Ein Betriebsratsmitglied kann wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Copyright by Robert Kneschke/fotolia.
Ein Betriebsratsmitglied kann wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Copyright by Robert Kneschke/fotolia.

Der Betriebsrat eines Unternehmens hatte beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines seiner Mitglieder beantragt. Das Betriebsratsmitglied hatte über einen Zeitraum von fast zwei Jahren bei fast allen Betriebsratssitzungen unentschuldigt gefehlt.
 

Zwei Jahre lang Betriebsratssitzungen geschwänzt

Zu seiner Entschuldigung gab er an, er hätte sonst finanzielle Nachteile wegen der Nichteinteilung zu Schichten wegen der Betriebsratstätigkeit gehabt, außerdem seien die Sitzungstermine des Betriebsrats und die jeweilige Tagesordnung zu spät festgelegt worden.
 
Ebenso wie das Arbeitsgericht sah auch das Landesarbeitsgericht München die Entschuldigungsgründe als nicht ausreichend an. Das Betriebsratsmitglied hätte nicht konkret aufzeigen können, welche finanziellen Nachteile ihm entstanden seien. Außerdem hätten die Betriebsratssitzungen regelmäßig am gleichen Wochentag um dieselbe Uhrzeit stattgefunden, so dass sich das Betriebsratsmitglied als frühzeitig darauf einstellen konnte.
 
Das regelmäßige Fernbleiben von den Sitzungen würde die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats ernstlich bedrohen. Weil das Betriebsratsmitglied unentschuldigt gefehlt habe, könnte auch häufig kein Ersatzmitglied geladen werden. Dies könnte wiederum die Beschlussunfähigkeit des Betriebsrats oder ein fehlerhaftes Abstimmungsergebnis zur Folge haben.
 

Wann kann ein Betriebsratsmitglied ausgeschlossen werden?

Ein Antrag auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds kommt häufiger vor als man denkt. Einen solchen Antrag können nach dem Betriebsverfassungsgesetz der Betriebsrat, der Arbeitgeber,  eine im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer stellen.
 
Allerdings muss eine „grobe Verletzung“ seiner gesetzlichen Pflichten „vorliegen“. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu festgestellt, dass eine grobe Pflichtverletzung nur dann vorliegt, wenn sie erheblich ist, das heißt ein solches Gewicht hat, dass sie das Vertrauen in eine künftige ordnungsgemäße Amtsführung zerstört oder zumindest schwer erschüttert (BAG Urteil vom 22.06.1993  - ABR 62/ 92).
 

Ausschluss nur bei grober Pflichtverletzung

Da näheres im Gesetz nicht geregelt ist, wird  anhand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte definiert, was als grobe Pflichtverletzung gilt. Danach kommt als grobe Pflichtverletzung in Betracht:
 

  • Verletzung der Schweigepflicht, wenn das wiederholt geschehen ist oder schwerwiegende Folgen hat
  • Weitergabe von Gehaltslisten an außerbetriebliche Stellen
  • Handgreiflichkeiten gegenüber anderen Betriebsratsmitgliedern in der Betriebsratssitzung
  • Aufruf zu einem wilden Streik
  • parteipolitische Betätigung im Betrieb

Allerdings steht hier dem Betriebsratsmitglied auch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung  zu, so dass ein Ausschluss aus dem Betriebsrat nur zu vertreten ist, wenn die parteipolitische Betätigung eine schwere Störung des Betriebsfriedens zur Folge hat (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28.04.1976 -1 BvR 71/73 ).
 

  • Untätigkeit des Betriebsratsmitglieds, wenn es, wie in dem vom LAG München entschiedenen Fall, ständig an Betriebsratssitzungen oder Abstimmungen im Betriebsrat nicht teilnimmt, ohne dafür eine ausreichende Entschuldigung zu haben.

 

Kritik des BR durchaus erlaubt

Es gibt aber auch Verhaltensweisen von Betriebsratsmitgliedern, die besonders Arbeitgeber beanstanden, die aber keine grobe Pflichtverletzung darstellen. Dazu gehört die Kritik an der Geschäftsführung des Arbeitgebers, die nur dann als grobe Pflichtverletzung angesehen werden kann, wenn es sich um eine grobe Beleidung oder Diffamierung handelt.
 
Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde festgestellt, dass K:„nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss“:K. Auch eine überspitzte Kritik sei durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt (BVerfG, Beschluss vom 28.07.2014  - 1 BVR 482/13).
 
Auch wenn ein Betriebsratsmitglied Informationen weitergibt, muss unterschieden werden: nicht alles, was in einer Betriebsratssitzung besprochen oder vom Arbeitgeber mitgeteilt wird, fällt unter die Schweigepflicht. Das Bundesarbeitsgericht hat schon vor längerer Zeit festgestellt, dass der Betriebsrat kein Geheimrat sei und für seine Arbeit die Kommunikation mit der Belegschaft wichtig und entscheidend sei (BAG, Urteil vom 05.09.1967  - 1 ABR 1/ 67)).
 

Betriebsrat hat nur ausnahmsweise Schweigepflicht

Eine absolute Schweigepflicht wird man nur dann annehmen können, wenn das Betriebsverfassungsgesetz das ausdrücklich vorschreibt. Das ist dann der Fall, wenn:
 

  • das Betriebsratsmitglied an einer Verhandlung zwischen einem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber teilnimmt, in dem es um Beurteilung der Leistungen und Zusammensetzung des Lohnes geht,
  • das Betriebsratsmitglied Kenntnisse über den Inhalt von Personalakten hat
  • Informationen, die das Betriebsratsmitglied bei der Beteiligung an personellen Einzelmaßnahmen erhält (Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung)
  • Informationen, die das Betriebsratsmitglied bei Anhörung zu einer Kündigung erhält
  • Der Arbeitgeber dem Betriebsrat vom Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse mitteilt, die der Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat.

Alles andere hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Auffassung der Gerichte, was als geheimhaltungsbedürftig anzusehen ist, jeweils vom Standpunkt des Gerichts, das zu entscheiden hat, abhängt - wie überhaupt die Frage, welches Verhalten als grob pflichtwidriges Verhalten bezeichnet werden kann.
 
Ist eine Abmahnung des Betriebsratsmitglieds notwendig?
 
Eine Abmahnung ist überwiegender Meinung der Arbeitsgerichte nicht notwendig, da es eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung nicht gibt.
 
Dagegen spricht, dass ein bestimmtes Verhalten des Betriebsratsmitglieds gerügt wird, so dass ihm auch Gelegenheit gegeben werden muss, dieses zu ändern, bevor es aus dem Betriebsrat ausgeschlossen wird.
 
In der Praxis wird man sich jedoch darauf einstellen müssen, dass die überwiegende Rechtsprechung solch einer Abmahnung nicht für erforderlich hält.
 
Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des LAG München vom 14.12.2017  - 2 TaBV 109/17.

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Rechtliche Grundlagen

§ 23 Abs. 1 BetrVG

Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.