vereinbart. § 4 des Vertrags enthält Regelungen zu einer Probezeit und § 5 des Vertrags Regelungen zum Arbeitsort des Klägers und zur Konkretisierung der Tätigkeit des Klägers. § 7 des Vertrags regelt die Arbeitszeit des Klägers. Demnach schuldet er eine Tätigkeit im Umfang von 40 Stunden wöchentlich. Hinsichtlich der täglichen Arbeitszeit enthält der Vertrag eine Regelung, dass die Arbeit montags von 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr zu erbringen ist. In den §§ 12 und 23 sind Regelungen zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zum Umfang und der Gewährung von Urlaub enthalten. In § 6 des Vertrags wird der Beklagten zu 1. das Recht eingeräumt dem Kläger andere Aufgaben zuzuweisen sowie seinen Arbeitsort und seine Arbeitszeit zu ändern und näher zu bestimmen.

Der Kläger wird in dem Vertrag der Parteien als „employee“ (zu Deutsch Arbeitnehmer / Mitarbeiter) und die Beklagte zu 1. als „employer“ (zu Deutsch Arbeitgeber) bezeichnet. Das Vertragsverhältnis der Parteien selbst wird in dem Vertrag als „employment“ (zu Deutsch Beschäftigung) bezeichnet.

Seit dem 12. August 2020 ist der als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 1. in das Handelsregister eingetragen worden.

Beklagte teilt per Mail dem Kläger mit, dass man ihn nicht länger benötige

Mit E-Mail vom 15. Februar 2021 erklärte der Geschäftsführer der Beklagten zu 1., unter Bezugnahme auf eine Beendigung des Vertrags des Klägers und der Beklagten zu 1. durch deren Gesellschafter vom 13. Februar 2021, dass die Leistungen des Klägers nicht mehr länger benötigt werden. Am 12. März 2021 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. aus dem Handelsregister gelöscht.

Geschäftsführer erhebt Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht

Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wendet sich der Kläger gegen das Schreiben der Beklagten zu 1. vom 15. Februar 2021 sowie die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch die Gesellschafter der Beklagten. Darüber hinaus begehrt er mit einem allgemeinen Feststellungsantrag die Feststellung des unveränderten Fortbestehens seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger seine Klage um Ansprüche gegen die Beklagte zu 1. auf Zahlung von ausstehender Vergütung sowie Abrechnung und hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit seinen Feststellungsanträgen auf Gewährung von Urlaub und Zahlung weiterer Vergütung erweitert. Daneben hat er im vorliegenden Verfahren die Beklagte zu 2. auf Zahlung von Provisionen verklagt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten zu 1. um ein Arbeitsverhältnis handele. Dies ergebe sich aus den Regelungen des Vertrags zwischen ihm und der Beklagten zu 1. Darüber hinaus sei er weisungsabhängig tätig gewesen und nur pro forma zum Geschäftsführer bestellt worden.

Beklagte rügt die Anrufung des Arbeitsgerichts

Die Beklagte zu 1. hat gerügt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet sei.

Arbeitsgericht verweist Klage an Landgericht

Auf die Rechtswegerüge der Beklagten zu 1. hat das Arbeitsgericht Frankfurt/Main mit Beschluss vom 2. Juli 2021 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen insgesamt als nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen. Dies hat das Arbeitsgericht hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage damit begründet, dass der Kläger als Geschäftsführer kein Arbeitnehmer der Beklagten zu 1. im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes sei. Dass der Kläger und die Beklagte zu 1. über die zutreffende rechtliche Qualifizierung ihres Vertragsverhältnisses streiten ändere an der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte nichts.

Kläger legt sofortige Beschwerde ein

Gegen den ihm am 12. August 2021 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit am 23. August 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese in der Beschwerdeschrift begründet.
Der Kläger begründete seine sofortige Beschwerde damit, dass sich aus den Regelungen des Vertrags mit der Beklagten zu 1. ergebe, dass es sich bei diesem Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handele und er weisungsabhängig bei der Beklagten zu 1. beschäftigt war. Aus den vertraglichen Regelungen ergebe sich, dass es sich nicht um einen Dienstvertrag, sondern um einen klassischen Arbeitsvertrag handele.
Die Beklagte zu 1. indes behauptet, dass der Kläger die volle Handlungsfreiheit eines eingetragenen Geschäftsführers gehabt habe. Überdies berief sie sich darauf, dass es sich bei den im Vertrag mit dem Kläger genannten Aufgaben um keine Aufgaben eines abhängigen Arbeitnehmers handele.

Arbeitsgericht hilft sofortiger Beschwerde nicht ab

Das erstinstanzliche Gericht hat der sofortigen Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 1. Oktober 2021 nicht abgeholfen. Begründet wurde diese Entscheidung im Ergebnis damit, dass der Kläger sich im Wesentlichen nur auf den Text des Vertrags mit der Beklagten zu 1. berufen habe und nicht auf die tatsächliche Vertragsdurchführung. Darüber hinaus sei der Kläger auch keine arbeitnehmerähnliche Person.

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2022 hat der Kläger seine sofortige Beschwerde bezüglich der Beklagten zu 2. zurückgenommen und verfolgt diese nur noch in Bezug auf die Beklagte zu 1. weiter.

Landesarbeitsgericht folgt der klägerischen Rechtsauffassung

Anders als das Arbeitsgericht sah es das Hessische Landesarbeitsgerichts (LAG), das zu Gunsten des Klägers entschied. Hinsichtlich der Kündigungsschutzklage des Klägers, so das Gericht, sei der Rechtsweg gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a und b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eröffnet. Denn entgegen der Annahme des erstinstanzlichen Gerichts sei der Kläger als Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbGG anzusehen.

LAG: Arbeitnehmereigenschaft ergibt sich aus dem Anstellungsvertrag

Aus dem ausführlich begründeten Beschluss des Hessischen LAG vom 1. Februar 2022 ergibt sich, dass sich das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses bereits aus dem Anstellungsvertrag ergebe, da in diesem unter anderem vereinbart wurde, dass dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht zustehe. Ob dies tatsächlich von dem Arbeitgeber ausgeführt wurde, sei unerheblich. Aus dem Anstellungsvertrag ergebe sich überdies, dass der Kläger als Arbeitnehmer und die Beklagte als Arbeitgeber bezeichnet wurden. Auch enthalte der Vertrag die für ein Arbeitsverhältnis typischen Regelungen zum Arbeitsort, zur Arbeitszeit sowie bezahltem Erholungsurlaub und dessen Gewährung.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Hier geht es zum vollständigen Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 1. Februar 2022

Rechtliche Grundlagen

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a und b; § 5 Abs. 1 ArbGG

Auszug aus Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
§ 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren
(1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich zuständig für

3.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
a)
aus dem Arbeitsverhältnis;
b)
über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses;


Auszug aus Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
§ 5 Begriff des Arbeitnehmers
(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.