Kann Streit am Arbeitsplatz Versetzung begründen? Copyright by Andrey/Adobe Stock
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Die Klägerin ist seit 1990 bei dem Beklagten als Köchin in einem Diakonie-Pflegeheim beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche (AVR-DD) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Klägerin benötigte für ihren Weg zu der Arbeitsstätte mit dem Auto etwa 20 Minuten.

Ende Mai 2017 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Küchenleiterin, und der Klägerin wegen der Menge der angerührten Senfsoße und wegen der Verwertung von Restkartoffeln. Die Klägerin ist seit dem Tag der Auseinandersetzung ununterbrochen arbeitsunfähig. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Küchenleiterin bezeichnen beide Parteien als zerrüttet.

Anfang Oktober 2017 versetzte der Beklagte die Klägerin in eine andere von ihm betriebene Küche in einer nahegelegenen Stadt. Für die Fahrt dorthin benötigt die Klägerin etwa 50 Minuten. Die Klägerin erhob gegen diese Maßnahme Klage.

Erfolglos in der ersten Instanz

Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin festzustellen, dass sie nicht dazu verpflichtet ist, ihre Arbeitsleistung an dem neuen Standort zu leisten. Das Arbeitsgericht Stralsund wies die Klage ab.

Klägerin legt Berufung ein

Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein, der jedoch kein Erfolg beschieden war. Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und begründete die wie folgt:

Nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Dies sei insbesondere dann möglich, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Da in dem Arbeitsvertrag der Klägerin kein bestimmter vereinbart sei habe der Arbeitgeber die Versetzungsmaßnahme durchführen können.
 

Arbeitgeber verletzt Anhörungspflicht – LAG: unbeachtlich

Den Einwand der Klägerin, dass die Versetzung eine Verletzung der in den AVR-DD geregelten Anhörungspflicht des Dienstherrn darstelle, wonach Mitarbeitervor einer Versetzung zu hören sind, sei, so das LAG, unbeachtlich. Denn der Zweck dieser Anhörungspflicht erfordere es nicht, im Falle einer Verletzung die Versetzung als unwirksam zu behandeln. Letztlich trage der Arbeitgeber das Risiko, wenn er die mangels Anhörung ihm nicht bekannten Interessen des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat und die Versetzung deshalb nicht billigem Ermessen entspreche.

Der Beklagte, so das zweitinstanzliche Gericht, habe aufgrund der seit längerem anhaltenden Konfliktlage in der ursprünglichen Küche der Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Versetzung gehabt. Insbesondere sei der Beklagte nicht dazu verpflichtet, die Streitursache oder einen Verantwortlichen für den Streit zu ermitteln.. Nach alledem sei es der Klägerin zumutbar, ihre Arbeitsleistung in der nahegelegenen Stadt zu erbringen. Die Interessen der Klägerin wiederum würden es nicht erfordern, sie weiter in ihrer alten Küche zu beschäftigen.

Hier geht es zum Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 30.7.2019 - 5 Sa 233/18

Das sagen wir dazu:

Die Sache hätte man sicherlich auch im Sinne der Klägerin entscheiden können. Nachdem diese jedoch gegenüber dem Beklagten erklärte, dass sie, ebenso wie die Küchenleiterin, das Verhältnis als zerrüttet ansehe, ist die Versetzung auch unter diesem Gesichtspunkt kaum zu beanstanden. Denn ein weiterer Einsatz an dem alten Arbeitsplatz macht dann keinen Sinn, wenn der/die Betroffene selbst von einem zerrütteten Verhältnis ausgeht.

Rechtliche Grundlagen

§ 106 GewO, § 315 BGB

Gewerbeordnung
§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.