Auszubildendenvertreter verliert Anspruch auf Übernahme im Ausbildungsberuf, wenn er eine ausbildungsfremde Arbeit unter Vorbehalt annimmt. Copyright by taddle/fotolia.
Auszubildendenvertreter verliert Anspruch auf Übernahme im Ausbildungsberuf, wenn er eine ausbildungsfremde Arbeit unter Vorbehalt annimmt. Copyright by taddle/fotolia.

In dieser Zwickmühle befand sich ein 20-jähriger Jugendvertreter, der in einem Schwerter Eisengussbetrieb seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik erfolgreich abgeschlossen hatte. Das Mitglied der IG Metall war in die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt worden und hatte rechtzeitig nach § 78a Absatz 2 BetrVG verlangt, nach der Prüfung in seinem Ausbildungsberuf weiterbeschäftigt zu werden.
 

Arbeitgeber bietet ausbildungsfremde Arbeit an

Der Arbeitgeber lehnte ab mit der Begründung, in diesem Bereich keine Arbeitsplätze zu haben. Immerhin werde unter anderem in dieser Abteilung nach Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat ein größerer Personalabbau betrieben.
 
Jedoch bot die Geschäftsleitung dem Auszubildenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Kerneinleger an, allerdings bei deutlich geringerem Lohnanspruch.
 

Azubi in der Zwickmühle unterschreibt Vertrag unter Vorbehalt

Der Azubi geriet in die Zwickmühle: Soll er den Vertrag unterschreiben, obwohl er eigentlich in seinem erlernten Beruf arbeiten wollte? Immerhin hätte er nach einer Unterschrift wenigstens sofort einen Job und stünde nicht auf der Straße. Wer weiß schon, wie lange ein Verfahren nach § 78a Absatz 4 BetrVG dauert und ob es überhaupt erfolgreich sein wird?
 
Der Azubi unterschrieb deshalb den vorgelegten Vertrag, erklärte aber per Zusatz ausdrücklich den Vorbehalt der rechtlichen Überprüfung der vereinbarten Tätigkeit und der Entlohnung.
 

Klage auf Beschäftigung im Ausbildungsberuf

Mit dem sicheren Arbeitsvertrag in der Tasche erhob der IG Metaller mit Hilfe des Hagener Büros der DGB Rechtsschutz GmbH Klage vor dem Arbeitsgericht Dortmund. Ziel war die Beschäftigung und Entlohnung im Ausbildungsberuf Elektroniker.
 
Die Klage war in zwei Instanzen erfolglos. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm war in letzter Instanz der Ansicht, dass der zunächst durch gesetzliche Fiktion nach § 78a Absatz 2 BetrVG begründete Arbeitsvertrag als Elektroniker einvernehmlich abgeändert wurde. Durch Unterzeichnung des Vertrages war eine neue Vereinbarung getroffen worden, und zwar hinsichtlich einer Beschäftigung als Kerneinleger mit geringerer Vergütung.
 

Arbeitgeber muss auch ausbildungsfremde Tätigkeit anbieten

Daran ändere auch der durch Zusatz erklärte Vorbehalt des Auszubildenden nichts. Dieser bedeutete nämlich nur, dass im Falle der Rechtswidrigkeit des Vertrages ein Anspruch auf Beschäftigung als Elektroniker zu überprüfen war.
 
Rechtswidrig sei - so das LAG Hamm weiter - der Kerneinleger-Vertrag aber keineswegs. Schließlich sei der Arbeitgeber trotz des Anspruchs auf Beschäftigung im erlernten Beruf verpflichtet, dem Jugend- und Auszubildendenvertreter eine berufsfremde Tätigkeit anzubieten, wenn im Lernberuf keine Arbeitsmöglichkeit besteht. Und genau dieser Verpflichtung war der Arbeitgeber ja schließlich nachgekommen.
 

Was bewirkt die Vorbehaltserklärung?

Der Vorbehalt des Auszubildenden in dem geschlossenen Arbeitsvertrag führte also nicht dazu, dass das Gericht die Möglichkeit einer Beschäftigung im erlernten Ausbildungsberuf zu überprüfen hatte.
Einen Anspruch auf entsprechende Tätigkeit hat das LAG Hamm deshalb abgelehnt.

Links:
 
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.3.2017 (7 Sa 1191/16) können Sie hier nachlesen.
 
Tipps für Jugend- und Auszubildendenvertreter zur Übernahme haben wir hier.
Und welche Rechte haben Nachrücker in die JAV?
 

Das sagen wir dazu:

Die Rechtslage ist für Jugend- und Auszubildendenvertreter unbefriedigend: Sie haben nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich einen Anspruch auf Beschäftigung im erlernten Ausbildungsberuf nach abgeschlossener Berufsausbildung, wenn sie dies verlangen. Bestreitet der Arbeitgeber eine entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit, muss diese Frage in einem meist langen Beschlussverfahren nach § 78a Absatz 4 BetrVG geklärt werden.

Risiko eines Beschlussverfahrens

Wenn der Arbeitgeber stattdessen einen Arbeitsvertrag mit einer geringer vergüteten Tätigkeit ohne Bezug zur Ausbildung anbietet, hat der Jugendvertreter die Qual der Wahl: Unterschreibt er, dann nimmt er sich trotz einer möglichen Vorbehaltserklärung die Chance, sich in eine ausbildungsgerechte Tätigkeit einzuklagen. Unterschreibt er nicht, muss er seine Ansprüche in einem langen Gerichtsverfahren klären. Während der Dauer dieses Verfahrens steht der Jugendvertreter meist auf der Straße und wird auf geringes Arbeitslosengeld angewiesen sein

Klärung durch Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat

Hier besteht nur die Möglichkeit, in enger Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu klären, ob die Behauptung des Arbeitgebers, keine Beschäftigungsmöglichkeit im Ausbildungsberuf zu haben, zutreffend ist. Wenn diese Behauptung nur vorgeschoben ist, lohnt sich das Risiko, ein Beschlussverfahren nach § 78a BetrVG einzugehen. Schließlich ist der Arbeitgeber bei einem erfolgreichen Ausgang des Verfahrens für den Azubi verpflichtet, die entsprechende Vergütung für die gesamte Verfahrensdauer nachzuzahlen, wenn das Gericht feststellt, dass ein Vertrag nach Ausbildungsende zustande gekommen ist.

Rechtliche Grundlagen

§ 78a Betriebsverfassungsgesetz

78a BetrVG Schutz Auszubildender in besonderen Fällen

(1) Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrats, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrats ist, nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so hat er dies drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen.
(2) Verlangt ein in Absatz 1 genannter Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung, so gilt zwischen Auszubildendem und Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Auf dieses Arbeitsverhältnis ist insbesondere § 37 Abs. 4 und 5 entsprechend anzuwenden.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrats, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrats endet.
(4) Der Arbeitgeber kann spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht beantragen, 1.
festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nach Absatz 2 oder 3 nicht begründet wird, oder
2.das bereits nach Absatz 2 oder 3 begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen,
wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht sind der Betriebsrat, die Bordvertretung, der Seebetriebsrat, bei Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung auch diese Beteiligte.
(5) Die Absätze 2 bis 4 finden unabhängig davon Anwendung, ob der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist.