Das BAG muss in der Frage der Anschlussbefristung zur früheren Rechtsprechung zurückkehren“, fordert Dorothee Müller-Wenner, Gelsenkirchen
Das BAG muss in der Frage der Anschlussbefristung zur früheren Rechtsprechung zurückkehren“, fordert Dorothee Müller-Wenner, Gelsenkirchen

Vorbeschäftigung

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) erlaubt die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zu zwei Jahren, ohne dass der Arbeitgeber für die Befristung einen sachlichen Grund anführen muss. Eine sachgrundlose Befristung ist allerdings nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen hat. Bis zum Jahre 2011 hatte das BAG diese Regelung so verstanden, dass jede vorherige Tätigkeit beim selben Arbeitgeber  - also zeitlich unbeschränkt  - einer späteren befristeten Beschäftigung ohne Sachgrund entgegensteht. Die in der gesetzlichen Regelung verwendeten Begriffe hat das BAG bereits zuvor so ausgelegt, dass   - ganz gleich, wann das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit abgeschlossen worden war - eine spätere befristete Beschäftigung ohne Sachgrund ausgeschlossen sein sollte. Es hat den Wortlaut der gesetzlichen Regelung als so eindeutig angesehen, dass es eine Beschwerde gegen diese Rechtsprechung mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht einmal zugelassen hat.

Rechtsprechungswandel im Jahr 2011

Im Jahr 2011 vollzog das BAG eine radikale Kehrtwende. Nun soll eine frühere Beschäftigung eines Arbeitnehmers einer sachgrundlosen Befristung nur noch dann entgegenstehen, wenn die frühere Tätigkeit mehr als drei Jahre zurückliegt. 

Entgegen seiner früheren Auffassung meint das BAG nunmehr, der Wortlaut der Regelung sei doch nicht eindeutig sondern lasse unterschiedliche Interpretationen zu. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei es lediglich, Missbrauch durch Kettenbefristungen zu verhindern. Dieser Normzweck erfordere nicht ein lebenslanges Anschlussverbot, sondern könne auch bei einem zeitlich beschränkten Verbot erreicht werden. Ohne eine zeitliche Beschränkung – so die Auffassung des BAG - -sei die Regelung aber verfassungswidrig, da sie Arbeitnehmer in ihrer Berufsfreiheit unverhältnismäßig begrenze. Den unverhältnismäßigen Eingriff sieht das BAG darin, dass eine zeitliche unbeschränkte Berücksichtigung früherer Beschäftigungszeiten zu einem nicht zu rechtfertigenden Einstellungshemmnis für Arbeitnehmer führe. Die gesetzliche Regelung sei daher verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass nur Beschäftigungen, die mindestens drei Jahre zurücklagen, einer späteren sachgrundlosen Befristung entgegenstehen.

Vorbeschäftigungszeiten als Auszubildende und studentische Hilfskraft.

Der Entscheidung des BAG, die zum Rechtsprechungswandel geführt hat, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war beim Freistaat Sachsen befristet für zwei Jahre als Lehrerin ohne Sachgrund beschäftigt worden. Knapp sieben Jahre zuvor hatte der Freistaat Sachsen sie während ihres Studiums als studentische Hilfskraft an der Universität angestellt.

Die Klägerin war der Auffassung, die Befristung sei nicht wirksam, da sie beim selben Arbeitgeber bereits zuvor beschäftigt worden ist. Damit hatte die Klägerin im Ergebnis keinen Erfolg. Das BAG hat entschieden, dass es auf die Umstände des Studentenjobs nicht ankommt; denn die Vorbeschäftigung lag mehr als drei Jahre zurück und war daher unbeachtlich. Über das Ergebnis der Entscheidung lässt sich streiten; keinesfalls aber war es gerechtfertigt, die Beachtlichkeit der Vorbeschäftigung aufzugeben.

