BAG: Ohne Bedenkzeit unterschriebene Aufhebungsverträge können wirksam sein ©  Adobe Stock - Von Joachim Lechner
BAG: Ohne Bedenkzeit unterschriebene Aufhebungsverträge können wirksam sein © Adobe Stock - Von Joachim Lechner

Der Klägerin, die als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik bei einem Unternehmen beschäftigt war, wurde vorgeworfen, unberechtigt Einkaufspreise im IT-System des Unternehmens geändert beziehungsweise reduziert zu haben.

Am 22. November 2019 führten der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, im Büro des Geschäftsführers mit der Teamkoordinatorin ein Gespräch. Sie erhoben den Vorwurf Einkaufspreise manipuliert zu haben, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln.

Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Klägerin den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor.

Mit Erklärung vom 29. November 2019 focht die Klägerin den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an.

Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung angefochten

Nachdem die außergerichtliche Anfechtung keinen Erfolg zeitigte, erhob die Klägerin Klage beim Arbeitsgericht. Sie begründete die Klage damit, dass der Vertrag aufgrund einer wider¬rechtlichen Drohung zustande gekommen sei. Für den Fall der Nicht¬unter¬zeichnung sei ihr eine außerordentliche Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte um Einräumung einer längeren Bedenkzeit um Rechtsrat einzuholen, sei nicht entsprochen worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat der Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen.

Bundesarbeitsgericht: Kein Anfechtungsgrund gegeben

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte die Entscheidung des LAG. Denn, so die Richter*innen des 6. Senats, an der der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung, habe es gefehlt. Nach Auffassung der Bundesrichter*innen, habe ein verständiger Arbeitgeber im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen dürfen.

Allein der Umstand, so das BAG, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig mache, stelle für sich genommen keine Pflichtverletzung dar. Dies gelte auch dann, wenn dies dazu führe, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibe, noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen könne.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des BAG:

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 311 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB

§ 311 Abs. 2 Nr. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,

§ 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.