Betriebsrentenanspruch gegen Betriebsübernehmer nach Insolvenz? Copyright by Adobe Stock/DOC RABE Media
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Den beiden Klägern wurden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt. Die Betriebsrente sollte sich nach der Versorgungsordnung nach der Anzahl der Dienstjahre berechnen und dem - zu einem bestimmten Stichtag vor dem Ausscheiden - erzielten Gehalt. Am 1. März 2008 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet. Im April 2009 ging der Betrieb auf den beklagten Betriebserwerber über.
 

Betriebsrentenanspruch gegen Betriebsübernehmer nach Insolvenz?

Einer der Kläger erhält seit August 2015 von der Beklagten eine Betriebsrente iHv. ca. 145,00 Euro und vom Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) eine Altersrente iHv. ca. 817,00 Euro. Bei der Berechnung legte die Beklagte zwar die Versorgungsordnung einschließlich des zum maßgeblichen Stichtag vor dem Versorgungsfall bezogenen höheren Gehalts zugrunde, ließ aber den Anteil an der Betriebsrente, der vor der Insolvenz erdient war, außer Betracht.
 
Der PSVaG brachte - wie im Betriebsrentengesetz vorgesehen - das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens maßgebliche niedrigere Gehalt des Klägers in Ansatz. Der Kläger hält die Beklagte für verpflichtet, ihm eine höhere Betriebsrente zu gewähren. Diese sei nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung auf der Basis des höheren Gehalts unter bloßem Abzug des Betrags errechnen, den er vom PSVaG erhalte.
 
Da der andere Kläger bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht über eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft verfügte, so das BAG, stehe ihm bei Eintritt eines Versorgungsfalls nach dem Betriebsrentengesetz kein Anspruch gegen den PSVaG zu.
 

BAG verneint Haftung des Erwerbers

Die Revisionen der Kläger, deren Klagen bereits in den Tatsacheninstanzen abgewiesen worden waren, hatten vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) keinen Erfolg.
 
Nach der - im Hinblick auf die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts einschränkenden - Auslegung von § 613 a Abs. 1 BGB durch die deutschen Arbeitsgerichte konnten die Kläger mit ihren Klagebegehren nicht durchdringen. Danach haftet ein Betriebserwerber in der Insolvenz nicht für Betriebsrentenanwartschaften, die im Sinne von § 108 Abs. 3 Insolvenzordnung für die Zeit vor Insolvenzeröffnung entstanden sind.
 
Rechtsprechung mit Unionsrecht vereinbar
 
Die Rechtsprechung des BAG sei - wie der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden habe - mit Unionsrecht vereinbar. Sie rechtfertige sich nach der allgemeinen Regelung des Art. 3 Abs. 4 Richtlinie 2001/23/EG.
 
Voraussetzung sei, dass ein Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG entsprechender Mindestschutz gewährt wird. Dieser unionsrechtlich gebotene Mindestschutz wird in der Bundesrepublik Deutschland durch einen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden und gegen den PSVaG gerichteten Anspruch gewährleistet. Eine Haftung des Erwerbers scheidet deshalb aus.
 
In zwanzig weiteren  - im Wesentlichen gleich gelagerten  - Fällen hat das BAG die Klageabweisungen der Vorinstanzen bestätigt.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des BAG vom 26.1.2021

Rechtliche Grundlagen

§ 613a BGB, § 108 Abs.3 InsO, Auszug aus Art. 3 Richtlinie 2001/23/ Richtlinie 2008/94/EG

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.


§ 108 Abs. 3 Insolvenzordnung (InsO)
(3) Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.



Art. 3 Richtlinie 2001/23/EG lautet auszugsweise:

„1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

...

3. Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.

Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.

4. a) Sofern die Mitgliedstaaten nicht anderes vorsehen, gelten die Absätze 1 und 3 nicht für die Rechte der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter, Invalidität oder für Hinterbliebene aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten.

b) Die Mitgliedstaaten treffen auch dann, wenn sie gemäß Buchstabe a) nicht vorsehen, dass die Absätze 1 und 3 für die unter Buchstabe a) genannten Rechte gelten, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits aus dem Betrieb des Veräußerers ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus den unter Buchstabe a) genannten Zusatzversorgungseinrichtungen.“


Hier geht es zur Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates:
EUR-Lex - 32008L0094 - EN - EUR-Lex (europa.eu)