Ausschlussfristen, die den Mindestlohn nicht ausnehmen, sind wirksam, wenn der Vertrag vor dem 16.08.2014 geschlossen wurde.
Ausschlussfristen, die den Mindestlohn nicht ausnehmen, sind wirksam, wenn der Vertrag vor dem 16.08.2014 geschlossen wurde.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat entschieden, dass eine zweistufige Ausschlussklausel, die Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt, jedenfalls dann nicht unwirksam ist, wenn der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) abgeschlossen wurde.

Urlaubsabgeltung und Zeugnis noch offen

Der Kläger war bei dem Beklagten auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages ab 01. Januar 2014 als technischer Sachbearbeiter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag ist maschinenschriftlich auf den 08. August 2013 datiert.

Der Kläger hat den Vertrag handschriftlich am 27. Oktober 2013 unterzeichnet. Die Unterschrift des Beklagten trägt das maschinenschriftlich eingetragene Datum 08. Oktober 2014. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis zu Ende Juli 2015 gekündigt. Die Parteien streiten noch um einen Urlaubsabgeltungsanspruch und ein qualifiziertes Arbeitszeugnis.

Der Arbeitsvertrag enthält eine Ausschlussfrist, nach der Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden.

Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag

Weiter sollen die Ansprüche auch dann verfallen, wenn die Gegenseite den geltend gemachten Anspruch ablehnt oder sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung äußert und der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. bei Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig gemacht wurde.

Mit Schreiben vom 14. September 2015 machte der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend, der Beklagte lehnte sie mit Schreiben vom 28. September 2015 ab.

In der Folge kam es zu umfangreichen Vergleichsverhandlungen, die jedoch nicht zu einem Ergebnis führten. Daraufhin klagte der Kläger die Ansprüche am 21. Januar 2016 bei Gericht ein. Der Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, die Ansprüche seien verfallen.

Ausschlussfrist wirksam?

Dagegen argumentierte der Kläger, der Beklagte könne sich nicht auf die Ausschlussfrist berufen, da die späte Klageeinreichung auf das Verhalten des Beklagtenvertreters zurückzuführen gewesen sei. Schließlich sei man in Vergleichsverhandlungen gewesen.

Im Übrigen sei die Ausschlussklausel des Arbeitsvertrages unwirksam, da sie Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz nicht ausnehme. Der gesetzliche Mindestlohn dürfe nicht beschränkt werden. Da der Beklagte den Arbeitsvertrag ausweislich des im Vertrag genannten Datums der am 08. Oktober 2014 geltenden Rechtslage unterwerfen wollte, sei die nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geltende Rechtslage maßgeblich.

Dieser Ansicht hat das Arbeitsgericht Nürnberg ausdrücklich widersprochen. Die Ansprüche seien verfallen, weil sie nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. Die Ausschlussfrist sei auch nicht aufgrund des Mindestlohngesetzes unwirksam.

Klage zu spät erhoben

Nachdem der Beklagte die Forderungen nach Urlaubsabgeltung und einem Zeugnis mit Schreiben vom 28. September 2015 abgelehnt habe, hätte die Klage spätestens am 28. Dezember 2015 eingehen müssen, die Klageerhebung im Januar sei daher zu spät gewesen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Parteien Vergleichsverhandlungen geführt hätten. Anders als bei der Verjährung würden Ausschlussfristen nicht durch Vergleichsverhandlungen gehemmt.

Es liege auch kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, weil die Vergleichsverhandlungen den Kläger nicht daran gehindert hätten, die Klage fristgerecht zu erheben.

Mindestlohn galt noch nicht

Die erkennende Kammer hielt die Ausschlussfrist auch nicht deshalb für unwirksam, weil sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehme. Der Vertrag sei am 27. Oktober 2013 geschlossen worden, weil der Kläger an diesem Tag den Vertrag unterschrieben habe.

Dagegen spreche nicht, dass die Unterschrift des Beklagten auf den 08. Oktober 2014 datiert sei. Das Gericht geht hier von einem Schreibfehler aus. Jedenfalls lasse sich der Datumsangabe nicht entnehmen, die Parteien wollten einen Vertrag mit der Rechtslage vom Oktober 2014 schließen.

Nur wenn dies so wäre, sei überhaupt denkbar, dass sich die Ausschlussklausel auch auf den Mindestlohn beziehe. Dann sei die Klausel unter Umständen unwirksam, soweit sie die Geltendmachung des Mindestlohnes beschränken oder ausschließen soll.

Da aber das Mindestlohngesetz erst am 16. August 2014 in Kraft getreten ist, könne sich die Klausel von vornherein nicht auf den Mindestlohn beziehen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 09. Februar 2017 – Az.: 11 Ca 340/16 gibt es hier im Volltext

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Das sagen wir dazu:

Zunächst das Offensichtliche: Da das gesetzliche Verbot, den Mindestlohn zu beschränken, erst nach Vereinbarung der Klausel in Kraft getreten ist, kann die Ausschlussfrist nicht deshalb unwirksam sein. Das wäre nur denkbar, wenn die Parteien sich über die Nichtausschließbarkeit des Mindestlohnes im Klaren gewesen wären, als sie die Klausel vereinbart haben.

Außerdem sieht das Mindestlohngesetz eine Unwirksamkeit nur vor, „insoweit“ der Mindestlohn eingeschränkt wird. Ob die Formulierung also tatsächlich zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel geführt hätte, steht auf einem anderen Blatt. Die eingeklagten Ansprüche ergaben sich jedenfalls nicht aus dem Mindestlohngesetz.

Deutlich wird durch den Fall einmal mehr, wie wichtig es ist, die Ausschlussfristen tatsächlich einzuhalten. Wenn man die Frist versäumt hat, so wie es hier dem Klägeranwalt passiert ist, helfen juristisch feinsinnige Überlegungen nur noch begrenzt weiter. 

Umso bedauerlicher ist dies, weil das Gericht im Urteil klar gemacht hat, dass dem Kläger die Ansprüche grundsätzlich zustehen.

Rechtliche Grundlagen

§ 3 Mindestlohngesetz (MiLoG)

§ 3 Mindestlohngesetz (MiLoG)
Unabdingbarkeit des Mindestlohns

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.