Erfolgreiche Tarifauslegung durch Marco Veeck, Büro Mainz
Erfolgreiche Tarifauslegung durch Marco Veeck, Büro Mainz

Beim Stichwort „Eingruppierung“ lohnt es sich für Arbeitnehmer*innen, ganz genau hinzuschauen. Dies macht ein Urteil des Arbeitsgericht Koblenz deutlich.
 
Die Beklagte Arbeitgeberin ist eine Gesellschaft, die zu einem großen Bildungsträger-Konzern gehört. Der Kläger ist als Unterrichtsleiter der beruflichen Förderung/Fortbildung beschäftigt.
 
Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist die tarifliche Eingruppierung streitig.
Der Kläger macht eine höhere Eingruppierung geltend und verlangt die Nachzahlung des damit verbunden höheren Gehalts. Vertreten wurde der Kläger dabei von Marco Veeck, Jurist des Mainzer Büros der DGB Rechtsschutz GmbH.
 

„Ausbilder“ oder „Lehrer“ laut Tarifvertrag.

Eine tarifliche Regelung besteht für das Arbeitsverhältnis des Klägers erst seit Januar 2018.
Zuvor wurde der Kläger in dem seit über 20 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis in Arbeitsverträgen von der Beklagten als „Lehrer“ und „Lehrkraft“ bezeichnet. Eine pädagogische oder fachspezifische Ausbildung zum Lehrer hat der Kläger zwar nicht absolviert. Allerdings verfügt er über eine Zusatzausbildung als geprüfter Betriebswirt nach der Handwerksordnung.
Vergütet wurde der Kläger bisher gemäß der Entgeltgruppe für „Ausbilder, der Fachtheorie vermittelt“.
Die Entgeltgruppe als „Ausbilder“ verlangt eine erfolgreich absolvierte Ausbildung als Handwerker. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger.
Laut Tarifvertrag hätte der Kläger für die Eingruppierung in diese Entgeltgruppe aber auch in Werkstätten „praktischen“ Unterricht erteilen müssen. Seit 2009 unterrichtet der Kläger aber nur noch in Unterrichtsräumen der Beklagten.
 

Neuer Tarifvertrag ändert alles

Im Februar 2019 trat ein Änderungstarifvertrag in Kraft.
Dieser fordert nun für die Eingruppierung als „Lehrer“ im sogenannten „Stütz- und Förderunterricht“ unter anderem eine erfolgreich absolvierte Prüfung als Betriebswirt nach der Handwerksordnung.
 
Die Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, der Kläger sei als „Ausbilder“ ordnungsgemäß eingruppiert. Die Bezeichnung als „Lehrer“ im Arbeitsvertrag sei nicht im tarifvertraglichen Sinne zu verstehen. Jedenfalls sei der Kläger nicht nur im fachtheoretischen Unterricht, sondern vielmehr auch im fachpraktischen Unterricht eingesetzt worden. Dies rechtfertige nach Ansicht der Beklagen die bisherige Eingruppierung des Klägers.
 

Entscheidung des Gerichts

Das Arbeitsgericht Koblenz entschied zugunsten des Klägers.
Nach Auffassung des Gerichts erfüllt der Kläger die Anforderungen der Entgeltgruppe des Fachtheorielehrers.
Die vom Änderungstarifvertrag geforderte Qualifikation erfüllt der Kläger mit seiner erfolgreichen Zusatzausbildung zum Betriebswirt nach der Handwerksordnung.
Neben dieser anerkennenswerten Zusatzqualifikation war für das Gericht zudem entscheidend, dass der Kläger jedenfalls Unterricht in den Unterrichtsräumen der Beklagten erteilt und daher somit „Lehrer“ im Sinne des Änderungstarifvertrages ist.
 

Noch keine Rechtskraft

Das Urteil des Arbeitsgericht Koblenz ist leider noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte ist in Berufung gegangen.
Doch eines macht das Urteil der ersten Instanz bereits jetzt deutlich:
In Hinblick auf die eigene Eingruppierung lohnt es sich, ganz genau hinzuschauen!
 
Entgeltgruppen werden von den Sozialpartnern, also Gewerkschaften und Arbeitgebern bzw. deren Arbeitgeberverbänden, mitunter äußerst detailliert definiert.
Wichtige Komponenten sind hierbei Qualifikationsmerkmale, die Arbeitnehmer für die von Ihnen angestrebte Entgeltgruppe erfüllen müssen.
Nicht nur die schulische bzw. akademische Ausbildung wird berücksichtigt, sondern - wie im vorliegenden Fall - auch später erworbene Zusatzqualifikation.
Im Verlauf des Berufslebens „draufzusatteln“ kann sich also richtig lohnen!
 
Hier geht es zum Urteil