Ein qualifiziertes Zeugnis enthält Angaben über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage. Für etwaig künftige Arbeitgeber ist ein Zeugnis Grundlage für die Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber sein Verhalten und seine Leistung beurteilt.

Daraus ergeben sich nach Rechtsprechung des BAG inhaltliche Anforderungen an ein Arbeitszeugnis: der Inhalt muss wahr und klar sein. Der äußeren Form nach muss ein Zeugnis den Anforderungen entsprechen, wie sie das Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis stellt und ein Leser als selbstverständlich erwartet.

Der Arbeitgeber entscheidet grundsätzlich selbst, wie er das Arbeitszeugnis verfasst

Weil „der mögliche Empfängerkreis“, also insbesondere zukünftige Arbeitgeber, nicht zwangsläufig über ein einheitliches Verständnis verfügt, ist auf den Eindruck und Erkenntniswert eines durchschnittlich Beteiligten oder Angehörigen des vom Zeugnis angesprochenen Personenkreises abzustellen. Entscheidend ist, wie ein solcher Zeugnisleser das Zeugnis auffassen muss.

Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch nach ständiger Rechtsprechung, wenn er ein Zeugnis erteilt, das nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Grundsätzlich entscheidet er grundsätzlich, wie er das Zeugnis verfasst und er verfügt dabei über einen Beurteilungsspielraum. Formulierungen und Ausdrucksweise stehen in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab ist dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber. Er darf durch die Zeugnisformulierung das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht erschweren.

Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein Arbeitspapier, das individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnitten ist und seine persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren soll. Arbeitnehmer*innen können deshalb mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht den Anspruch verfolgen, dass das Zeugnis berichtigt oder ergänzt wird, wenn es diesen Anforderungen nicht genügt. 

Der Arbeitgeber muss den Zweck beachten, den ein Arbeitszeugnis erfüllen soll

Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich allein darüber entscheidet, wie das Zeugnis formuliert ist, muss er sich aber an einige Regeln halten. Er muss den Zweck beachten, den ein Zeugnis erfüllen soll. Der verständige Zeugnisleser erwartet, dass das Zeugnis Leistungen und Eigenschaften gewichtet. Erst dadurch erhält es die Aussagekraft, die notwendig ist, um den Zweck des Zeugnisses zu erreichen. 

Für den Zeugnisleser ist es von hohem Interesse, welche Einzelmerkmale für das konkrete Arbeitsverhältnis von besonderer Bedeutung waren und über welche besonderen Eigenschaften, Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer verfügt. Anhand dieser Angaben kann er erkennen, ob er über die erforderliche Qualifikation und Eignung für den Arbeitsplatz verfügt, den ein etwaiger Arbeitgeber besetzen will. Diese Informationen haben maßgeblichen Einfluss auf eine Einstellungsentscheidung, sodass das berufliche Fortkommen eines Arbeitnehmers durch ein Arbeitszeugnis, das diese Aussagekraft nicht besitzt, unangemessen erschwert werden kann.

 

Drei wichtige Elemente enthält das qualifizierte Zeugnis: die Tätigkeitsbeschreibung und die Bewertung von Leistung und Verhalten. Hinsichtlich der Tätigkeiten hat der Arbeitgeber nur einen stark eingeschränkten Beurteilungsspielraum. Die Tätigkeiten sind vollständig und genau zu beschreiben. Ein Dritter muss sich anhand des Zeugnisses ein klares Bild von der ausgeübten Tätigkeit machen können. Den Anforderungen kann der Arbeitgeber auch dadurch gerecht werden, dass er die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben lediglich in einer stichwortartigen Aufzählung darstellt, wenn sich dadurch die Lesbarkeit des Zeugnisses verbessert.

 

Im Rahmen der Leistungsbeurteilung hat der Arbeitgeber die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat. Dies erfolgt regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten ist insbesondere ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen. 

 

Die einzelnen Bewertungskriterien sind vollständig darzustellen und haben die gesamte Vertragsdauer zu berücksichtigen. Einzelne Vorfälle treten dabei in ihrer Bedeutung zurück und dürfen nicht hervorgehoben werden, wenn sie die Gesamtleistung und Gesamtführung nicht beeinflusst haben. Die Beurteilung muss sich auf das Anforderungsprofil Aufgaben beziehen, die der Arbeitnehmer vorgenommen hat. Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich in seiner Entscheidung frei darin ist, welche Leistungen und Eigenschaften seines Arbeitnehmers er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen möchte., muss das Zeugnis aber wahr sein und darf dort keine Auslassung enthalten, wo der Leser eine positive Hervorhebung erwartet.

Wichtig ist auch, wie der Arbeitgeber das Verhalten und die Zusammenarbeit mit Arbeitskolleg*innen beurteilt. 

