Nichtbeteiligung des Betriebsrats kann Unterlassungsanspruch begründen
Nichtbeteiligung des Betriebsrats kann Unterlassungsanspruch begründen

Die Arbeitgeberin betreibt mehrere Callcenter. Per Mail informierte sie die Beschäftigten darüber, dass "das Essen am Arbeitsplatz untersagt" sei. Hierfür stehe die Küche zu Verfügung.

Arbeitgeber verbietet Essen am Arbeitsplatz

Noch am Tag des Verbots, am Arbeitsplatz zu essen, wies der Betriebsrat die Arbeitgeberin darauf hin, dass er zu beteiligen sei, was diese aber unbeeindruckt ließ.
Sie verwies lediglich auf Hygiene- und Gesundheitsschutzüberlegungen, ging aber auf die vom Betriebsrat geltend gemachten Beteiligungsrechte nicht ein. Dies veranlasste den Betriebsrat beim Arbeitsgericht, im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, Unterlassung zu beantragen.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt und erließ die begehrte einstweilige Verfügung. Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) keinen Erfolg.

Gerichte bestätigen Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im einstweiligen Verfügungsverfahren

Mit Beschluss vom 12.07.2016 bestätigten die Richter*innen der 7. Kammer des LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts und begründeten dies wie folgt:
Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) steht dem Betriebsrat im Hinblick auf die streitigen Anordnung ein Mitbestimmungsrecht zu. Denn das Essensverbot betrifft das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb und nicht deren - mitbestimmungsfreies - Arbeitsverhalten.
Mit dem Verbot sollte das Verhalten der Arbeitnehmer untereinander koordiniert und verhindert werden, dass arbeitende Beschäftigte dem Essverhalten der Kollegen oder Essensgerüchen ausgesetzt werden.

Essverbot betrifft nicht Arbeitsverhalten, sondern Ordnungsverhalten,

Auch ergebe sich ein Bezug zum Arbeitsverhalten nicht daraus, dass die Arbeitgeberin mit dem Essverbot am Arbeitsplatz auch eine Beschmutzung oder Beschädigung von Tastaturen und anderen in ihrem Eigentum stehenden Geräten verhindern wollte. Denn deren Anliegen zielt alleine oder wenigstens prioritär auf das Zusammenwirken der Arbeitnehmer und damit auf die Ordnung im Betrieb ab.

Ein Verfügungsgrund für die begehrte Unterlassungsverfügung sah das Gericht ebenfalls als gegeben an. Es sei zwar teilweise umstritten, ob und inwieweit weitere Elemente als die (bloße) Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats für die Annahme eines Verfügungsgrundes vorliegen müssen.
Hierüber aber müsse nicht entschieden werden, so das LAG, da jedenfalls dann vom Vorliegen eines Verfügungsgrundes auszugehen ist, wenn die Arbeitgeberin - wie hier - ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der streitigen Angelegenheit ganz grundsätzlich in Abrede stellt und demnach dessen Rechtsposition andauernd verletzt.

Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 12.07.2016:


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Rechtliche Grundlagen

§ 87 Betriebsverfassungsgesetz

Betriebsverfassungsgesetz

§ 87 Mitbestimmungsrechte

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4. Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5. Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9. Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11. Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13. Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und