Betriebsräte sind keine Einrichtungen, die der Arbeitgeber seinen Beschäftigten großzügig gewährt. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) schreibt vor, dass Arbeitnehmer Betriebsräte wählen, wenn ihr Betrieb mindestens fünf Beschäftigte hat. Die Wahl des Betriebsrates ist gesetzlich genau geregelt. Niemand darf sie behindern, auch der Arbeitgeber nicht.
 

Arbeitgeber handeln nicht taktisch klug, wenn sie Betriebsratswahlen beeinflussen, sondern begehen eine Straftat

Trotzdem sind viele Arbeitgeber offensichtlich der Auffassung, mit einer „klugen“ Taktik könnten sie sich die Mitbestimmung im Betrieb vom Hals halten. Nicht selten werden Wahlen begleitet durch Versuche des Arbeitgebers, sie zu verhindern oder zumindest so zu beeinflussen, dass ein genehmes Ergebnis dabei herumkommt. Von Einschüchterungen bis Bestechungsversuche, von Zuckerbrot bis Peitsche ist alles dabei. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.  
 
Dabei stellt es alles andere als ein Kavaliersdelikt dar, die Wahl eines Betriebsrates zu behindern oder zu beeinflussen. Es ist bereits eine Straftat, wenn der Arbeitgeber den Ablauf der Wahl etwa dadurch behindert, dass er den Mitgliedern des Wahlvorstandes Vorteile verspricht, wenn sie in seinem Sinne handeln. Mit Gefängnis bis zu einem Jahr können Vorgesetzte bestraft werden, wenn sie die Wahl behindern oder stören.
 

Die Wahl kann der Arbeitgeber auch behindern, indem er Mitglieder des Wahlvorstandes in eine andere Schicht versetzt

In Sachsen-Anhalt hatten Beschäftigte im Betrieb eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum versucht, einen Betriebsrat zu gründen. Erst mit Hilfe des Arbeitsgerichts gelang es, einen Wahlvorstand zu bilden.
 
Die Arbeit im Betrieb erfolgt in drei Schichten, die abwechselnd den Früh-, Spät- und Nachtdienst abdecken.  Zwei Mitglieder des Wahlvorstandes  -nennen wir sie Frau Müller und Frau Meyer- , arbeiteten in unterschiedlichen Schichten. Frau Müller wollte der Arbeitgeber jetzt in die Schicht versetzen, in der Frau Meyer arbeitet. Er begründete sein Vorhaben mit praktischen Erwägungen:  die Umsetzung erfolge, um eine möglichst reibungslose Arbeit des Wahlvorstandes zu gewährleisten. Zudem könne man den beiden Mitgliedern so auch besser ermöglichen, an Schulungen teilzunehmen.
 

Der Weg von und zur Arbeit wird erheblich erschwert

Was auf den ersten Blick als sinnvolle Maßnahme des Arbeitgebers erscheint, hatte aber einen Haken: Frau Müller wohnt in einem Ort, der mehr als 30km vom Betrieb entfernt und nur sehr schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln in annehmbarer Zeit zu erreichen ist. Deshalb hatte sie mit einer Kollegin in ihrer Schicht eine Fahrgemeinschaft gebildet. Das war dem Arbeitgeber auch bekannt. In der neuen Schicht gab es keine Kolleg*innen, mit denen Frau Müller gemeinsam zur Arbeit hätte fahren können. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde sie zum Teil mehr als 2 Stunden für einen Weg unterwegs sein.
 
Frau Müller hat deshalb gegen die Umsetzung in die andere Schicht mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH vor dem Arbeitsgericht geklagt.
 

Der Arbeitgeber kann grundsätzlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher bestimmen

Ein Problem war eine Regelung aus ihrem Arbeitsvertrag. Sie hatte sich nämlich bereit erklärt, im Drei-Schicht-System zu arbeiten. Nicht geregelt war, dass sie in einer bestimmten Schicht arbeitet. Nach dem Gesetz kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Das ist das sogenannte „Direktionsrecht“ des Arbeitgebers. Allerdings kann er auch insoweit nicht willkürlich handeln. Sein Entscheidung muss er vielmehr nach „billigem Ermessen“ treffen.
 

Der Arbeitgeber muss aber auch die Interessen der Beschäftigten angemessen berücksichtigen

„Billig“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht preiswert. „Billiges Ermessen“ ist vielmehr ein unbestimmter Rechtsbegriff, den man stark vereinfacht mit „gerecht und angemessen“ übersetzen kann. Der Arbeitgeber kann nach seinem Ermessen entscheiden, muss aber auch die Interessen der Beschäftigten angemessen berücksichtigen.
 
Das Arbeitsgericht Magdeburg ist in seiner Entscheidung zum Ergebnis gekommen, dass der Arbeitgeber die Grenzen des „billigen Ermessens“ nicht gewahrt hat. Er hatte insbesondere nicht dargelegt, warum seine Entscheidung im Interesse des Betriebes liegt. Das Gericht konnte nicht erkennen, warum es für den Betrieb von entschiedenem Vorteil sei, wenn zwei Mitglieder des Wahlvorstandes in derselben Schicht arbeiteten. Schon die Klägerin habe mit Recht darauf hingewiesen, dass es sogar ungünstig sei, wenn gleich zwei Mitglieder des Wahlvorstandes in einer Schicht fehlten, weil sie wegen der Wahlvorbereitungen freigestellt seien.
 
