Beschädigt ein AN seinen Dienstwagen bei grob unvorsichtigem Ausparken, haftet er für die Selbstbeteiligung des Arbeitgebers bei der Vollkaskovers.
Beschädigt ein AN seinen Dienstwagen bei grob unvorsichtigem Ausparken, haftet er für die Selbstbeteiligung des Arbeitgebers bei der Vollkaskovers.


Die Klägerin ist Mitarbeiterin im Bereich Geldtransport. Ihr Arbeitgeber stellt ihr einen Dienstwagen der Marke Renault Kangoo (so genannter Kastenwagen) zur Verfügung. Der Arbeitgeber hat für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 300 Euro abgeschlossen.
 

Unfall mit Geldtransporter


Nach einem Dienstgang der Arbeitnehmerin war das Fahrzeug zugeparkt. Vorwärts konnte die Klägerin die Parklücke nicht verlassen. Sie versuchte es rückwärts. Dabei erfolgte keine Kontrolle, des rückwärtigen Fahrweges außerhalb des Kfz. Sie fuhr gegen einen Pfeiler. Der Schaden betrug 2054,33 Euro. Der Arbeitgeber will Schadensersatz in Höhe von 300 Euro.

Wer eine Pflicht verletzt hat den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Für das Arbeitsverhältnis hat der Gesetzgeber eine Spezialnorm geschaffen. Danach ist der Schaden nur zu ersetzen, wenn der Arbeitnehmer diesen »zu vertreten «, also schuldhaft gehandelt hat.
 
Im Arbeitsverhältnis besteht eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers, die vom Arbeitgeber überlassenen Gegenstände pfleglich zu behandeln. Dies würde dann aber auch bedeuten, dass der Arbeitnehmer für jedes noch so kleine »Missgeschick« voll haften muss – auch wenn es um sehr hohe Beträge geht. Um ein unbilliges Ergebnis zu vermeiden, erkennt die Rechtsprechung Haftungserleichterungen an.
 

Dreistufiges Haftungsmodell des Bundesarbeitsgerichts

 
Das Bundesarbeitsgericht hat ein dreistufiges Haftungsmodell entwickelt (BAG, 25.09.1997, 8 AZR 288/96). Dabei wird nach dem Grad des Verschuldens zwischen leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz entschieden.
 
Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit tritt eine anteilige Haftung ein, während der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz grundsätzlich voll haften muss.

 

  • Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es um geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtverletzungen geht, die jedem passieren können.
  • Bei der mittleren Fahrlässigkeit gilt eine anteilige Haftung. Diese richtet sich nach der Gefahrgeneigtheit der Arbeit, der Höhe des Schadens im Verhältnis zum Verdienst, der Versicherbarkeit des Schadens, dem Vorverhalten des Arbeitnehmers und seiner sozialen Verhältnisse.
  • Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn es um ein besonders schwerwiegendes und subjektiv unentschuldbares Verhalten geht. Der Arbeitnehmer muss die Sorgfalt missachtet haben, die jedem einleuchten müsste. Vorsatz setzt das Wissen und Wollen des Schadens voraus.

 
Dann erfolgt eine volle Haftung, es sei denn es besteht ein krasses Missverhältnis zwischen Schaden und Verdienst. Ein solches »Missverhältnis« nimmt die Rechtsprechung an, wenn bei einem vollen Schadensersatz die Existenz des Arbeitnehmers bedroht ist. Der Arbeitgeber trägt seinerseits die Darlegungs- und Beweislast für den Verschuldensgrad.
 

Rückwärtsfahren ist gefährlich

 
In diesem Fall bedeutet das: Die Arbeitnehmerin ist auf dem Parkplatz rückwärts gefahren. Wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse ist dies per se schwieriger und damit gefährlicher, als das Fahrzeug vorwärts zu steuern. Dies gilt erst recht bei einem Kastenwagen wie dem Renault Kangoo, da das Sichtfeld eingeschränkter ist als bei einem normalen Pkw.
 
Zudem hat sie es unterlassen, den Fahrweg auf Hindernisse zu kontrollieren. Notfalls hätte sie aussteigen müssen, um den Fahrweg zu kontrollieren. Auch das Herauswinken durch einen Passanten wäre möglich gewesen.
 
Da dies alles unterblieben ist, ging das Gericht von grober Fahrlässigkeit aus. Sie muss die Selbstbeteiligung des Arbeitgebers in Höhe von 300 Euro bezahlen. Ein Missverhältnis zwischen Verdienst und Schaden gab es hier nicht.
 

Praxistipp: Kein Schuldanerkenntnis unterschreiben!

 
Oft versuchen Arbeitgeber der Darlegungs- und Beweislast zu entgehen, indem sie sich ein Schuldanerkenntnis vom Arbeitnehmer unterschreiben lassen. Dabei versuchen sie durch Festlegung des Verschuldensgrades den vollen Schaden zu sichern. Deshalb kann nur geraten werden: »Finger weg von Schuldanerkenntnissen.«
 
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 12/2017 vom 03.05.2017.


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Rechtliche Grundlagen

§ 280 BGB

Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.