Der Gastronomie-Beschäftigte staunte nicht schlecht, als er seine Gehaltsabrechnung vom Juni 2011 erhielt: Zeiten, die er als Betriebsrats- und Wahlvorstandsmitglied einer großen Fast-Food-Kette in Sitzungen des Betriebsrats, des Betriebsausschusses, des Wirtschaftsausschusses und des Wahlvorstands verbrachte, waren nicht vergütet worden. Als sich das Gleiche für den Monat Juli wiederholte, reichte er mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH Klage ein. Denn § 37 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz regelt eindeutig, dass nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien sind, wenn es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist: „Die Zahlungsverweigerung ist umso unverständlicher, als den anderen Betriebsräten die strittigen Zeiten bezahlt wurden“, erklärt Jurist Henning Schnabel, der das NGG-Mitglied vertrat.

Vor Gericht argumentierte der Arbeitgeber, dass die Teilnahme des Mitarbeiters an den 21 Sitzungen im Juni und 14 Sitzungen im Juli nicht erforderlich gewesen sei. Dies ließen die Richter nicht durchgehen: Allein dem Betriebsrat als Gremium und dem einzelnen Betriebsratsmitglied obliege es zu beurteilen, ob das Versäumen von Arbeitszeit zur Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist. Dabei müssten sie die Interessen des Betriebes einerseits und die des Betriebsrats andererseits gegeneinander abwägen. „Ein Betriebsratsgremium ist autonom in seinen Entscheidungen, wann und wie oft es Sitzungen einberuft und wie lange diese dauern“, erläutert Jurist Schnabel, „zudem müssen die Betriebsratsmitglieder der Einladung Folge leisten – mein Mandant hätte gar keine Wahl gehabt hinzugehen oder nicht.“ So sah es auch das Arbeitsgericht Berlin und verurteile den Betreiber des Schnellrestaurants dazu, das ausstehende Gehalt für die Zeit der Sitzungsteilnahme in Höhe von circa 1.000 Euro brutto nebst Zinsen nachzuzahlen.

 

Rauswurf trotz Kündigungsschutzes

 

Die Gründung eines Betriebsrats ganz und gar verhindern wollte der Chef einer Augsburger Betonfirma und kündigte einem unliebsamen Wahlvorstandsmitglied außerordentlich am 10. Juni 2011. „Das geht natürlich nicht ohne Beachtung der geltenden Gesetze, denn mein Mandant genoss als Mitglied des Wahlvorstands den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Absatz 3 Kündigungsschutzgesetz“, erklärt dazu die Juristin Doris Müller vom DGB Rechtsschutz-Büro Augsburg.

Der Arbeitgeber des Kleinbetriebs mit 18 Beschäftigten war jedoch anderer Meinung. Seiner Ansicht nach hätte der Wahlvorstand, der durch Beschluss vom Arbeitsgericht am 12. Mai 2011 bestellt wurde, die Betriebsratswahl innerhalb von acht Tagen durchführen müssen – so sieht es § 14a Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz zum vereinfachten Wahlverfahren für Kleinbetriebe vor. Da dies nicht erfolgt sei, hätte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs kein Wahlvorstand mehr bestanden und der besondere Kündigungsschutz greife nicht. „Jedoch hat die gegnerische Seite nicht zu Ende gedacht“, erklärt Juristin Müller, „für diese Kündigung hätte der Arbeitgeber die Zustimmung des Arbeitsgerichts einholen müssen, da es im Unternehmen ja noch keinen Betriebsrat gab, der seine Zustimmung zur Kündigung hätte erteilen können.“

So sahen das auch die Richter, die in ihrem für den Produktionsmitarbeiter positiven Urteil auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verwiesen. Hieraus ergibt sich, dass es dem noch nicht rechtskräftig bestellten Wahlvorstand zwar erlaubt ist, bereits vorbereitende Tätigkeiten im Hinblick auf die anstehende Betriebsratswahl durchzuführen – er ist jedoch hierzu nicht verpflichtet (BAG-Beschluss vom 26. November 2009, Az. 2 AZR 185/08). Am Ende entschieden die Richter, dass die Kündigung unwirksam ist und das IG BAU-Mitglied einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung habe – wenn auch in einem anderen Bereich und nicht mehr in der Lkw-Flotte, die ausgelagert wurde.

Rechtliche Grundlagen

Gut geschützt

Es ist keine Seltenheit, dass Arbeitgeber versuchen, die Gründung eines Betriebs- oder Personalrats mit fadenscheinigen Argumenten und unlauteren Methoden zu verhindern. Dennoch ist das Recht meist auf der Seite der engagierten Arbeitnehmer: Gewählte Betriebsratsmitglieder, aber auch Wahlvorstandsmitglieder sind vor ordentlichen Kündigungen geschützt und genießen einen Sonderkündigungsschutz, der nur bei Schließung des Betriebs oder im Fall einer außerordentlichen Kündigung durchbrochen wird.

Aber selbst bei einer solchen Kündigung oder einer erzwungenen Versetzung, die zum Verlust des Betriebsratsamtes führt, sind diese gemäß
§ 103 Betriebsverfassungsgesetz nur dann wirksam, wenn der Betriebsrat zustimmt oder die Zustimmung durch einen Beschluss des Arbeitsgerichts ersetzt wird. Auch das Bundesarbeitsgericht stärkt durch seine Rechtsprechung die Rechte der Interessenvertreter.

In jedem Fall lohnt sich die Rücksprache mit der Gewerkschaft und der DGB Rechtsschutz GmbH, wenn Betriebsräte und Wahlvorstandsmitglieder vom Chef in ihren Rechten beschnitten werden.