Aber nur, wenn die Wahl zum Betriebsrat wirksam ist! Copyright by Adobe Stock/Thomas Reimer
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Der Fall:
 

  • Bei einer Betriebsratswahl beantragen 38 Mitarbeiter*innen, ihre Stimme per Briefwahl abgeben zu können.
  • Der Wahlvorstand fasst keinen Beschluss darüber, ob er dem Antrag der 38 Mitarbeiter*innen stattgibt.
  • Trotzdem bekommen alle Antragsteller*innen die Briefwahlunterlagen zugeschickt.
  • Drei von ihnen nehmen unmittelbar an der Urnenwahl teil.
  • Im Rahmen der Auszählung beschließt der Wahlvorstand, die verbleibenden 35 Briefwahlstimmen nicht zur Wahl zuzulassen.

 
(Vereinfacht nach: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2020 Aktenzeichen 16 TaBV 48/19)
 
 
Die Entscheidungsfrage:
 
Welche Aussage ist zutreffend?
 

  • Die Betriebsratswahl ist nichtig.
  • Die Betriebsratswahl ist unwirksam.
  • Die Betriebsratswahl ist wirksam.

 
Die Antwort:
 

Die Rechtslage

Eine Betriebsratswahl ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz anfechtbar,
 „. . . wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist . . . Es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.“
Eine erfolgreiche Anfechtung führt dazu, dass die Betriebsratswahl unwirksam wird. Dies gilt jedoch nicht rückwirkend. Das bedeutet, dass der  - unwirksam  - gewählte Betriebsrat so lange im Amt ist und arbeiten kann, bis der Erfolg der Anfechtung rechtskräftig feststeht.
Nichtig ist die Wahl dagegen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen. Dazu ist erforderlich, dass ein besonders grober und offensichtlicher Verstoß gegen wesentliche gesetzliche Wahlregeln vorliegt. Dies ist der Fall, wenn ein oder mehrere Fehler in so hohem Maße aufgetreten sind, dass die Wahl nicht einmal den Anschein hat, dem Betriebsverfassungsgesetz und der Wahlordnung zu entsprechen. Ist eine Betriebsratswahl nichtig, kommt der „gewählte“ Betriebsrat nicht ins Amt. Die Folge ist eine betriebsratslose Zeit bis zu einer Neuwahl.

Die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts

Im vorliegenden Fall hat das Hessische Landesarbeitsgericht zunächst klargestellt, dass ein Verstoß gegen die Wahlordnung vorliegt. Dieser Verstoß bestehe darin, dass der Wahlvorstand keinen Beschluss darüber gefasst habe, ob den Anträgen auf Briefwahl stattzugeben ist oder nicht. Damit stehe fest, dass die Wahl unter einem Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts leide. Denn zuständig für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl sei allein der Wahlvorstand als Gremium, nicht aber seine Mitglieder oder sein*e Vorsitzende*r.
Deshalb kommt das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung, dass ein Grund für die Anfechtung der Wahl bestehe. Sie sei deshalb unwirksam.
Eine Nichtigkeit der Wahl halten die zweitinstanzlichen Richter*innen nicht für gegeben. Der Verstoß habe  „kein derart hohes Gewicht, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht.“
Eine Begründung, die darüber hinausginge  - etwa, auf welchen
Abwägungskriterien diese Entscheidung beruht und wie diese zu gewichten sind  - findet sich im Beschluss des Landesarbeitsgerichtes leider nicht.
 

Das Ergebnis

Richtig ist die Aussage
„Die Betriebsratswahl ist unwirksam“.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2020 – 16 TaBV 48/19

Rechtliche Grundlagen

Erste Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO)
§ 24 Voraussetzungen
(1) Wahlberechtigten, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben, hat der Wahlvorstand auf ihr Verlangen
1.
das Wahlausschreiben,
2.
die Vorschlagslisten,
3.
den Stimmzettel und den Wahlumschlag,
4.
eine vorgedruckte von der Wählerin oder dem Wähler abzugebende Erklärung, in der gegenüber dem Wahlvorstand zu versichern ist, dass der Stimmzettel persönlich gekennzeichnet worden ist, sowie
5.
einen größeren Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstands und als Absender den Namen und die Anschrift der oder des Wahlberechtigten sowie den Vermerk "Schriftliche Stimmabgabe" trägt,auszuhändigen oder zu übersenden. Der Wahlvorstand soll der Wählerin oder dem Wähler ferner ein Merkblatt über die Art und Weise der schriftlichen Stimmabgabe (§ 25) aushändigen oder übersenden. Der Wahlvorstand hat die Aushändigung oder die Übersendung der Unterlagen in der Wählerliste zu vermerken.
(2) Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst oder mit Telearbeit Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte), erhalten die in Absatz 1 bezeichneten Unterlagen, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf.
(3) Für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, kann der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe beschließen. Absatz 2 gilt entsprechend.