„Fallschirmlösung gerät ins Trudeln" (Bildquellenangabe: F.H.M.  / pixelio.de)
„Fallschirmlösung gerät ins Trudeln" (Bildquellenangabe: F.H.M. / pixelio.de)

Dies gilt jedenfalls dann, wenn zugleich der Charakter der Arbeitnehmerüberlassung gegenüber dem Arbeitnehmer verschleiert wird.


Der als Entwicklungsingenieur bei der beklagten Firma EvoBus GmbH in Mannheim seit 20.05.2011 tätige Kläger war dort durchgehend in derselben Abteilung auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt. Angestellt war er nacheinander bei drei verschiedenen Drittfirmen. 


Der Einsatz des Klägers bei der Beklagten erfolgte in Erfüllung sogenannter Rahmenwerkverträge zwischen den Drittfirmen und der Beklagten.

Drei Firmen – ein Arbeitsplatz

Nach den Feststellungen der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) erfolgte jedoch eine volle betriebliche Eingliederung des Klägers. Überdies unterstand er im Hinblick auf die zu erbringenden Arbeitsleistungen dem Weisungsrecht der Beklagten. Entgegen gegenteiliger vertraglicher Bezeichnungen war dies bewusst so gewollt. 


Dem Kläger machte die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten geltend, da er der von einem "Scheinwerkvertragsverhältnis" ausgeht. Dieser Auffassung begegnete die Beklagte mit dem Argument, dass alle drei  Drittunternehmen über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügten. 

Entscheidend ist die Eingliederung in den Betrieb

Diesem Argument vermochte das LAG jedoch nicht zu folgen. Dass  der Einsatz des Klägers bei der Beklagten im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung hätte erfolgen sollen oder können, wurde weder im Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und den Drittunternehmen, noch in den Werkverträgen zwischen den Drittunternehmen und der Beklagten transparent gemacht.


Das Landesarbeitsgericht hat, anders als das Arbeitsgericht Stuttgart ( Az.: 16 Ca 8713/13) das die Klage des Klägers abgewiesen hatte, mit Urteil vom 03.12.2104, für Recht erkannt, dass es ein widersprüchliches Verhalten sowohl der Drittfirmen als auch der Beklagten darstelle, sich nunmehr auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei bestehender (Vorrats)- Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen. 

LAG: Widersprüchliches Verhalten

Verleiher und Entleiher haben sich während der gesamten Vertragslaufzeiten gerade außerhalb des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) stellen wollen und hiermit bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Klägers zu verhindern versucht. 


Da sich die Verleiher somit nicht wirksam auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen dürfen, ist der Arbeitsvertrag zwischen den Drittunternehmen und dem Kläger nichtig, weshalb davon auszugehen ist, dass ein Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht.

Anmerkung: Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung - Das Ende der „Fallschirmlösung”?

Bisher konnten die sog. Dienstleister darauf vertrauen, dass sie die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1 AÜG, vermeiden können, wenn sie mit einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „in der Hinterhand” Dienst- oder Werkverträge mit ihren Kunden abschließen und diese sich im Nachhinein als eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung herausstellen. Mit der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 03.12.2014 könnte diese sog. „Fallschirmlösung“ ins Wanken geraten, was wünschenswert wäre.


Wie sich aus der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ergibt, verfügten alle drei Drittunternehmen über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Zu einem Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis ist es jedoch tatsächlich nicht gekommen.  Zutreffend stellt das LAG fest, dass von einem widersprüchlichen Verhalten der Drittfirmen als auch des beklagten Unternehmens Evo-Bus auszugehen ist, wenn sie sich nunmehr, nachdem der Kläger die Unwirksamkeit des Scheinwerkvertrags geltend machte, darauf berufen, dass tatsächlich von einer Arbeitnehmerüberlassung auszugehen ist, da sich dieses  weder aus dem Arbeitsvertrag zwischen dem Ingenieur und den Drittunternehmen, noch aus den Werkverträgen zwischen den Drittunternehmen und Evo-Bus ergibt.


Da Verleiher und Entleiher sich während der gesamten Vertragslaufzeiten außerhalb des AÜG stellen wollten, haben sie bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Klägers zu verhindern versucht. Da sich somit die Verleiher nicht wirksam auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen können, ist die Feststellung des LAG Baden-Württemberg im Hinblick auf die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags zwischen den Drittunternehmen und dem Kläger zutreffend, was auch für das weitere Ergebnis gilt, wonach es einem zu Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und dem beklagten Unternehmen Evo-Bus gekommen ist. 


Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das LAG die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zugelassen. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG im Falle der Revisionseinlegung durch die Beklagte entscheidet, nachdem es bisher für Recht erkannte, dass die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der beklagten Firma an dem Umstand scheitert, dass der Verleiher im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist und eine analoge Anwendung des § 10 AÜG ausscheidet, da die Voraussetzungen für einen Analogieschluss nicht gegeben sind. 



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Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden – Württemberg, vom 03.12.2014 - 4 Sa 41/14 gibt es hier im Volltext

 

§ 10 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG und
§ 72 Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG
im Praxistipp

Rechtliche Grundlagen

§ 10 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG und § 72 Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG

§ 10 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG
Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit, Pflichten des Arbeitgebers zur Gewährung von Arbeitsbedingungen

(1) Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen. Das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 gilt als befristet, wenn die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher nur befristet vorgesehen war und ein die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. Für das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 gilt die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher vorgesehene Arbeitszeit als vereinbart. Im übrigen bestimmen sich Inhalt und Dauer dieses Arbeitsverhältnisses nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen; sind solche nicht vorhanden, gelten diejenigen vergleichbarer Betriebe. Der Leiharbeitnehmer hat gegen den Entleiher mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt.
(2) Der Leiharbeitnehmer kann im Fall der Unwirksamkeit seines Vertrags mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 1 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Leiharbeitnehmer den Grund der Unwirksamkeit kannte.
(3) Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Nr. 1 unwirksam ist, so hat er auch sonstige Teile des Arbeitsentgelts, die bei einem wirksamen Arbeitsvertrag für den Leiharbeitnehmer an einen anderen zu zahlen wären, an den anderen zu zahlen. Hinsichtlich dieser Zahlungspflicht gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.
(4) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§ 3 Absatz 1 Nummer 3, § 9 Nummer 2), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Soweit ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren. Im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nummer 2 hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.
(5) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer mindestens das in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 für die Zeit der Überlassung und für Zeiten ohne Überlassung festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen.

§ 72 Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG
Grundsatz

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
1. eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften des § 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 über Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.