Arbeitsgericht Hameln, Urteil vom 14. Mai 2025 – 3 Ca 439/24
Eine Änderungskündigung darf nicht zur Umgehung von Tarifverträgen führen. Das Arbeitsgericht Hameln hat entschieden, dass Arbeitgeber die Tarifbindung nicht durch ein neues Vertragsangebot aushebeln dürfen.

Der Kläger arbeitet seit 2011 im Betrieb, seit 2017 als stellvertretender Abteilungsleiter mit einem Bruttogehalt von 5.571 Euro. Sein Arbeitsvertrag verweist auf die Tarifverträge der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in der jeweils geltenden Fassung.
Bereits 2024 hatte das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers bestätigt, dass diese sogenannte dynamische Tarifbindung wirksam ist und sich die Gehaltsentwicklung an die jeweiligen Tariferhöhungen koppelt. Doch einen Tag vor Verkündung des Urteils sprach der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus. Er bot dem Beschäftigten eine neue Stelle als „ZIB-Manager“ an einem anderen Standort und zu einer deutlich geringeren Vergütung von 4.222 Euro brutto an.
Der Arbeitgeber argumentierte später, das Angebot entspreche der Entgeltgruppe 10, Stufe 1. Dabei legte er jedoch einen veralteten Tarifvertrag mit niedrigeren Werten zugrunde. Nach dem damals gültigen Tarifvertrag hätte das Entgelt mindestens 4.518 Euro betragen müssen, später sogar 4.586 Euro. Damit lag das Angebot unterhalb jeder zulässigen Tarifvergütung.
Unverhältnismäßig und intransparent
Das Arbeitsgericht stellte fest: Eine Änderungskündigung darf sich nur so weit vom bisherigen Vertrag entfernen, wie es zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. Dieses Prinzip der Verhältnismäßigkeit hatte der Arbeitgeber gleich mehrfach verletzt. Zum einen lag das neue Gehaltsangebot unter dem entsprechenden Tariflohn. Zum anderen enthielt das Kündigungsschreiben keinerlei Angabe zur Entgeltgruppe. Stattdessen sollte ein pauschales „Festgehalt“ gezahlt werden. Damit wäre die Kopplung an die Tarifentwicklung faktisch beendet worden.
Das Gericht sah zudem keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund. Wenn organisatorische Änderungen eine neue Position oder einen Ortswechsel rechtfertigten, könne dies zwar möglicherweise eine geringerwertige Beschäftigung, nicht aber die Beendigung einer vertraglich vereinbarten Tarifdynamik begründen.
Wichtiges Signal für die Tarifbindung
Das Arbeitsgericht erklärte damit die Änderungskündigung für unwirksam. Arbeitgeber dürfen weder über Änderungskündigungen noch über Festgehälter versuchen, tarifvertragliche Verpflichtungen zu umgehen. Wer sich auf Tarifverträge beruft, muss diese aktuell, transparent und vollständig anwenden.
Der Fall zeigt: Die Tarifbindung genießt einen besonderen Schutz. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, wie weit Änderungen eines Arbeitsvertrags reichen dürfen. Mit Unterstützung des DGB Rechtsschutz konnte der Kläger seine tariflichen Ansprüche sichern und ein klares Zeichen für die Bedeutung der Tarifautonomie setzen.