Ärztin macht in Kroatien Facharztausbildung, muss kroatischen Arbeitgeberin die Ausbildungskosten ersetzen, weil sie vertragswidrig vorzeitig Arbeitsplatz verlassen hat? © Adobe Stock - Von gesrey
Ärztin macht in Kroatien Facharztausbildung, muss kroatischen Arbeitgeberin die Ausbildungskosten ersetzen, weil sie vertragswidrig vorzeitig Arbeitsplatz verlassen hat? © Adobe Stock - Von gesrey

Eine Ärztin hatte in der Republik Kroatien eine im Wesentlichen von ihrer dortigen Arbeitgeberin finanzierte Facharztausbildung erhalten. Auf das Arbeitsverhältnis waren allgemeine Geschäftsbedingungen anwendbar. Diese regelten unter anderem, dass Beschäftigte, die auf Kosten des Arbeitgebers eine Ausbildung erhalten haben, Gehälter und Schulungsbeiträge anteilig zurückzahlen müssen, wenn sie das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von zehn Jahren kündigen.

Die Ärztin hatte genau das gemacht und nach ihrer Ausbildung in Kroatien in Deutschland eine Stelle als Fachärztin angenommen. Ihre ehemalige Arbeitgeberin hatte sie daraufhin vor einem kroatischen Arbeitsgericht verklagt. Das Gericht hatte die Ärztin verurteilt, rund 60.000,00 € an ihre ehemalige Arbeitgeberin zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Ärztin will das Urteil des kroatischen Arbeitsgerichts nicht anerkennen

Die Ärztin meint indessen, dass das kroatische Arbeitsgericht international gar nicht zuständig gewesen sei. Ihr kroatischer Arbeitgeber hätte sie vor einem deutschen Arbeitsgericht verklagen müssen. Zudem verstoße das Urteil gegen den „ordre public“. Sie ist deshalb vor dem Landgericht Frankfurt (Main) gegen das Urteil vorgegangen.

Unter dem „ordre public“ (französisch für „öffentliche Ordnung“) wird im internationalen Rechtsverkehr der Grundsatz verstanden, dass ausländisches Recht im eigenen Land nicht anerkannt wird, wenn es wesentlichen Grundsätzen des inländischen Rechts widerspricht. Für das Zivilrecht und damit auf dem Arbeitsrecht ist dieser Grundsatz in Deutschland in Artikel 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) geregelt.

Im vereinheitlichten europäischen Kollisionsrecht findet sich zudem eine entsprechende Regel in Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (ROM I). Für Gerichtsentscheidungen gilt zudem insoweit § 328 Abs. 1 Nr. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) und Art. 45 der Verordnung der Europäischen Union über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 

Das kroatische Gericht war zwar nicht zuständig. Das hat die Ärztin aber zu spät gerügt!

Das Landgericht hat den Antrag der Ärztin indessen abgewiesen. Gegen diesen Beschluss hatte die Ärztin sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Das hat die Beschwerde jetzt zurückgewiesen.

Nach Auffassung des OLG könne die Antragstellerin jetzt nicht mehr geltend machen, dass die kroatischen Gerichte für das Rückzahlungsverfahren international nicht zuständig gewesen seien. Das hätte sie im dortigen Verfahren rügen müssen, habe es tatsächlich aber nicht getan. Im hiesigen Versagungsverfahren sei die Geltendmachung neuer Tatsachen ausgeschlossen, die bereits im Ausgangsverfahren hätten dargelegt werden können. Es solle gerade die Verschleppung des Versagungsverfahrens durch derartige neue Tatsachenbehauptungen verhindert werden.

Auch in Deutschland sind Rückzahlungsverpflichtungen grundsätzlich zulässig

Die Anerkennung des kroatischen Urteils widerspreche auch nicht der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland („ordre public“). Auch nach deutschen Recht sei es vielmehr grundsätzlich zulässig, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rückzahlung von Fortbildungskosten zu vereinbaren und die Höhe der Rückzahlung von der Einhaltung einer bestimmten Bindungsdauer abhängig zu machen. Es sei ein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers, die von ihm finanzierte Ausbildung eines Arbeitnehmers möglichst lange im eigenen Betrieb zu nutzen.

Die Ärztin kann diesen Beschluss mit der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) anfechten.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main):

Rechtliche Grundlagen

Art. 6, 21, 22 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)

Rechtsgrundlagen:
Art. 6 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)
Öffentliche Ordnung (ordre public)

Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I):
Art. 21
Öffentliche Ordnung im Staat des angerufenen Gerichts
Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung ("ordre public") des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.

Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und Rates vom 12.12.2012 (Amtsblatt L 351 vom 20.12.2012, S. 1)
- EuGVVO -
Art. 22
(1) Die Klage des Arbeitgebers kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.
(2) Die Vorschriften dieses Abschnitts lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäß den Bestimmungen dieses Abschnitts anhängig ist.