Demgegenüber entstünden für die Klägerin erhebliche Belastungen, wenn sie in die andere Schicht umgesetzt werde. Zwar sei es grundsätzlich das Problem der Arbeitnehmerin, wie sie den Wege von und zur Arbeit zurücklege. Sie könne ja umziehen, um näher an der Arbeitsstätte zu wohnen. Allerdings hätte der Arbeitgeber darlegen müssen, inwieweit er die persönlichen Erschwernisse der Klägerin einbezogen hat, als er seine Interessen gegen die Interessen der Klägerin gegeneinander abgewogen hat.
 
Das Gericht hat deshalb die Umsetzung der Klägerin in die andere Schicht für unwirksam erklärt.
 
Hier geht es zur Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg

Das sagen wir dazu:

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat letztlich die Frage gar nicht mehr behandelt, ob der Arbeitgeber die Betriebsratswahl beeinflusst hat. Das Ergebnis wäre das Gleiche gewesen, auch von es um ein*e Arbeitnehmer*in gegangen wäre, die nicht Mitglied des Wahlvorstandes gewesen wäre.

Es war in dem Fall aber offensichtlich, dass der Arbeitgeber Einfluss auf die Wahl nehmen wollte. Das konnten die Klägerin und unsere Kolleg*innen aus dem Büro Magdeburg im Verfahren gut darlegen. Wirkliche betriebliche Interessen für seine Entscheidung konnte der Arbeitgeber nämlich nicht vorbringen. Im Grunde hat er nur behauptet, die Arbeit des Wahlvorstandes werde erleichtert, wenn die Arbeitszeit der Mitglieder angeglichen werde.

Wie der Wahlvorstand indessen seine Arbeit plant und organisiert, ist dessen Angelegenheit. Der Arbeitgeber hätte vielmehr konkret vorbringen müssen, warum es für die Abläufe im Betrieb notwendig ist, die Klägerin umzusetzen. Das konnte er freilich nicht.

Ein Betriebsrat ist weder Luxus noch ein nettes Geschenk an die Arbeitnehmer*innen. Die betriebliche Mitbestimmung ist eine notwendige Einrichtung unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen. Die Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaates gelten in der Beziehung zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen ohnehin nur in Ansätzen. Hier spielen „die Märkte“, die Verwertung von Kapital und die Interessen der Anteilseigner, der sogenannte „Shareholder Value“, die entscheidende Rolle.

Nicht ohne Grund weist das Grundgesetz den Gewerkschaften eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsrecht zu. Eine ähnliche Stellung haben die Betriebsräte zwar nicht. Allerdings ist heute kaum mehr umstritten, dass das Sozialstaatsprinzip den Gesetzgeber verpflichtet, geeignete Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung zu schaffen. Aber auch die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer*innen aus Artikel 12 Grundgesetz muss nach allgemeiner Auffassung den Gesetzgeber veranlassen, den Beschäftigten über das Betriebsverfassungsrecht zumindest einen Einfluss auf Entscheidungsprozesse im Betrieb einzuräumen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat zudem bereits Anfang der 70er Jahre ein Übereinkommen der ILO (International Labour Organisation – internationale Arbeitsorganisation) ratifiziert, nach dem sie sich verpflichtet, Vertretungen der Arbeitnehmer*innen im Betrieb gegen jede Benachteiligung einschließlich solcher auf Grund ihrer Stellung zu schützen. Derselbe Schutz gilt für Mitglieder einer Gewerkschaft, insbesondere wenn sie aktiv als Mitglieder der Gewerkschaft tätig sind.

Der Gesetzgeber hat deshalb konsequent unter Strafe gestellt, wenn etwa der Arbeitgeber oder ein anderer in seinem Interesse die Wahl des Betriebsrates beeinflusst.

In den meisten seriösen Unternehmen wird die demokratische Wahl eines Betriebsrates und dessen Tätigkeit auch gar nicht in Frage gestellt. Es gibt aber leider eine beeindruckende Menge von Unternehmen, die überhaupt verhindern wollen, dass es in Ihren Betrieben Betriebsräte gibt oder –wenn sie es schon nicht verhindern können- jedenfalls dafür sorgen wollen, dass ein Betriebsrat zustande kommt, der nicht zu sehr die Interessen der Beschäftigten im Auge hat. Im Internet oder bei speziellen Anwälten finden sie jede Menge Tipps, wie man Betriebsräte ärgern oder deren Wahl beeinflussen kann, ohne dass es zu sehr auffällt.

Diesen Unternehmen sei ins Stammbuch geschrieben: wenn ihr auch nur mittelbar versucht, Betriebsratswahlen zu verhindern, zeugt das nicht in erster Linie davon, dass ihr besonders klug oder pfiffig seid. Es zeugt vor allem von einem gehörigen Maß an krimineller Energie.

Rechtliche Grundlagen

§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

§ 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.