Kann Erkrankung aufgrund Konflikts am Arbeitsplatz außerordentliche Arbeitnehmerkündigung rechtfertigen? Copyright by Andrey Popov/Adobe Stock
Kann Erkrankung aufgrund Konflikts am Arbeitsplatz außerordentliche Arbeitnehmerkündigung rechtfertigen? Copyright by Andrey Popov/Adobe Stock

Die seit 1999 in einem Seniorenzentrum beschäftigte hauswirtschaftliche Helferin erkrankte im Februar 2015 an einer Neurasthenie (psychosomatische Erkrankung).

Aus einer ärztlichen Stellungnahme ergab sich, dass die Erkrankung durch eine Auseinandersetzung zwischen der Arbeitnehmerin und ihrer Arbeitgeberin ausgelöst wurde, nachdem diese die Arbeitnehmerin zweimal abgemahnt hatte.

Die Arbeitnehmerin hielt die Abmahnungen für unberechtigt. Sie versuchte dies mit ihrer Arbeitgeberin zu klären, was jedoch erfolglos blieb. Nach dem Scheitern des Klärungsversuchs erkrankte die Arbeitnehmerin. Da nach Aussage ihrer Ärztin eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes gedroht habe, kündigte die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Die Arbeitgeberin hielt die Kündigung für unberechtigt und klagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe. Der Arbeitsvertrag sah eine solche im Falle einer vertragswidrigen Kündigung vor.
 

Arbeitgeberin in zwei Instanzen erfolglos

Das Arbeitsgericht Mannheim und auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg wiesen die Klage ab. Ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe bestehe nicht. Die außerordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin wegen der Erkrankung sei zulässig und somit nicht vertragswidrig gewesen. Gegen die Entscheidung des LAG legte die Arbeitgeberin Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.
 

BAG bestätigt Vorinstanzen

Das BAG wies die Revision der Arbeitgeberin zurück. Zutreffend habe das LAG festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin zulässig und somit nicht vertragswidrig gewesen sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe, wie von Arbeitgeberin begehrt, bestehe daher nicht.
 

Wirksame Kündigung außerordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin

Die Arbeitnehmerin habe nachweisen können, so die Richter*innen des 8. Senats, dass eine Weiterbeschäftigung zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen könne. Mithin bestehe ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Dies ergebe sich daraus, dass das Interesse der Arbeitnehmerin an ihrer Genesung höher zu bewerten sei als das Interesse der Arbeitgeberin an deren Weiterbeschäftigung.
 

Berechtigung der Abmahnungen unerheblich

Das BAG wies noch darauf hin, dass die Frage der Berechtigung der zwei Abmahnungen bei der Entscheidungsfindung keine Rolle gespielt habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Arbeitnehmerin eine personenbedingte und nicht eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung ausgesprochen habe.
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 22. März 2018, Az: 8 AZR 190/7
Für Interessierte:
Vertragsstrafe zahlen? Ich bin doch Arbeitnehmer!

Rechtliche Grundlagen

§ 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.