Die Rechtmäßigkeit der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen richte sich nicht nach dem TzBfG, sondern nach § 307 BGB. Copyright by magele-picture/fotolia
Die Rechtmäßigkeit der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen richte sich nicht nach dem TzBfG, sondern nach § 307 BGB. Copyright by magele-picture/fotolia

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit September 1994 als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Die Beklagte ist eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts.
Die Beklagte muss im Rahmen ihrer Tätigkeit an sogenannten Prokey-Arbeitsplätzen eingescannte Schreiben, die nicht elektronisch an den zuständigen Sachbereich verteilt wurden, manuell klassifizieren.

Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthält eine Bezugnahme-Klausel auf einen Manteltarifvertrag.

In diesem ist unter anderem geregelt:

§ 6  - Regelmäßige Arbeitszeit:

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich Pausenzeiten 38,5 Stunden

§ 6b  - Förderung von Teilzeitarbeit

Die Verringerung der Arbeitszeit ist gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich über den jeweiligen Fachbereich bei der Hauptabteilung Personal verbindlich zu beantragen.

Soweit einem Antrag auf Teilzeitarbeit stattgegeben wird, kann die Dauer der Teilzeitbeschäftigung befristet werden.

Die Beklagte bietet Beschäftigungen in Teilzeit mit 40%, 50% oder 74,67% der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit - 38,5 Stunden pro Woche - an.
Eine Stelle zu ¾ ist deshalb nicht auf 75 % festgelegt, um die Berechnung der täglichen Arbeitszeit (fünf Stunden und 45 Minuten entsprechen 74,67% von 38,5 Stunden) zu vereinfachen.

Klägerin ändert Arbeitszeit

Zunächst war die Klägerin in Vollzeit für die Beklagte tätig. Nach Schwangerschaft und Geburt ihres Kindes kehrte die Klägerin aus der Elternzeit zurück. Mit der Beklagten vereinbarte sie eine Arbeitszeit im Umfang von 50% der regelmäßigen Arbeitszeit.
Für den Zeitraum März 2012 bis Februar 2013 vereinbarte die Klägerin mit der Beklagten eine  Aufstockung der Arbeitszeit von 50% auf 74,67% einer Vollzeitstelle.

Im November 2012 sendete die Klägerin an die Beklagte eine E-Mail mit folgendem Inhalt:

„… da meine Arbeitszeit von 75%, täglich 5:45 Stunden, für mich und die Betreuung meiner Kinder optimal ist, bitte ich um Verlängerung der Laufzeit, da der jetzige Vertrag Ende Februar ausläuft.“

Die Parteien vereinbarten im Februar 2013 eine weitere Arbeitszeiterhöhung für die Zeit von März 2013 bis Dezember 2014 auf 74,67% der regelmäßigen Arbeitszeit

Beklagte behauptet Ende der Befristung

Im November wandte sich die Beklagte schriftlich an die Klägerin und teilte mit, dass die befristete Arbeitszeiterhöhung Ende Dezember 2014 enden würde. Im Schreiben bat die Beklagte die Klägerin, das Ende der Befristung mit ihrer Unterschrift zu bestätigen.
Die Klägerin unterzeichnete jedoch lediglich auf der von der Beklagten vorformulierten Unterschriftenleiste unter „Brief erhalten“

Klägerin wehrt sich

Die Klägerin wollte die Befristung nicht auf sich sitzen lassen. Sie zog vor Gericht und klagte auf Feststellung, dass die Befristung der Arbeitszeitvereinbarung nicht geendet habe.
Die letzte Befristung der Arbeitszeitvereinbarung stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) dar. Durch diese werde sie unangemessen benachteiligt.

Die Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, die Befristung sei rechtmäßig.
Die Befristungsabrede sei keine AGB, sondern die Antwort auf die E-Mail der Klägerin vom November 2012. Man habe lediglich dem Wunsch der Klägerin entsprochen.
Jedenfalls sei eine Inhaltskontrolle der AGB  - so denn eine solche überhaupt vorliege  - ausgeschlossen.
Die Rechtmäßiggkeit der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen richte sich nicht nach den Normen des TzBfG, sondern nach § 307 BGB.

Vorübergehender Bedarf ?

Eine unangemessene Benachteiligung liege im Übrigen auch deshalb nicht vor, da die Arbeitszeitaufstockung von 50% auf 74,67% keinen erheblichen Umfang habe. So sei die Aufstockung nur deshalb erfolgt, weil ein vorübergehender Bedarf bestanden habe. Es habe im Januar 2013 festgestanden, dass der einmalige Meldedatenabgleich, der Grundlage für die Tätigkeit der Klägerin war, mit dem Ende des Jahres 2014 abgeschlossen sein würde.

Klägerin in 3. Instanz

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab der Berufung der Klägerin statt. Hiergegen ging wiederum die Beklagte in Revision.
 
Das BAG schließt sich der Entscheidung des LAG an.
Nach Ansicht des BAG hält die vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung vom Februar 2013 einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Absatz 1 BGB nicht stand. Die Vereinbarung benachteiligt die Klägerin unangemessen.

Hintergrund: Arbeitnehmer sind Verbraucher

Zur Frage ob AGB-Recht überhaupt anwendbar ist, gelangt das BAG über den Begriff des „Verbrauchers“.
Arbeitsverträge sind - so die ständige Rechtsprechung des BAG - Verbraucherverträge.
Gemäß § 310 Absatz 3 Nr. 2 BGB ist § 307 BGB bei Verbraucherverträgen auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden, wenn die Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind.
Auch die weitere Voraussetzung war im vorliegenden Fall erfüllt: Die Klägerin konnte keinen Einfluss auf den Inhalt der Vereinbarung nehmen.

