Vorsicht bei Beschlüssen, wenn mehrere Betriebsräte zur selben Schulung sollen. Nicht jeder Amtsträger muss über alle Spezialkenntnisse verfügen.
Vorsicht bei Beschlüssen, wenn mehrere Betriebsräte zur selben Schulung sollen. Nicht jeder Amtsträger muss über alle Spezialkenntnisse verfügen.


Der dreiköpfige Betriebsrat eines in Bochum tätigen IT-Dienstleisters hatte beschlossen, alle Betriebsräte sowie das Ersatzmitglied zu einer eintägigen Veranstaltung „Zukunftsforum IT  - Menschen, Maschinen und gute Arbeit 4.0?“ zu entsenden.

Nachdem der Arbeitgeber schon im Vorfeld der Veranstaltung die Erforderlichkeit der Teilnahme aller Mitglieder in Frage gestellt hatte, verzichtete ein Amtsträger vollständig auf die Teilnahme. Ein weiterer nahm während seines Urlaubs an dem Seminar teil.

Arbeitgeber verweigert Zahlung der Vergütung

Den beiden anderen Betriebsräten kürzte der Arbeitgeber das Gehalt für den Teilnahmetag. Die anschließende Zahlungsklage scheiterte vor dem Arbeitsgericht Bochum.

Die Richter ließen dahinstehen, ob die Teilnahme eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes an der Tagesveranstaltung überhaupt erforderlich im Sinne des § 37 Absatz 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) war. Dies hätte, da es sich nicht um ein in jedem Fall erforderliches Grundlagenseminar gehandelt hat, besonders geprüft werden müssen.

Entsendebeschluss nicht ordnungsgemäß

Der Zahlungsanspruch des klagenden Amtsträgers scheiterte jedenfalls daran, dass nicht alle Betriebsräte sowie das Ersatzmitglied an der Schulung hätten teilnehmen dürfen. Bereits aus diesem Grund war der Entsendebeschluss nicht ordnungsgemäß.

Es komme, so die Bochumer Richter weiter, nicht darauf an, dass sich letztlich nur zwei Betriebsräte aufgrund des Entsendebeschlusses zur Teilnahme an der Tagesveranstaltung durchgerungen hatten. Denn der Betriebsratsbeschluss, der die Grundlage für die Entsendung darstellte, betraf die Teilnahme von vier Amtsträgern. Einen anderen, weniger weitgehenden Beschluss, habe das Gremium nun einmal nicht gefasst.

Teilnahme aller Betriebsräte erforderlich?

Und eben dieser Beschluss war aus Sicht der urteilenden Richter nicht ordnungsgemäß. Es hätten nämlich unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht alle Betriebsräte sowie das Ersatzmitglied teilnehmen dürfen.

Zwar hat der Betriebsrat bei der Frage, ob er eine Teilnahme seiner Mitglieder an einer Schulung für erforderlich hält, grundsätzlich einen Beurteilungsspielraum. Dabei darf er jedoch nicht nach rein subjektiven Kriterien entscheiden, sondern muss auch die Interessen des Betriebes und der Beschäftigten im Auge behalten.

Nicht alle Betriebsräte brauchen Spezialwissen

Auch wenn unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsteilung der Betriebsrat nicht verpflichtet ist, sich auf die Kenntnisse eines einzelnen Amtsträgers zu beschränken und zu verlassen, so ist aus Sicht des Arbeitsgerichts nicht erforderlich, dass alle Betriebsräte über ein bestimmtes Spezialwissen verfügen. Zu beachten sind dabei auch die Betriebsgröße und die Zusammensetzung und Aufgabenverteilung des Betriebsrates.

Fazit: Nicht jeder Amtsträger muss über alle Spezialkenntnisse verfügen und darf sich demzufolge darin nicht zwingend auf Kosten des Arbeitgebers schulen lassen. Entscheidend ist dabei immer die konkrete Situation im Einzelfall und eine für das Arbeitsgericht nachvollziehbare Begründung.

 

LINKS:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 27.04.2017, Aktenzeichen 4 Ca 1577/16 können Sie hier nachlesen.

Näheres zur Kostentragung bei Betriebsräteschulungen erfahren Sie hier.

Nur ein ausgeruhter Betriebsrat kann ordnungsgemäße Beschlüsse fassen.

Notwendig ist auf jeden Fall ein ordnungsgemäßer Beschluss.

Dazu gehört auch die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Gremiums bei Beschlussfassung.

Das sagen wir dazu:

Eine vom Arbeitgeber bezahlte Freistellung für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen können Betriebsräte nur dann verlangen, wenn darin Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind. Bei sogenannten Grundlagenseminaren, die Grundkenntnisse im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht vermitteln, ist das immer und für jeden Amtsträger der Fall.

Bei anderen Schulungsveranstaltungen kann das Gesetzesmerkmal der Erforderlichkeit in § 37 Absatz 6 BetrVG zur Falle werden: Vermag ein Arbeitsgericht diese nicht zu erkennen, muss der Arbeitgeber nicht zahlen, weder die Seminarkosten noch den Lohn des Betriebsratsmitgliedes für die Dauer der Teilnahme.

Erforderlichkeit der Schulung

Erheblich für die Prüfung der Erforderlichkeit ist nicht nur der konkrete Schulungsinhalt. Der geschilderte Fall zeigt, dass Betriebsräte bei ihrem Entsendebeschluss auch berücksichtigen müssen, ob das geschulte Wissen im Gremium möglicherweise schon vorhanden ist. Dann muss nämlich besonders begründet werden, warum ein weiteres Betriebsratsmitglied zu diesem Thema weitergebildet werden muss.

Vorsicht bei Entsendung mehrerer Betriebsräte

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn ein und derselbe Entsendebeschluss die Teilnahme mehrerer Betriebsratsmitglieder beinhaltet. Schießt der Betriebsrat nämlich über das Ziel hinaus und kann die Teilnahme mehrerer Amtsträger nicht begründen, führt dies zur Unwirksamkeit des gesamten Beschlusses. Dann hat kein Mitglied einen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber!

Tipps für Betriebsräte

Fasst immer dann, wenn mehrere Amtsträger zu ein und derselben Fortbildung geschickt werden sollen, mehrere getrennte Beschlüsse, um es dem Arbeitgeber nicht von vornherein zu leicht zu machen. Im Zweifelsfall lässt sich dann wenigstens in einem Fall die Erforderlichkeit begründen.

Wenn alle Stricke reißen und die Erforderlichkeit nach § 37 Absatz 6 BetrVG fraglich ist, hat jeder Amtsträger unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit zur Schulungsteilnahme nach § 37 Absatz 7 BetrVG. Von dieser Möglichkeit wird nach unseren Erfahrungen viel zu selten Gebrauch gemacht.

Rechtliche Grundlagen

Absätze 6 und 7 von § 37 Betriebsverfassungsgesetz

§ 37 BetrVG Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.