Freistellung für Bildungszeit unter Fortzahlung der Bezüge. Copyright by dp@pic/fotolia
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Kläger beantragt bezahlte Freistellung für Seminarteilnahme

Zwischen den Parteien besteht Streit über einen Anspruch des Klägers auf bezahlte Freistellung nach dem Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW). Der klagende Verfahrensmechaniker ist bei der Beklagten, die ca. 1.600 Arbeitnehmer*innen beschäftigt, seit über 10 Jahren tätig. 2016 hat der Kläger bei der Beklagten beantragt, ihn zum Zweck der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme “Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ im Zeitraum vom 25. bis 30.09.2016 nach dem BzG BW freizustellen. Das Seminar wurde in dem Bildungszentrum der IG Metall in Lohr-Bad Orb durchgeführt
 

Streit um Begriff der "politischen Weiterbildung"

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab. Siw begründete dies damit, dass die Bildungsmaßnahme den Anforderungen des BzG BW nicht entspreche. Insbesondere handele es sich bei der Maßnahme nicht um "politische Weiterbildung" im Sinn des § 1 Abs. 4 BzG BW.

Der Kläger indes vertrat die Ansicht, dass die Bildungsmaßnahme "politische Weiterbildung" zum Inhalt habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Begriff "politische Weiterbildung" weit zu verstehen und würde schon immer vorliegen, wenn Informationen über politische Zusammenhänge und deren Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben vermittelt würden. Mit Urteil vom 23.02.2017 gab das Stuttgarter Arbeitsgericht der Klage statt. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ein.
 

LAG verweist auf Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm

Das LAG wies Berufung der Beklagten zurück. Der Kläger, so die Richter*innen der 2. Kammer des Berufungsgerichts, habe einen Anspruch auf bezahlte Freistellung nach dem BzG BW. Bei der Bildungsmaßnahme “Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ handele es sich um "politische Weiterbildung“. Aus § 1 Abs. 4 BzG BW ergebe sich ein weiter Politikbegriff, was folge aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck orientierten, völkerrechts- und verfassungskonformen Auslegung folge.
 

Revision zugelassen

Das BzG BW ist am 01.07.2015 in Kraft getreten. Bei der Entscheidung des baden-württembergischen LAG vom 09.08.2017 handelt es sich um die erste Berufungsverhandlung im Bereich der Neuregelung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.
 
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 09.08.2017

Rechtliche Grundlagen

Auszug aus Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW) vom 17. März 2015 (§ 1 Abs. 4)

§ 1 Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg
Grundsätze

(1) Die Beschäftigten in Baden-Württemberg haben einen Anspruch gegenüber ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber auf Bildungszeit. Während der Bildungszeit sind sie von ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber unter Fortzahlung der Bezüge freizustellen.
(2) Die Bildungszeit kann für Maßnahmen der beruflichen oder der politischen Weiterbildung sowie für die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten beansprucht werden.
(3) Berufliche Weiterbildung dient der Erhaltung, Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung von berufsbezogenen Kenntnissen, Fertigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten oder Fähigkeiten.
(4) Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben.
(5) Die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten dient der Stärkung des ehrenamtlichen Engagements. Die Bereiche der ehrenamtlichen Tätigkeiten, für deren Qualifizierung ein Anspruch auf Bildungszeit besteht, werden durch Rechtsverordnung festgelegt. Die Landesregierung wird ermächtigt, den Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeiten, für deren Qualifizierung ein Anspruch auf Bildungszeit besteht, durch Rechtsverordnung zu regeln