Finanzgerichtsbarkeit startet „Angriff“ auf ehrenamtliche Richter*innen
Finanzgerichtsbarkeit startet „Angriff“ auf ehrenamtliche Richter*innen

Nach Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg müssen Richter*ìnnen im Ehrenamt ihre Entschädigungszahlungen versteuern, die sie nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) erhalten.

Ehrenamtliche Richtertätigkeit ist selbständige Arbeit

Denn, so die drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richter*innen des Zwölften Senats, bei der ehrenamtlichen Tätigkeit handele es sich um eine selbständige Arbeit. Sie sei daher steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung für Entschädigungen habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Steuerbefreiung gebe es nur für Aufwandsentschädigungen.
 
Für das Streitjahr 2010 hat der ehrenamtliche Richter für seine Tätigkeit, Entschädigungszahlungen für Zeitversäumnis von 5 Euro je Stunde sowie Verdienstausfall von maximal 39 Euro je Stunde erhalten.

Das Finanzamt behandelte diese Einkünfte des in einem Angestelltenverhältnis stehenden Mannes als steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamtes und bestätigte dessen Entscheidung, wonach es sich bei den Entschädigungen um steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit handelt; mit Ausnahme der Reisekosten.

Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung

Zur Begründung führte das baden-württembergische Finanzgericht aus, dass die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Richters eine höchstpersönliche sei, ohne feste Bezüge und Weisungsgebundenheit. Der ehrenamtliche Richter schulde stets einen Arbeitserfolg im Rahmen der Mitwirkung an einer Entscheidung. Überdies existiere auch keine vereinbarte Arbeitszeit.
Dass es sich um ein Ehrenamt handelt hielt der Zwölfte Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg für unbeachtlich. Denn es gebe keine Norm, die Entschädigungen für ein Ehrenamt von der Besteuerung ausnehme. Steuerfrei seien lediglich Aufwandsentschädigungen. Dieser Begriff aber komme im Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz nicht vor. Lediglich die Reisekosten unterlägen nicht der Steuer, da diese als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzusehen seien.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht die Revision zugelassen. Der Rechtsstreit ist auch bereits beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Anmerkung:

Es mutet schon befremdlich an, wenn die Steuerfreiheit der Entschädigungen, die ehrenamtliche Richter*innen im Rahmen ihrer Tätigkeit erhalten, letztendlich daran scheitern soll, dass der Gesetzgeber die als Aufwandsentschädigungen zu bewertenden Zahlungen für Zeitversäumnis von derzeit sechs EURO je Stunde, nicht als Aufwandsentschädigung, sondern als Entschädigung in § 16 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes bezeichnet.

Sollte der Bundesfinanzhof im Rahmen der dort derzeit anhängigen Revision der Rechtsansicht der baden-württembergischen Finanzrichter folgen, so darf es nicht verwundern, wenn die Bereitschaft ehrenamtliche Richtertätigkeiten zu versehen, sinken wird.

Es ist zu hoffen, dass der Bundesfinanzhof, der - aus der Sicht des Autors - „verqueren“ Rechtsauffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg nicht folgen und Entschädigungen für die ehrenamtliche Richtertätigkeiten als das anerkennen wird, was diese tatsächlich sind, nämlich Aufwandsentschädigungen. Sollte dies jedoch nicht der Fall ein, so ist der Gesetzgeber angehalten die §§ 15 ff des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes dahingehend zu ändern, in dem aus der Entschädigung eine Aufwandsentschädigung wird.

 

Pressemitteilung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 11.05.2016