Jurist Gert Becker, DGB Rechtsschutz-Büro Göppingen | Foto: Giacinto Carlucci
Jurist Gert Becker, DGB Rechtsschutz-Büro Göppingen | Foto: Giacinto Carlucci

Seminare und Fortbildungen gehören dazu, will ein Betriebsratsmitglied auf dem neuesten Stand bleiben und seinen Aufgaben bestmöglich nachkommen. Mitglieder des Betriebsrats eines Schraubenherstellers hatten sich deshalb in einem Seminar des IG Metall-Bildungszentrums Sprockhövel zum Thema „Personelle Maßnahmen und Betriebsratshandeln“ weitergebildet. Die Teilnahme an dem Seminar und dessen Inhalte stellten für den Arbeitgeber kein Problem dar. Er war bereit, die Kosten zu übernehmen. Allerdings wollte er nicht für Übernachtung und Verpflegung aufkommen. Seiner Meinung nach waren die Kosten unverhältnismäßig, weil die Mitarbeiter nicht weit von Sprockhövel entfernt wohnten. Sie hätten täglich nach Hause fahren und dort essen und übernachten können, lautete sein Argument.

„Tatsächlich ist der Betriebsrat dazu verpflichtet, eine möglichst günstige Lösung für ein Seminarangebot zu finden“, räumt Michael Mey ein. Der Teamleiter des DGB Rechtsschutz-Büros Hagen hat den Betriebsrat vor Gericht vertreten. Doch in diesem Fall zog das Argument des Arbeitgebers nicht, da es sich bei dem fraglichen Seminar um ein Kompakt-Angebot handelte, das nur mit Übernachtung und Verpflegung gebucht werden konnte. „Viele Wochenseminare sind didaktisch so aufgebaut, dass die Schulung sich nicht auf die reinen Vorträge beschränkt, sondern der Austausch mit den anderen Teilnehmern am Abend oder das Knüpfen von Netzwerken auch dazugehören“, erklärt Mey. Der Betriebsrat hatte darüber hinaus in dem vorliegenden Fall keine andere Wahl, als das gesamte Paket zu buchen. Dementsprechend musste der Arbeitgeber laut Gerichtsbeschluss die vollen Kosten für das Seminar inklusive Übernachtung und Verpflegung übernehmen.

 „Das ist eine bedeutsame Entscheidung für die Bildungsarbeit“, sagt Michael Mey. Sie gibt das klare Signal, dass solche Wochenseminare in der Finanzierung durch den Arbeitgeber gesichert sind und der Betriebsrat nicht dazu gezwungen ist, ein Angebot ohne Übernachtung und Verpflegung auszusuchen. „Auch wenn der Betriebsrat die Kosten gering halten soll, kann er in diesem Rahmen frei entscheiden und muss sich nicht an Vorgaben des Arbeitgebers halten“, betont der Jurist.

 

Betriebsratstätigkeit nach Dienstschluss

 

Bei dem Betriebsratsmitglied eines Pressezustellservice ging es hingegen darum, dass der Arbeitgeber die für die Betriebsratstätigkeit angefallenen Stunden nicht vergüten wollte, weil er unter anderem den angegebenen Zeitaufwand unangemessen fand. Jurist Gert Becker aus dem DGB Rechtsschutz-Büro in Göppingen hat den Arbeitnehmer vor Gericht vertreten. „Es handelte sich hierbei um einen Sonderfall, weil die Betriebsratstätigkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfand – deshalb musste sie vergütet werden“, erklärt er. Der Arbeitnehmer war damit dem Wunsch des Arbeitgebers gefolgt. Der Pressezustellservice wäre andernfalls gezwungen gewesen, eine Vertretung zu beschäftigen, damit die Arbeit reibungslos hätte erledigt werden können.

 

Betriebsratstätigkeit gut dokumentieren

 

Ein anderer Betriebsratskollege hatte bereits das gleiche Verfahren gegen das Unternehmen angestrebt. Damals hatte man sich auf einen Vergleich geeinigt, und der Arbeitgeber hatte die Stunden vergütet. Jetzt wollte der Pressezustellservice eine Klärung vor Gericht und damit einhergehend eine detaillierte Auflistung der zur Debatte stehenden Tätigkeiten. Diese konnte der Interessenvertreter auch einwandfrei liefern: Dezidiert dokumentierte er seine Betriebsratstätigkeit anhand von Protokollen und E-Mails, er konnte sogar Zeugen benennen.

„Mein Rat an die Kollegen im Betriebsrat: Stunden der Betriebsratstätigkeit genau notieren sowie Protokoll- und Tätigkeitslisten anfertigen, denn vor Gericht reicht der bloße Hinweis auf eine Betriebsratstätigkeit nicht“, warnt Jurist Becker. Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber die nachweislich angefallenen Stunden für die Betriebsratstätigkeit nebst Zinsen vergüten müssen. „Beide Parteien haben das Urteil aber gut aufgenommen, und das Arbeitsverhältnis wird ohne Einschränkungen fortgesetzt“, erklärt Gert Becker. Sein Kollege Michael Mey aus Hagen fügt hinzu: „Der Betriebsrat entscheidet in eigener Verantwortung, wie er seine Arbeit ausgestaltet.“ Ob es nun in Form von Seminaren oder bei der konkreten Betriebsratstätigkeit sei. Von Arbeitgebern, die anderer Meinung seien, sollten die Kollegen sich „nicht ins Bockshorn jagen lassen“.

Rechtliche Grundlagen

Arbeitsbefreiung für Betriebsratstätigkeit

Laut § 37 Betriebsverfassungsgesetz muss der Arbeitgeber Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgeltes für die Betriebsratstätigkeit befreien, wenn das zur Durchführung ihrer Aufgaben für den Betriebsrat nötig ist.

Liegt die Betriebsratstätigkeit betriebsbedingt außerhalb der regulären Arbeitszeit, hat das Mitglied Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes. Ist die Arbeitsbefreiung innerhalb eines Monats aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, müssen die aufgewendeten Stunden wie Überstunden vergütet werden.

Ob eine Betriebsratstätigkeit notwendig ist oder eine Tätigkeit zu den Aufgaben des Betriebsrats gezählt werden darf, entscheidet das Betriebsratsmitglied nach gewissenhafter Prüfung selbst. Grundsätzlich gehören zu den Kernaufgaben die Teilnahme an Betriebsratssitzungen und -versammlungen, an Betriebs- und Abteilungsversammlungen, an Besprechungen und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber oder mit Behörden, das Abhalten von Sprechstunden sowie die Wahrnehmung gesetzlicher Mitbestimmungsrechte.