Es geht um den Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs für eine befristete Beschäftigung. Ein solcher sachlicher Grund ist in § 14 Absatz 1 Nummer 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes geregelt. Er liegt vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Das kann so sein, wenn das Arbeitsvolumen im Bereich der Daueraufgaben vorübergehend ansteigt oder Zusatzaufgaben/Projekte übernommen werden, für deren Erledigung das Stammpersonal nicht ausreicht.

DGB Rechtsschutz in erster und zweiter Instanz für den Kläger erfolgreich

Im Falle eines gewerkschaftlich organisierten EDV-Technikers stellten Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Hamburg fest, dass der Sachgrund nicht besteht.

Der Kläger hatte bei seinem Arbeitgeber eine Ausbildung zum Informatikkaufmann gemacht. Im Anschluss wurde er ab Mai 2005 bis Ende 2015 mit verschiedenen Verträgen befristet als Techniker im Bereich IT für das Betriebssystem Linux beschäftigt. Als die Firma dann die letzte Befristung nicht verlängerte, klagte er mit Hilfe vom DGB Rechtsschutz in Hamburg auf Weiterbeschäftigung.

Schon das Arbeitsgericht gab dem Kläger Recht. Das Landesarbeitsgericht bestätigte diese Entscheidung. Neben dem fehlenden Sachgrund gingen die Richter auch von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung der befristeten Arbeitsverträge aus.

Arbeitgeber gelingt die Prognose zum fehlenden dauerhaften betrieblichen Bedarf nicht

Für den Sachgrund der vorübergehenden Beschäftigung muss zu dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag geschlossen wird, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass nach dem Ende der Befristung kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht. Der Arbeitgeber muss eine Prognose anstellen und diese im gerichtlichen Verfahren darlegen.

Daran scheiterte der Arbeitgeber. Er verwies auf ein Projekt zur Einführung eines neuen Programms, des Konfigurationsmanagementtools Puppet. Mit Aufgaben aus diesem Projekt war der Kläger beschäftigt, allerdings auch mit Routinearbeiten.

Projektarbeiten oder Daueraufgaben?

Der Kläger hatte vorgetragen, die Projektstruktur sei nur zum Zwecke von Befristungen konstruiert und die Einführung von neuen Systemen gehöre zu den Daueraufgaben einer IT-Abteilung.

Das sahen die Richter letztlich auch so. Auch bei Projektarbeiten müsse von Anfang an klar sein, dass diese nur zeitlich begrenzt anfallen. Von den Daueraufgaben des Arbeitgebers müssten die im Rahmen eines Projekts zu bewältigenden Arbeiten klar abgrenzbar sein. Dies sei nicht der Fall bei Tätigkeiten, die der Arbeitgeber im Rahmen des von ihm verfolgten Betriebszweckes dauerhaft wahrnimmt oder zu deren Durchführung er verpflichtet ist.

EDV untrennbarer Teil der Daueraufgaben

Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertige die Einführung des neuen Tools die Befristung nicht, so die Würdigung des Landesarbeitsgerichts. Die Daueraufgabe der Beklagten ist Grundlagenforschung. Wenn sie im Rahmen dieser Daueraufgabe erfolgreich sein wolle, sei dies ohne eine funktionierende EDV nicht vorstellbar. Die Nutzung der EDV sei deshalb untrennbarer Teil der Daueraufgabe und nicht nur ergänzende Erleichterung des Arbeitsablaufs.

Damit stuften die Richter auch die Aktualisierung von Hard- und Software als Teil der Tätigkeiten ein, die die Beklagte im Rahmen des von ihr verfolgten Betriebszweckes dauerhaft wahrnimmt. Explizit zu dem Aufgabengebiet des Klägers ergänzten sie noch, dass grade die Fortentwicklung von Betriebssystemen laufend geschieht.

Institutioneller Rechtsmissbrauch

Die Befristung scheiterte noch an einem anderen Punkt. Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass ein sogenannter institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegt. Für die Frage, ob ein Arbeitgeber befristete Verträge rechtsmissbräuchlich verwendet, kommt es auf sämtliche Umstände des Einzelfalls an. Besonders zu nennen sind die Gesamtdauer der Befristungen, die Anzahl der Vertragsverlängerungen, ob der Einsatz stets auf demselben Arbeitsplatz erfolgte und um das Wievielfache der Zeitraum einer sachgrundlosen Befristung (nach dem Gesetz für maximal zwei Jahre möglich) überschritten wird.

Insgesamt hat das Bundesarbeitsgericht zehn Kriterien für die Missbrauchskontrolle aufgestellt. Gemessen an diesen Maßstäben stellte sich die Befristung des vorliegenden Arbeitsverhältnisses als rechtsmissbräuchlich dar. Schon die lange Dauer von zehn Jahren lege einen Missbrauch nahe. Das habe der Arbeitgeber nicht entkräften können.

Das Urteil ist rechtskräftig. Der Kläger steht damit bei der Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.

Hier gibt es die komplette Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg, Urteil vom 16.11.2016, 5 Sa 35/16

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Das sagen wir dazu:

Eine gute und wichtige Entscheidung - nicht nur für den Kläger, sondern auch als Gegenwehr zum Missbrauch des Befristungsrechts.

 

Es ist immer erfreulich, wenn der Praxis jahrelanger Befristungen Einhalt geboten wird. Deutlich sehen die Richter hier einen Missbrauch in der eklatanten Überschreitung der zwei Jahre, in denen ohne Sachgrund befristet werden darf.

 

Besonders interessant ist der Aspekt der funktionierenden EDV als Daueraufgabe, mit dem das Gericht der Projektarbeit als Befristungsgrund den Boden entzieht. Auch wenn sich dies nicht auf jeden Betrieb übertragen lassen wird. Das Gericht stellt im konkreten Fall auf die Tätigkeit der Forschung und Größe des Arbeitgebers sowie die wissenschaftliche Bedeutung im Internet ab. Im Einzelfall bleibt abzuwarten, ob sich bei Betrieben etwas anders ergibt, die nicht für den wissenschaftlichen Fortschritt auf die neueste Hard- und Software angewiesen sind.

 

Unsere Ansicht nach wird entscheidend sein, ob sich die Tätigkeit im IT-Bereich als Daueraufgabe darstellt oder der Beschäftigungsbedarf tatsächlich nach Einführung einer bestimmten Software oder vergleichbaren „Projekten“ entfällt.

 

Als allgemeingültiges und gutes Fazit kann festgehalten werden: Ein Arbeitgeber kann einen Sachgrund für eine Befristung nicht herbeiführen, indem er wesentlich unveränderte Daueraufgaben in organisatorisch eigenständige Projekte aufteilt.

Rechtliche Grundlagen

Teilzeit- und Befristungsgesetz – Auszüge aus § 14 TzBfG

§ 14 Zulässigkeit der Befristung
(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.