Wenn ein Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag anfechten will, trägt er hierfür die volle Beweislast.
Wenn ein Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag anfechten will, trägt er hierfür die volle Beweislast.

Die Arbeitnehmerin arbeitete seit 2012 im häuslichen Pflegedienst. Ihr wird vorgeworfen, falsche Angaben der geleisteten Pflegezeiten in das mobile Datenerfassungsgerät eingegeben zu haben. Sie soll sogar Auszubildende veranlasst haben, statt ihrer das Gerät zu bedienen.

Aufhebungsvertrag oder fristlose Kündigung

Weiterhin soll sie eigenmächtig die Touren geändert haben, um günstigere Arbeitspausen einlegen zu können. Die Auszubildenden haben nach Anhörung durch den Arbeitgeber das Fehlverhalten der Arbeitnehmerin bestätigt.
 
Die Arbeitnehmerin wurde am 7.2.2014 zu einem Gespräch gebeten. Anwesend waren der Geschäftsführer, der stellvertretende Vorsitzende, die Pflegedienstleiterin und die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung. Die Arbeitnehmerin wurde mit den oben genannten Vorwürfen konfrontiert.
 
Sie wurde vor die Wahl gestellt, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen oder eine fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges zu erhalten. Zudem behielt sich der Arbeitgeber eine Strafanzeige vor. Die Arbeitnehmerin unterschrieb den Aufhebungsvertrag. Sie ficht ihn jetzt mit der Begründung an, der Aufhebungsvertrag sei wegen widerrechtlicher Drohung nichtig.

Widerrechtliche Drohung. Was ist das? Wie muss bestritten werden?

Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung gebracht wird, kann die Erklärung anfechten. Dies ergibt sich aus § 123 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
 
Das angefochtene Rechtsgeschäft ist dann nichtig (§ 142 Absatz 1 BGB). Wäre dies hier so, wäre bei einer widerrechtlichen Drohung der Aufhebungsvertrag vom Tisch. Voraussetzung ist ein Anfechtungsgrund.
 
Es steht außer Zweifel, dass die Androhung des Ausspruches einer Kündigung zumal, wenn es sich um eine fristlose Kündigung handelt, gepaart mit der Androhung einer Strafanzeige das Ziel hat, die Arbeitnehmerin zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages zu bringen. Dieses Ziel muss aber auch widerrechtlich sein. Die Grenze zur widerrechtlichen Drohung ist fließend. Es muss immer der Einzelfall betrachtet werden.

Darlegungs- und Beweislast trägt der Anfechtende

Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Anfechtende. Dem genügt der Betroffene, wenn davon auszugehen ist, dass ein verständiger Arbeitgeber in einer solchen Situation eine Kündigung und eine Strafanzeige nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Mittel und Zweck müssen also in einem krassen Missverhältnis stehen.
 
Die Auszubildenden haben den Verdacht des Arbeitgebers bestätigt. Auch konnte die Änderung der Touren festgestellt werden. Damit lag zumindest der dringende Verdacht des Arbeitszeitbetruges vor. Die Arbeitnehmerin hat den Vortrag lediglich bestritten, ohne dem konkret entgegen zu treten.
 
Sie hätte genau vortragen müssen, weshalb die Aussagen der Auszubildenden bzw. Feststellungen des Arbeitgebers nicht der Wahrheit entsprachen. 

Praxistipp: Verdachtskündigungen

 Will der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen, muss der Arbeitnehmer zuvor angehört werden. Hier gilt es Folgendes zu beachten:
 

  • Einladungen zu Gesprächen hinterfragen.
  • Was soll Inhalt des Gespräches sein?
  • Nicht allein zum Gespräch gehen.

 
Verdachtskündigungen haben den unschönen Charme, dass es auch den Falschen treffen kann. Es handelt sich schließlich um einen Indizienprozess. (Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 22/2016 vom 16.08.2016.)

Urteil des Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 21.01.2016 - Az.: 4 Sa 180/15 hier im Volltext

 

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Rechtliche Grundlagen

§ 123 BGB

Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.