Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis (Foto: http://www.ovg.saarland.de )
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis (Foto: http://www.ovg.saarland.de )

Streitgegenständlich im Verfahren war die Übertragung eines bei einer Bundespolizeiinspektion eingerichteten Dienstpostens, wobei der Kläger als Polizeihauptmeister der Besoldungsgruppe A9 im Stellenbesetzungsverfahren zunächst einem Konkurrenten unterlag. Die Bevorzugung des Konkurrenten erfolgte alleine auf der Grundlage eines Sozialkriterienkataloges, welcher Inhalt einer Dienstvereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Inneren und dem Hauptpersonalrat der Bundespolizei zur personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei ist. Sowohl aus Sicht des Dienstherrn, als auch aus Sicht des instanzlichen Gerichts ist dieser Sozialkriterienkatalog als abschließend zu betrachten.

Der Sozialkriterienkatalog vergibt Punkte etwa für die Zahl der Unterhaltspflichten, für eine schwere Erkrankung von Familienangehörigen, die im Haushalt des Beamten leben sowie beispielsweise  auch für ehrenamtliche Tätigkeiten.

Der klagende Polizeibeamte war dem gegenüber als Betreuer für einen nicht in seinem Haushalt lebenden Bruder tätig, der an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung leidet und als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt ist. Sozialpunkte wurden hierfür nicht vergeben, denn der Bruder lebt außerhalb des eigenen Haushaltes des Beamten.

Verpflichtung des Dienstherrn zur Neuentscheidung

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes hat in seinem Urteil den Dienstherrn des Beamten dazu verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Das Gericht hält es dabei auch für den Bereich der Beamten für zulässig, einen Sozialkriterienkatalog zur Anwendung zu bringen und die Auswahl unter Bewerbern ausschließlich auch hiernach vorzunehmen. Es handelte sich vorliegend auch nicht um eine Beförderungsentscheidung, so dass die Auswahl unter den Bewerbern nicht nach dem Prinzip der Bestenauslese vorzunehmen war.

Die zu Ungunsten des Beamten getroffene Auswahlentscheidung wurde durch das Gericht als rechtswidrig bezeichnet, und zwar deshalb, weil entscheidungserhebliche Sachverhalte in die Sozialkriterienermittlung nicht eingeflossen waren. In der Nichtberücksichtigung zusätzlicher Gesichtspunkte wird eine Fürsorgepflichtverletzung gesehen.

Auswahlentscheidungen müssen der Fürsorgepflicht genügen

Ausdrücklich verweist das OVG darauf, dass sämtliche Auswahlentscheidungen immer auch fürsorgerechtlichen Grundsätzen genügen müssen. Dabei soll der Dienstherr aufgrund der Fürsorgepflicht gehalten sein, die ihm untergebenen Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen die Erfüllung ihres Dienstes nach Möglichkeit zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren. Demgemäß muss der Dienstherr zur Vorbereitung einer Versetzungsentscheidung neben gesundheitlichen Belastungen oder Schutzbedürfnissen im Rahmen von Artikel 6 Grundgesetz auch andere Nachteile für die private Lebensführung ermitteln und bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigen – so das OVG -.

Kommt es nun im Zusammenhang damit zu einer Dienstvereinbarung mit Sozialkriterien und einem Punktesystem, so muss dessen Auslegung und Anwendung gewährleisten, dass kein aufgrund der Fürsorgepflicht zu beachtender Umstand der privaten Lebensführung unberücksichtigt bleibt. Auch eine Dienstvereinbarung kann diese Fürsorgepflicht nicht auf ganz bestimmte Umstände beschränken. Sie kann damit auch für sich alleine nicht ermessensrelevant sein.

Im vorliegenden Fall war die Dienstvereinbarung zur personellen Umsetzung der Neuorganisation der Bundespolizei auch unter dem Aspekt der Fürsorgepflichtverletzung nicht für rechtswidrig gehalten worden, denn sie enthält eine Öffnungsklausel, wonach besondere Fälle, die durch den Sozialkriterienkatalog nicht angemessen geregelt werden können, im Einzelfall mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung entschieden werden.

Auch atypische Belastungen sind zu berücksichtigen

Fakt ist, dass der Sozialkriterienkatalog in diesem Verfahren gerade eben nicht abschließend gewesen ist. Das OVG des Saarlandes sagt hierzu, dass dieser Sozialkriterienkatalog nur typische Fälle umfassen könne. Die Öffnungsklausel diene zum Ausgleich des Umstandes, dass der Sozialkriterienkatalog selbst nicht alle Fälle aufgreife. Die Betreuung des Bruders des Klägers sei sicher kein typischer Fall. Dies entbinde den Dienstherrn jedoch nicht, die hierdurch entstehende Belastung mit einem oder mehreren Sozialpunkten zu belegen.

Das OVG des Saarlandes bestätigt hiermit die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Fürsorgegesichtspunkte regelmäßig zu beachten sind.

Vertreten durch die DGB Rechtsschutz GmbH konnte der Polizeibeamte daher erreichen, dass sein Dienstherr die Auswahlentscheidung zur Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens nun wiederholen muss, wobei die Betreuung des schwerkranken Bruders als Belastung bei der Vergabe von Sozialpunkten angemessen berücksichtigt werden muss. Bleibt zu hoffen, dass der Beamte hierdurch den gewünschten Dienstposten erhält, mit welchem die Betreuung des Bruders auch sichergestellt werden kann, denn eigentlich verrichtet er diese Arbeit tatsächlich schon seit langem und es geht ihm darum, dass er neben der praktischen Verrichtung der Tätigkeit nun auch den hierzu gehörenden formalen Dienstposten übertragen bekommt, damit er keine Gefahr läuft, woandershin versetzt zu werden und damit dem Bruder nicht mehr helfen zu können.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes vom 12.2.2014 können sie hier nachlesen

Den Beschluss des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) finden Sie hier