TV über den Urlaub und die Zusatzversorgung für das Maler- und Lackiererhandwerk gilt für alle
TV über den Urlaub und die Zusatzversorgung für das Maler- und Lackiererhandwerk gilt für alle


Der Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung für das Maler- und Lackiererhandwerk vom 23.11.2005 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 4.12.2008 und 30.6.2011 verpflichtet Unternehmen des Maler- und Lackiererhandwerks zur Zahlung von Beiträgen an eine Sozialkasse. 

Kein Rechtsschutzbedürfnis

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erklärte den Tarifvertrag am 4.6.2012 für allgemeinverbindlich. Seit dem 8.9.2017 gilt der Tarifvertrag gem. § 3 des Zweiten Sozialkassenverfahrensicherungsgesetzes (SoKaSIG2) kraft Gesetzes. 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg wies einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags zurück. Die Rechtsbeschwerde an das BAG ließ es nicht zu.

Für eine gerichtliche Feststellung, so die Richter*innen der 15. Kammer des Berliner Beschwerdegerichts, über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil die Regelungen unabhängig von der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung jedenfalls kraft Gesetzes auf alle erfassten Arbeitgeber Anwendung finden.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17.01.2018

Das sagen wir dazu:

In mehreren Entscheidungen stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) fest, dass Tarifverträge, die im Bauhauptgewerbe Anwendung finden, zu Unrecht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind*. Dies hätte zur Folge gehabt, dass alle nicht tarifgebundenen Arbeitgeber keine Leistungen mehr an die Sozialkassen des Baugewerbes hätten erbringen müssen. 

Da der Gesetzgeber die Allgemeinverbindlichkeit von weiteren BAG-Entscheidungen bedroht sah, wurden per Sozialkassenverfahrensgesetz (SoKaSiG) vom 16.05.2017 rückwirkend Tarifverträge und deren Folgeverträge für quasi für allgemeinverbindlich erklärt. Denn kraft Gesetzes wurde bestimmt, dass die Rechtsnormen für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten. 

Eben hierauf bezieht sich auch die jüngste Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, das nicht mehr darüber zu befinden hatte, ob eine frühere Allgemeinverbindlichkeitserklärung wirksam oder unwirksam ist. Durch das Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren vom 01.09.2017 (SoKaSIG2) wurden auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber des Maler- und Lackiererhandwerks verpflichtet weiterhin Leistungen an die Sozialkassen des Baugewerbes zu erbringen.

*Für Interessierte:

Hier geht es zu der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 3/17 zum Beschluss des  BAG vom 25.01.2017 – 10 ABR 34/15. Dieser Entscheidung gingen vergleichbare Beschlüsse des BAG voraus, mit denen die Allgemeinverbindlichkeit anderer Tarifverträge der Sozialkassen im Baugewerbe für unwirksam erklärt wurden.

Pressemitteilung Nr. 3/17 

Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen - Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (AVE VTV 2013) 

  

Die Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 29. Mai 2013 und 25. Oktober 2013 sind mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5 TVG aF* unwirksam. Die nach damaligem Rechtsstand erforderliche 50%-Quote war nicht erreicht. Überdies war die seinerzeit zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales nicht mit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 25. Oktober 2013 befasst. 

Auf Antrag der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 29. Mai 2013 den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 18. Dezember 2009 idF des Änderungstarifvertrags vom 17. Dezember 2012 gemäß § 5 TVG in der damals geltenden Fassung mit bereits im Antrag enthaltenen Einschränkungen bezüglich des betrieblichen Geltungsbereichs („Große Einschränkungsklausel“) für allgemeinverbindlich erklärt (AVE VTV 2013 I). Am 25. Oktober 2013 erfolgte die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV vom 3. Mai 2013 (AVE VTV 2013 II). 

Der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag regelt das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt - IG BAU -, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. - HDB - und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. - ZDB -). Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes zusätzliche Altersversorgungsleistungen, die jeweils in gesonderten Tarifverträgen näher geregelt sind. Zur Finanzierung dieser Leistungen werden nach Maßgabe des VTV Beiträge von den Arbeitgebern erhoben. Durch die AVE gelten die Tarifverträge nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind hiernach zur Beitragszahlung verpflichtet. Sowohl die Arbeitgeber als auch ihre Beschäftigten erhalten Leistungen von den Sozialkassen.

Bei den Antragstellern handelt es sich überwiegend um Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und deshalb nur auf Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärungen zu Beitragszahlungen herangezogen wurden. Sie haben die Auffassung vertreten, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärungen hätten nicht vorgelegen. Insbesondere hätten die tarifgebundenen Arbeitgeber der Baubranche nicht 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigt (50%-Quote). Auch habe kein öffentliches Interesse für die Allgemeinverbindlicherklärungen vorgelegen. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen und festgestellt, dass die angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen wirksam sind.

Die vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden hatten vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 29. Mai 2013 und 25. Oktober 2013 des VTV sind unwirksam. Der Senat hat unter Bezugnahme auf die ausführlich begründete Leitentscheidung vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (dazu Pressemitteilung 50/16) betont, dass es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des BMAS gibt, wonach zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverbindlicherklärungen in der Baubranche mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren. Die AVE VTV 2013 II ist überdies unwirksam, weil die damals zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, nicht mit dem Normsetzungsakt befasst war. Darin liegt ein Verstoß gegen das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip. 

Die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE VTV 2013 I und II wirkt gemäß § 98 Abs. 4 ArbGG für und gegen jedermann. Sie hat zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Andere Arbeitgeber der Baubranche sind nicht aufgrund der AVE verpflichtet, für das Jahr 2013 Beiträge zu leisten (zu den weiteren Rechtsfolgen Pressemitteilungen 50/16 und 51/16). 

Bundesarbeitsgericht

Beschluss vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 34/15 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Beschluss vom 8. Juli 2015 - 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14 -

*§ 5 TVG in der bis 15. August 2014 geltenden Fassung lautete auszugsweise:

„Allgemeinverbindlichkeit

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn 

  1. die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und 
  2. die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.

Von den Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 kann abgesehen werden, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung zur Behebung eines sozialen Notstands erforderlich erscheint.

… 

(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. …“ 

Rechtliche Grundlagen

Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz – SoKaSiG und SoKaSiG2

1. Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16.05.2017 (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz - SoKaSiG ):

https://www.gesetze-im-internet.de/sokasig/BJNR121000017.html


2. Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren vom 01.09.2017 (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz - SoKaSiG 2:

https://www.jurion.de/gesetze/sokasig2/