Der Fall weist nämlich Besonderheiten auf, die es nicht erforderlich gemacht hätten, nur noch Vorbeschäftigungszeiten zu berücksichtigen, die drei Jahre zurückliegen. Erst die Annahme des BAG, im vorliegenden Fall sei die befristete Beschäftigung ohne eine zeitliche Beschränkung der Vorbeschäftigung unwirksam, hat die Notwendigkeit des zeitlich auf drei Jahre beschränkten Verbotes überhaupt geschaffen. Das Problem, dass Studierende im Rahmen ihrer akademischen Ausbildung mit demselben Arbeitgeber als Träger der Universität beschäftigt werden, hätte sich durchaus anders lösen lassen. Die Norm hätte verfassungskonform in der Weise ausgelegt werden können, dass Beschäftigungen, die typischerweise im Rahmen einer Ausbildung ausgeübt werden, ausgenommen werden. Richtigerweise hat das BAG in seiner zweiten Entscheidung aus dem Jahre 2011 klar gestellt, dass Berufsausbildungsverhältnisse keine Arbeitsverhältnisse sind, die einem späteren sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis entgegenstehen. Stellen im Rahmen der akademischen Ausbildung hätte das BAG daher als „Ausbildungsähnliche Stellen“ ansehen können und ebenfalls von den zu berücksichtigenden Vorbeschäftigungen ausnehmen können.

Ablehnung der BAG-Rechtsprechung im Schrifttum und durch die Instanzgerichte.

Die Erfindung der Drei-Jahres-Grenze ist zu Recht auf massive Kritik gestoßen.

Nicht nur der Wortlaut der Regelung ist eindeutig und klar; auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes geht der Wille des Gesetzgebers hervor, keine Zeitgrenze einführen zu wollen. Gesetzgebungsvorhaben, die eine zeitliche Einschränkung der zu berücksichtigenden Vorbeschäftigung bezwecken wollten, sind sämtlich gescheitert, weil sie politisch nicht durchsetzbar waren. Wenn nun das BAG eigenmächtig eine Drei-Jahres-Grenze einführt, betätigt es sich als Ersatzgesetzgeber, verletzt damit die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung und verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip.

Dieser Auffassung ist auch das LAG Baden-Württemberg. Es hat deshalb eine sachgrundlose Befristung aus dem Jahre 2011 als unwirksam angesehen, weil der Arbeitnehmer bereits im Jahre 2007 bei derselben Arbeitgeberin beschäftigt war. Da die Entscheidung von der Rechtsprechung des BAG abweicht, hat das LAG die Revision zugelassen.

BAG hat Gelegenheit zur Änderung seiner Rechtsprechung.

Als Folge der Revisionszulassung muss sich das BAG mit seinen Kritikern erneut auseinandersetzen. Dies tut not auch vor dem Hintergrund der kürzlich getroffenen Entscheidung zum vorübergehenden Leiharbeitnehmereinsatz. Das BAG hat im Dezember vergangenen Jahres entschieden, dass die Frage, welche Sanktion der Verstoß gegen Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers im entleihenden Unternehmen nach sich ziehen soll, dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen zu überlassen ist. Diese Zurückhaltung und dieser Respekt gegenüber der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers wären auch im Falle der Auslegung der Zuvor-Beschäftigung im Befristungsrecht notwendig gewesen.

Solange das BAG über die anhängigen Revisionen nicht entschieden hat, sollten Arbeitnehmer jedenfalls auf ihr Recht, befristete Arbeitsverhältnisse gerichtlich überprüfen zu lassen, nicht verzichten. Klagen müssen fristgerecht innerhalb von drei Wochen nach Ende der Befristung eingereicht werden. Sie können ggf. im Hinblick auf die noch beim BAG anhängigen Verfahren ausgesetzt werden.

Dorothee Müller-Wenner - Gelsenkirchen

Rechtliche Grundlagen

Rechtssprechung und Hinweise

BAG 6.11.2003 – 2 AZR 690/02; BAG 29.7.2009 – 7 AZN 368/09; BAG 6.4.2011 – 7 AZR 716/09; BAG 21.9.2011 – 7 AZR 375/10; LAG Baden-Württemberg 26.9.2013 – 6 Sa 28/13; LAG Rh-Pfalz 9.8.2012 – 2 Sa 239/12; Arbeitsgericht Gelsenkirchen 26.2.2013 - 5 Ca 2133/12 (im Berufungsverfahren beim LAG Hamm haben sich die Parteien verglichen); Kritik beispielsweise von Lakies in AuR 2011,190; Däubler in AiB 2012,14; BAG 10.12.2013 – 9 AZR 51/13