Befristung von Lehrerarbeitsverträgen zu den Sommerferien. Copyright by Sinuswelle/fotolia.
Befristung von Lehrerarbeitsverträgen zu den Sommerferien. Copyright by Sinuswelle/fotolia.

Die Bundesländer, insbesondere Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Hamburg, wenden einen scheinbar schlauen Trick zum Geldsparen an: Sie stellen Lehrer befristet ein. Die Befristung endet jeweils mit dem Schuljahr. So brauchen sie die Lehrer während der großen Ferien nicht zu bezahlen.

2017 waren zu den Sommerferien knapp 5.000 Lehrer arbeitslos gemeldet

Es handelt sich keineswegs um Einzelfälle: Im Jahre 2017 meldeten sich in den Sommerferien 4.900 Lehrkräfte in Deutschland arbeitslos – und das waren wegen des für Lehrer sich zurzeit positiv darstellenden Arbeitsmarkts schon weit weniger als im Jahr davor. Da sich nicht jeder Lehrer, dessen befristetes Arbeitsverhältnis endet, arbeitslos meldet (weil er z.B. vielleicht für die Ferienzeit einen Job findet), ist die Zahl der tatsächlich Betroffenen noch höher.

Dass die kaltschnäuzige dem Lehrerstand gegenüber so zum Ausdruck gebrachte Verachtung sich negativ auf das pädagogische Großklima und damit auf Deutschlands Zukunft auswirken könnte, ist den Damen und Herren Politikern und Kultusbürokraten vielleicht nicht bewusst. Oder sie nehmen es in Kauf.

Vorlage aus Spanien an den EuGH

Auch im durch die Finanzkrise zu drastischem Sparen gezwungenen Spanien wird die Befristung von Lehrerjobs zum Schuljahresende angewendet. Zwei betroffene Lehrer klagten dagegen. Die Sachen gelangten zum Obersten Gerichtshof von Kastilien-La Mancha.

Weil das Befristungsrecht europäischen Richtlinien unterliegt, legte dieser die Sache dem EuGH in Luxemburg vor. Er fragte an, ob das Ende des Unterrichtszeitraums als sachlicher Grund für die Befristung der Arbeitsverhältnisse der als »Interimsbeamte« (so der spanische Begriff) beschäftigten Lehrer und die damit verbundene unterschiedliche Behandlung gegenüber Berufsbeamten betrachtet werden könne und ob es mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar sei, dass Lehrer, die zum Ende des Schuljahres ihre Stelle verlieren, nicht die Möglichkeit haben, ihren Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen und stattdessen eine Urlaubsabgeltung erhalten.

Enttäuschende Antwort des Europäischen Gerichtshofs

Der EuGH führte aus, das Europarecht, hier die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang zur Richtlinie 1999/70 (»Befristungsrichtlinie«), schreibe nicht vor, unter welchen Bedingungen von befristeten Verträgen Gebrauch gemacht werden dürfe. Die bloße Tatsache, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis bei Ablauf der Befristung ende, sei gerade der charakteristische Unterschied zum unbefristeten Arbeitsverhältnis und als solche keine durch die Rahmenvereinbarung verbotene Diskriminierung.

So richtig überzeugend ist das nicht. Der EuGH legt selbst dar, Zweck der Rahmenvereinbarung sei die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung. Nun hat aber der unbefristet beschäftigte Lehrer bezahlte Sommerferien. Der mit dem Schuljahresende aufgrund Befristung ausscheidende Lehrer dagegen ist arbeitslos, wenn er nicht was anderes findet. Wenn das keine Diskriminierung ist, was ist dann überhaupt Diskriminierung?

Auch Europäisches Urlaubsrecht erlaube Befristungen, die die Ferien aussparen

Zum Urlaubsaspekt führte der EuGH aus, das europäische Urlaubsrecht sehe zwar für den Normalfall eine tatsächliche Ruhezeit vor, Urlaubsabgeltung nur, wenn die tatsächliche Urlaubsnahme wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich sei. Aber eben Letzteres sei ja aufgrund der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses der Fall.

Somit kam der EuGH zum Ergebnis, dass das Europarecht einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegenstehe, die es ermöglicht, das befristete Beschäftigungsverhältnis von als Interimsbeamte für ein Schuljahr eingestellten Lehrkräften am letzten Unterrichtstag zu beenden. Das gelte selbst wenn damit diesen Lehrkräften Tage bezahlten Sommer-Jahresurlaubs für dieses Schuljahr vorenthalten werden, sofern diese Lehrkräfte dafür eine finanzielle Vergütung erhalten.

Fazit: Keine Abhilfe vom EuGH – Politik gefordert

Aus Luxemburg kommt keine Abhilfe. Es wird weiterhin Befristungen zum Schuljahresende geben. Der Ball liegt angesichts der Positionierung des EuGH bei der Politik.

Immerhin: In Rheinland-Pfalz, so heißt es, ändert sich demnächst etwas: Das Land will ab 2019 alle Vertretungslehrer über die Sommerferien bezahlen. Und in Hessen ist aufgrund eines Erlasses zur Bezahlung in den Sommerferien die Zahl der Betroffenen von ca. 1.800 im Jahre 2008 auf etwa 630 im Jahre 2017 gesunken.

(Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 27.11.2018 als Online-Beitrag im Bund Verlag)


Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist hier im Volltext nachzulesen:
Lesen Sie zum Thema auch unseren Beitrag: Sommerferien? Nicht für aus der Pension reaktivierte Lehrer: