Der Arbeitgeber muss vor einer Massenentlassung nach § 17 Abs. 2 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats einholen und diese der Agentur für Arbeit vorlegen. Dafür genügt es, wenn die Stellungnahme in einen der Massenentlassungsanzeige beigefügten Interessenausgleich integriert ist und dieser der gesetzlichen Anforderung genügt. Einer separaten Stellungnahme bedarf es nicht.

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zugrunde?


Über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers wurde am 1. Oktober 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Am selben Tag informierte dieser den bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat über die geplanten Massenentlassungen. In einem am 8. Oktober 2009 geschlossenen Interessenausgleich ohne Namensliste erklärte der Betriebsrat, dass ihm die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte erteilt worden seien und er abschließend keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG sei damit abgeschlossen. Der Beklagte fügte seiner anschließenden Massenentlassungsanzeige diesen Interessenausgleich bei und wies sowohl in der Anzeige als auch im Anschreiben an die Agentur für Arbeit auf die im Interessenausgleich erfolgte Stellungnahme des Betriebsrats hin. Nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 12. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010. Der Kläger hält diese Kündigung für unwirksam, weil der Massenentlassungsanzeige keine separate Stellungnahme des Betriebsrats beigefügt gewesen sei und die Beifügung eines Interessenausgleichs nur dann genüge, wenn es sich um einen solchen mit Namensliste handele. Die Vorinstanzen sind dem gefolgt und haben der Klage stattgegeben.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Die Revision des Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Stellungnahme des Betriebsrats ist der Massenentlassungsanzeige beizufügen, um gegenüber der Agentur für Arbeit zu belegen, ob und welche Möglichkeit der Betriebsrat sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden. Diesem Zweck ist genügt, wenn sich aus einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats in einem der Anzeige beigefügten Interessenausgleich ohne Namensliste eindeutig ergibt, dass die Kündigungen auch nach Auffassung des Betriebsrats unvermeidlich sind.
Beabsichtigt der Arbeitgeber Massenentlassungen, muss er gemäß § 17 Abs. 2 KSchG vor Erklärung der Kündigungen den Betriebsrat unterrichten. Nimmt der Betriebsrat hierzu Stellung, muss der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG seiner Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit diese Stellungnahme beifügen. Ist die Stellungnahme in einen der Massenentlassungsanzeige beigefügten Interessenausgleich integriert, ist der gesetzlichen Anforderung genügt. Einer separaten Stellungnahme in einem eigenständigen Dokument bedarf es nicht.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Die Entscheidung des BAG ist zwar unter rein juristischen Gesichtspunkten kaum angreifbar. Das Gesetz schreibt nur vor, dass der Massenentlassungsanzeige eine Stellungnahme beizufügen ist. Welche Form oder welcher Inhalt diese Stellungnahme haben muss, ist nicht geregelt. Es spricht daher allein vom Wortlaut des Gesetzes nichts für eine gesonderte Stellungnahme, die vom Interessenausgleich auch körperlich getrennt ist. Nach dieser Entscheidung des BAG droht die Stellungnahme des Betriebsrats zur Massenentlassung aber zu einer reinen Formalie bzw. zur Verhandlungsmasse des Interessenausgleichs zu werden. Sinn- und Zweck der Stellungnahme des Betriebsrats ist es, der Arbeitsagentur einen Überblick über die Interessenlage aus Sicht der Arbeitnehmer zu geben. Dem wird es nicht gerecht, wenn sie in den Interessenausgleich integriert wird. Wenn sich die Betriebsparteien auf den Abschluss eines Interessenausgleichs geeinigt haben, dann haben sie sich auch über die Umsetzung der unternehmerischen Maßnahme geeinigt. In einer solchen Vereinbarung ist daher kaum zu erwarten, dass sich der Betriebsrat kritisch zur Notwendigkeit der Art oder des Umfangs der Maßnahme äußert. Andererseits wird es mit solcherlei kritischen Anmerkungen kaum zum Abschluss eines Interessenausgleichs kommen. Es besteht daher künftig die Gefahr, dass Arbeitgeber Druck auf Betriebsräte ausüben, um die Stellungnahme bei Abschluss des Interessenausgleichs mit abzugeben und einen weiteren Unsicherheitsfaktor zu eliminieren. Es muss deshalb in den Gremien intensiv darüber diskutiert werden, ob mit der Stellungnahme gegenüber der Arbeitsagentur Ziele verfolgt werden können, die mit dem Interessenausgleich allein nicht erreicht werden. Erst wenn dies geklärt ist, kann eine Entscheidung über die Aufnahme der Stellungnahme in die Vereinbarung gefällt werden.

Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 21.03.2012, Az: 6 AZR 596/10