Arbeitgeber zieht Arbeitnehmerin über den Tisch.
Arbeitgeber zieht Arbeitnehmerin über den Tisch.

Mit dieser Problematik hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.06.15 (7 AZR 452/13) beschäftigt.

Rechtlicher Rahmen

Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ist eine sachgrundlose Befristung nicht möglich, wenn „ … mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat."

Umgehung des Gesetzes

Eine Möglichkeit, diese gesetzliche Vorschrift zu umgehen, besteht darin, den Arbeitgeber zu wechseln. Während zunächst die Leiharbeitsfirma Arbeitgeber ist, übernimmt nach dem Ablauf der (ersten) Frist der (bisherige) Entleiher die Arbeitgeberfunktion und beschäftigt den Arbeitnehmer erneut befristet und ohne einen Sachgrund dafür zu haben. Denn dann hatte der Arbeitnehmer vor der zweiten Befristung kein Arbeitsverhältnis „ … mit demselben Arbeitgeber …“.

Grenzen der Umgehungsmöglichkeit

Die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten kann unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein. Denn auch die Arbeitsvertragsparteien haben sich an den Grundsatz von Treu und Glauben zu halten. Deshalb dürfen Arbeitgeber Arbeitsverträge nicht so gestalten, dass sie sich Vorteile verschaffen, die vom Gesetz nicht vorgesehen sind. Dies ist nach dem Bundesarbeitsgericht dann der Fall,

„ … wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die … vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können."


Besteht demnach der Zweck des Arbeitgeberwechsels allein darin, dass sich die verbundenen Arbeitgeber auf diese Weise eine nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz eigentlich nicht mehr mögliche sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitnehmer erschließen wollen, liegt ein Fall des Rechtsmissbrauchs vor. Die Befristung mit dem neuen Arbeitgeber ist dann unwirksam. Es ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden.

Darlegungs- und Beweislast

Wer sich darauf beruft, dass die konkrete Gestaltung eines Vertrages rechtsmissbräuchlich ist, muss Tatsachen darlegen und - wenn der Gegner sie bestreitet - auch beweisen, die auf einen Rechtsmissbrauch schließen lassen.. Dies ist im Fall des Missbrauchs einer Befristungsvereinbarung der Arbeitnehmer. Dabei genügt es zunächst, wenn er Indizien für einen Missbrauch vorträgt. Solche Indizien sind unter anderem

  • die tatsächliche Verbundenheit von Ver- und Entleiher
  • der nahtlose Anschluss des mit dem Entleiher geschlossenen befristeten Arbeitsvertrags an den befristeten Vertrag mit dem Verleiher
  • eine ununterbrochene Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz oder in demselben Arbeitsbereich 
  • eine Beschäftigung zu im Wesentlichen unveränderten oder sogar gleichen Arbeitsbedingungen
  • ein erkennbar systematisches Zusammenwirken von bisherigem und neuem Arbeitgeber.


Hat der Arbeitgeber Tatsachen vorgetragen, die als Indiz für einen Missbrauch zu werten sind, liegt es am Arbeitgeber, durch seinen Vortrag die Indizwirkung zu erschüttern. Gelingt ihm dies nicht, geht das Gericht davon aus, dass ein Missbrauch vorliegt. Gelingt dem Arbeitgeber, die Indizien zu erschüttern, „ … bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss, der letzte Vertragsarbeitgeber habe die Befristung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem vormaligen Vertragsarbeitgeber nur deshalb vereinbart, um auf diese Weise über die … vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können …".

Hier geht es zur vollständigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.06.2015, 7 AZR 452/13:  

Das sagen wir dazu:

Schon das Vortragen von Tatsachen, die Missbrauchsindizien zu Tage fördern, ist in der Praxis häufig schwierig genug. Aber wenn der Arbeitgeber diese Tatsachen substantiiert bestreitet, wird der Nachweis von Tatsachen, die einen Missbrauch belegen, nur schwer gelingen. Denn in der Regel ist es beispielsweise nicht einfach für einen Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass eine tatsächliche Verbundenheit von Ver- und Entleiher besteht. Genauso problematisch dürfte es sein, ein erkennbar systematisches Zusammenwirken von bisherigem und neuem Arbeitgeber nachzuweisen. Dessen ungeachtet raten wir dringend, in einem arbeitsgerichtlichen Prozess, in dem es um die Wirksamkeit einer Befristung geht, das Missbrauchsargument keinesfalls zu vernachlässigen. Selbst wenn sich der Missbrauch letztlich nicht vollständig nachweisen lässt, kann sich die Verhandlungsposition im Hinblick auf einen Vergleich im Gütetermin deutlich verbessern, wenn zumindest die Möglichkeit eines Missbrauchs im Raume steht. Und es ist zudem kein Grund ersichtlich, warum ein Arbeitnehmer ohne Not auf eine - wenn auch häufig nicht einfache - Argumentationsmöglichkeit von vorn herein verzichten sollte, die zur Unwirksamkeit der Befristung führt.

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz



Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG)
§ 14 Zulässigkeit der Befristung
(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.