Weil sich aus der Gewerbeordnung ergibt, dass ein Zeugnis wohlwollend zu formulieren ist, hat sich eine Zeugnissprache entwickelt, die negative Beurteilungen in euphemistische Klauseln kleidet. Auch katastrophale Urteile sollen so klingen, als wolle der Arbeitgeber positiv bewerten. Ein Leser, der in den Geheimcode nicht eingeweiht ist, würde kaum vermuten, dass etwa eine Formulierung „seine/Ihre Führung im Unternehmen war stets tadellos“ eher wenig ausgeprägte soziale Fähigkeiten bescheinigt. 

 

Auch dass eine Klausel wie „sie/er war Neuem gegenüber immer aufgeschlossen“ eigentlich das Gegenteil bescheinigt: wer so beurteilt wird, hat sich Neuem eher widersetzt. Aufgeschlossen sein heißt nämlich immer noch nicht, dass man das entsprechende auch umsetzt. Ganz katastrophal ist es aber, wenn Arbeitgeber in einem Qualifizierten Zeugnis Leistung und/oder Verhalten gar nicht beurteilen. Das bedeutet nämlich eine glatte sechs!

Wie immer hilft die Gewerkschaft auch beim Arbeitszeugnis

Arbeitnehmer*innen tun also gut daran, ihre Zeugnisse von Fachleuten prüfen zu lassen, wenn sie sich damit bewerben wollen. Auch insoweit zahlt es sich wieder aus, Mitglied in einer Gewerkschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu sein. Während ein Fachanwalt für Arbeitsrecht eine Menge Geld für die Prüfung nimmt, machen das die Jurist*innen der Gewerkschaft kostenlos.

 

Ob eine Klage auf Berichtigung oder Ergänzung des Arbeitszeugnisses Sinn macht, können sie kompetent beurteilen und der gewerkschaftliche Rechtsschutz übernimmt im Zweifel kostenlos die Vertretung vor den Gerichten durch Jurist*innen, die in solchen Verfahren sehr erfahren sind. Und Wissen und Erfahrung sind hier unbedingt erforderlich. Ein Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung im Zeugnis erstrebt, muss nämlich entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen.

Ein Arbeitgeber hatte ein Zeugnis in tabellarischer Form erteilt

Das BAG hatte sich kürzlich mit einem Zeugnis zu befassen, das die Form eines Schulzeugnisses hatte. Ein Elektriker hatte gegen Form und Inhalt eines Arbeitszeugnisses geklagt. Er war beschäftigt bei einem Unternehmen, das kosmetische Wasch-, Pflege- und Reinigungsprodukte herstellt. Der Arbeitgeber hatte ihm ein Zeugnis erteilt, dass von der Form her an ein Schulzeugnis erinnert. Es enthielt eine Tabelle, in der der Arbeitgeber einzelne Noten vergab, etwa "Pünktlichkeit", "Hygienevorgaben", „allgemeine Fachkenntnisse" und „Verhalten gegenüber Vorgesetzten“. Aus den einzelnen Bewertungen bildete der Arbeitgeber eine „Gesamtnote“, ein befriedigend. Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt und formulierte ein Zeugnis im Fließtext. Das LAG Hamm hielt die tabellarische Form für zulässig. 

 

Dagegen legte der Elektriker mit Erfolg Revision vor dem BAG. Es hob das Urteil des LAG auf und verwies es zur erneuten Entscheidung an das LAG Hamm zurück. 

 

Die Beurteilung in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach "Schulnoten" entspricht nach Auffassung des BAG nicht den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses. Das qualifizierte Arbeitszeugnis sei ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier, das dessen persönliche Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis dokumentieren solle. Diesen Anforderungen werde regelmäßig nur ein individuell abgefasster (Fließ-)Text gerecht.

Schulnoten erwecken lediglich den Anschein besonderer Objektivität

Durch Aufzählen von Einzelkriterien und "Schulnoten" könne man den Zweck eines Arbeitszeugnisses nicht erreichen. In der Schule beruhten die Noten in der Regel auf schriftlichen Leistungsüberprüfungen eines bestimmten Lernstoffs. Beim Arbeitszeugnis erweckten sie lediglich den Anschein besonderer Objektivität.

 

Das BAG erteilte zudem den Hinweis, dass das LAG nunmehr konkrete Feststellungen zu den vom Elektriker verrichteten Tätigkeiten sowie zu dessen Arbeitsleistung in qualitativer und quantitativer Hinsicht treffen müsse. Unter Umständen dürfe es das gesamte Zeugnis nach Klärung der Sachlage auch selbst neu formulieren.

Hier geht es zum Urteil des Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2021 - 9 AZR 262/20

Rechtliche Grundlagen

Praxistipp: § 109 Gewerbeordnung

§ 109 Gewerbeordnung
Zeugnis

(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.