Ansatzpunkt des BAG

Für das BAG unbeachtlich ist der Aspekt, dass die Klägerin im November 2012 einen Antrag auf Verlängerung der lediglich befristeten Aufstockung gestellt hatte. Für das BAG folgt daraus nicht etwa, dass auch die Befristung der Arbeitszeiterhöhung dem Wunsch der Klägerin entsprach.

Gemäß § 307 Absatz 3 BGB unterliegen AGBs nur dann einer Inhaltskontrolle, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abgewichen wird oder diese ergänzt werden. Gleiches gilt für die Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung  - im Arbeitsrecht also die vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeit und das hierfür vom Arbeitgeber geschuldete Entgelt.
Aus § 310 Absatz 3 BGB folgt, dass Tarifverträge als Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Absatz 3 BGB gelten.
Gegenstand der AGB-Kontrolle ist nach Auffassung des BAG nicht die Vereinbarung der Arbeitszeit, sondern die vereinbarte zeitliche Einschränkung durch die Befristung.

Auch einen Vorrang des Tarifrechts sieht das BAG nicht.
Zwar kann tarifvertraglich die Vereinbarung von Teilzeitarbeit befristet vereinbart werden, gemäß § 6b des eingangs zitierten Tarifvertrages. Nach Auffassung des BAG findet die Vorschrift aber nur bei Verringerungen, nicht aber bei Erhöhungen des Arbeitszeit Anwendung.

Dies folgt nach Meinung des BAG aus dem Zusammenhang der Regelung. Die Tarifnorm soll Arbeitnehmern ergänzend zu § 8 Absatz 5 TzBfG die Möglichkeit geben, nach einer befristeten Arbeitszeitverringerung wieder in eine Vollzeitstelle zurückzukehren.

Befristung nicht gerechtfertigt.

Das BAG bewertet die Befristungsvereinbarung anhand der Kriterien des § 14 Absatz 1 TzBfG.
Die gesetzlichen Gründe für eine Sachgrund-Befristung sind quasi in die AGB-Kontrolle hineinzulesen.
Wenn der Befristung ein Sachverhalt zugrunde liegt, welcher die Befristung eines Arbeitsvertrages insgesamt wegen eines Sachgrundes gemäß § 14 TzBfG rechtfertigen würde, überwiegt regelmäßig das Interesse des Arbeitgebers an einer lediglich befristeten Arbeitsbedingung.

Keine besonderen betrieblichen Belange

Nach der Rechtsprechung des BAG muss für eine nicht unangemessene Benachteiligung wegen der Befristung ein Sachgrund gemäß § 14 Absatz 1 TzBfG vorliegen, wenn die Aufstockung der Arbeitszeit erheblichen Umfang hat. Nach Auffassung des BAG ist die Klägerin umso schützenswerter, desto größer  - aus Sicht einer zeitlich unbegrenzten Teilzeitbeschäftigung  - der Umfang der vorübergehenden Aufstockung ist. Hat die Aufstockung einen erheblichen Umfang, gibt es keinen Unterschied zu einem zusätzlich befristeten Arbeitsvertrag  - dieser würde dann unmittelbar unter § 14 TzBfG fallen.
Das BAG bejaht eine umfangreiche Aufstockung.
Das Volumen der Aufstockung der Klägerin beträgt vorliegend rund 25 % einer Vollzeitstelle. Auch das konkret in Stunden ausgedrückte Mindestmaß von 10 Arbeitsstunden wöchentlich wird durch die Vereinbarung erreicht.

Kein nur vorrübergehender Bedarf

Maßgeblich ist somit letztlich, ob ein Sachgrund für die Befristung der zusätzlichen rund 25 % Arbeitsstunden pro Woche vorliegt.
Nach Vortrag der Beklagten besteht nur ein vorrübergehender Bedarf am derzeitigen Arbeitsvolumen der Klägerin.
Eine derartige Befristung gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, nach dem hier vorgesehen Ende der befristeten Aufstockung kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht.

Nach Ansicht des BAG ist die Beklagte ihrer Beweislast hierfür im Prozess nicht nachgekommen.
Die Klägerin wurde mit Daueraufgaben beschäftigt. Einen hinreichenden Nachweis, dass der Wegfall des Aufgabengebiets der Klägerin zum Zeitpunkt der Befristung vorlag, blieb die Beklagte schuldig.
Daher ist die Aufstockung der Arbeitszeit unbefristet zwischen der Klägerin und der Beklagten vereinbart.

Einmal mehr gilt: Befristen will gelernt sein.
Die nur befristete Aufstockung der Arbeitszeit benachteiligt die Klägerin unangemessen. Die Beklagte hat der Klägerin sozusagen eine Befristung der Aufstockung „untergejubelt“.
Da die zusätzlichen rund 25 % Arbeitszeit sind mehr als das übliche Mindestmaß einer Arbeitsstelle von 10 Stunden pro Woche. Die Beklagte hätte ebenso eine weitere befristete Teilzeitstelle besetzen können. Hier wäre dann ein Befristungsgrund notwendig, aber nicht vorhanden gewesen.
Das BAG tat gut daran, die Trickserei der Beklagten nicht zu unterstützen.
 
______________________________________________________________________
 
Hier geht es zur vollständigen Entscheidung des BAG vom 25.04.2018: