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Kategorie | N

Nachteilsausgleich


     

Was ist das?

 

Arbeitnehmer haben nach § 113 BetrVG Anspruch auf einen Nachteilsausgleich, wenn der Unternehmer

  • von einem mit dem Betriebsrat vereinbarten ? Interessenausgleich »ohne zwingenden Grund« abweicht oder
  • es unterlassen hat, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich »zu versuchen«  

 

 

Hinweis:

 

Der Interessenausgleich selbst entfaltet keine normative Wirkung für die Arbeitsverhältnisse (BAG v. 14.11.2006 - 1 AZR 40/06, NZA 2007, 339) und begründet deshalb - im Gegensatz zum Sozialplan - nach h.M. keine vom einzelnen Arbeitnehmer einklagbaren Rechte (siehe Interessenausgleich).

Etwas anderes gilt, wenn der Interessenausgleich Bestimmungen enthält, die nach ihrem Inhalt und Rechtscharakter eine Sozialplanregelung darstellen, weil sie nicht das »Ob«, »Wann« und »Wie« der Betriebsänderung regeln (siehe Interessenausgleich), sondern den Ausgleich und die Abmilderung der den Arbeitnehmern hierdurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. In diesem Falle können sich hieraus Ansprüche der Arbeitnehmer ergeben (BAG v. 14.11.2006 - 1 AZR 40/06, a.a.O.).

Abweichung von einem Interessenausgleich (§ 113 Abs. 1 und 2 BetrVG)

  

Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich »ohne zwingenden Grund« ab, steht den hiervon betroffenen Arbeitnehmern ein Anspruch auf »Nachteilsausgleich« zu (§ 113 BetrVG).

Im Einzelnen gilt Folgendes:

  • Arbeitnehmer, die infolge der Abweichung entlassen werden, erwerben einen einklagbaren Anspruch auf Zahlung einer Abfindung. Die Bemessung der Abfindungshöhe erfolgt gemäß § 113 Abs. 1 Halbs. 2 BetrVG i.V.?m. § 10 KSchG unter Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit. Bei der Ermessensentscheidung sind die Arbeitsmarktchancen der betroffenen Arbeitnehmer und das Ausmaß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Unternehmers zu beachten (BAG v. 18.10.2011 - 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221). Der Sanktionscharakter der Abfindung führt dazu, dass der Abfindungsanspruch nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit oder individuellen Leistungsbereitschaft des Arbeitgebers abhängt (BAG v. 18.10.2011 - 1 AZR 335/10, a.a.O.; 20.11.?2001 - 1 AZR 97/01, AiB 2002, 633 = NZA 2002, 992).
  • Erleiden Arbeitnehmer infolge der Abweichung vom Interessenausgleich einen sonstigen wirtschaftlichen Nachteil (z.B. Versetzung auf einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz), so hat der Unternehmer den Nachteil bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen (§ 113 Abs. 2 BetrVG; z.B. Weiterzahlung des Verdienstes in der bisherigen Höhe). Von der Vorschrift erfasst sind nach Ansicht des BAG nur solche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis von der Betriebsänderung unmittelbar nachteilig betroffen ist (BAG v. 22.01.2013 - 1 AZR 873/11, EzA § 113 BetrVG 2001 Nr. 9). Der Anspruch auf Nachteilsausgleich setze eine Abweichung vom Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung voraus. Dies betreffe nur die im Interessenausgleich bezeichneten Arbeitsverhältnisse, die nach der Vorstellung der Betriebsparteien von der unternehmerischen Maßnahme nachteilig betroffen sein können.

 

Liegt ein »zwingender Grund« (= nur eine extreme Situation, die dem Arbeitgeber praktisch keine andere Wahl lässt) für eine Abweichung vom Interessenausgleich vor, dann besteht zwar kein Anspruch auf Nachteilsausgleich. Jedoch sind die Betroffenen in den möglicherweise bereits abgeschlossenen  Sozialplan einzubeziehen.

Ggf. ist ein (neuer) Sozialplan aufzustellen.

Nicht versuchter Interessenausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG)

 

Anspruch auf Abfindung und Ausgleich sonstiger Nachteile besteht nach § 113 Abs. 3 BetrVG auch dann, wenn der Unternehmer die Betriebsänderung vornimmt, ohne mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich »versucht« zu haben und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.

  

Der Anspruch aus § 113 Abs. 3 BetrVG dient vornehmlich der Sicherung des sich aus § 111 Satz 1 BetrVG ergebenden Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats und schützt dabei mittelbar die Interessen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer. Er entsteht, sobald der Unternehmer mit der Ausführung der Betriebsänderung begonnen hat, ohne bis dahin einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben (BAG v. 14.04.2015 - 1 AZR 223/14). Der Unternehmer beginnt mit der Ausführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbare Maßnahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Das ist etwa dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt (vgl. BAG v. 14.04.2015 - 1 AZR 223/14; 23.09.2003 - 1 AZR 576/02).

 

»Versucht« ist ein Interessenausgleich nur, wenn es zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu Verhandlungen gekommen ist und im Falle des Scheiterns die  Einigungsstelle angerufen wurde (BAG v. 18.12.1984 - 1 AZR 176/82; wobei die Einigungsstelle allerdings keine verbindliche Entscheidung treffen kann; siehe  Interessenausgleich).

 

Beispiel für eine Geltendmachung eines Nachteilsausgleichs nach § 113 Abs. 3 BetrVG:

 

An Firma …

Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben mit Wirkung zum … den Betrieb …/die Abteilung … stillgelegt, ohne mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich versucht zu haben. Aufgrund der Stilllegung bin ich entlassen worden.

Ich fordere Sie gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG in Verbindung mit § 10 KSchG auf, mir eine Abfindung in Höhe von … Monatsverdiensten, also einen Abfindungsbetrag von … Euro zu zahlen.

Ich bitte Sie, mir Ihre Zahlungsbereitschaft bis zum … zu bestätigen.

Nach ergebnislosem Ablauf der Frist werde ich Zahlungsklage erheben.

Mit freundlichem Gruß

(Unterschrift des/der Arbeitnehmer/in)

Durchschrift an den Betriebsrat zur Kenntnisnahme

 

Beachten:

 

Der Anspruch auf Nachteilsausgleich muss innerhalb etwaig für das Arbeitsverhältnis geltender vertraglicher oder tariflicher Ausschlussfristen/Verfallfristen geltend gemacht und ggf. eingeklagt werden (BAG v. 21.10.1997 - 1 AZR 138/97; vgl. auch Fitting, BetrVG, 28. Aufl., § 113). Ob eine verspätete Geltendmachung zu einem Verlust des Anspruchs auf Nachteilsausgleich führt, hängt von der Reichweite der jeweiligen Ausschlussfristenregelung bzw. ihrer Wirksamkeit ab. Beginnt eine tarifliche Ausschlussfrist mit der Fälligkeit des Anspruches, wird ein Anspruch auf Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG auch dann mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, wenn über die Kündigung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, noch ein Kündigungsschutzprozess anhängig ist (BAG v. 03.08.1982 - 1 AZR 77/81). Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage kann die Fälligkeit eines Anspruchs auf Nachteilsausgleich nicht hinausschieben (BAG v. 24.01.1996 - 1 AZR 591/95).

 

Quelle: Betriebsratspraxis von A bis Z (Christian Schoof); Nachteilsausgleich - Was ist das?

Betriebsratspraxis von A bis Z ist Bestandteil des Online-Moduls »Betriebsratswissen online«.

 

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