Setzt ein Tarifvertrag für alle Arbeitnehmer einen einheitlichen Erhöhungsbetrag auch bei unterschiedlicher Wertigkeit der Arbeit fest, so spricht dies trotzdem nicht zwingend für die Annahme einer tariflichen Sondervergütung statt einer pauschalierten Entgelterhöhung.

Die Parteien streiten über einen tariflichen Einmalbetrag. Der Kläger ist bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Textil- und Bekleidungsindustrie Anwendung.

In der Tarifrunde 2008 wurden durch Einkommenstarifvertrag die Gehälter ab 1. Juni 2008 erhöht. Daneben wurde ein Tarifvertrag zur Förderung der Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (im Folgenden: TV 2008) abgeschlossen.

Dessen § 3 lautet u.a.:
"1. Die Beschäftigten erhalten einen Einmalbetrag in Höhe von 200 Euro. Auszubildende erhalten den Einmalbetrag in Höhe von 100 Euro. Beginnt oder endet das Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis in der Zeit vom 1. April 2008 bis 31. Mai 2008, ..., so besteht der Anspruch ab bzw. bis zum Anfang bzw. Ende dieses Zeitraums zeitanteilig.

2. Teilzeitbeschäftigte haben einen Anspruch im Verhältnis ihrer vertraglichen Arbeitszeit zur tariflichen Arbeitszeit.
…"

Der Einmalbetrag sollte mit der Vergütung des Monats April 2008 ausgezahlt werden.
Der Kläger bezog seit März 2008 Krankengeld. Die Beklagte zahlte ihm daher den Einmalbetrag nicht. Der Kläger meint, ihm stehe der Einmalbetrag als tarifliche Sondervergütung zu. Denn diese sei unabhängig davon zu gewähren, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Fälligkeit Arbeitsentgelt schulde. Die Beklagte meint bei der tariflichen Einmalzahlung handele es sich um eine pauschalierte Entgelterhöhung.

Der Kläger ist auch vor dem BAG gescheitert.

Bei dem Einmalbetrag handelt es sich um eine pauschale Erhöhung des Arbeitsentgelts für April und Mai 2008 und nicht um eine Sonderzahlung. Dem Kläger stand aber im April und Mai 2008 kein Arbeitsentgelt zu, denn sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestand nur bis zum Ablauf von sechs Wochen (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG).

Zwar lässt der Wortlaut der Tarifnorm keinen Rückschluss auf den Charakter der Leistung zu. Allerdings belegt der tarifliche Gesamtzusammenhang den Zweck einer pauschalierten Entgelterhöhung für April und Mai 2008.

Das Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises auf den Zusammenhang mit der zeitlich anschließenden linearen Entgelterhöhung ist dabei unerheblich. Aus § 3 Nr. 1 Unterabs. 2 sowie § 3 Nr. 2 TV 2008 folgt, dass mit der Leistung die im April und Mai 2008 geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden soll.

Die Regelung des Einmalbetrags innerhalb des TV 2008 anstatt der sonst übliche Regelung in Einkommenstarifverträgen steht der Charakterisierung als pauschale Entgelterhöhung nicht entgegen.

Auch widerspricht die Festsetzung eines einheitlichen Betrags für alle Arbeitnehmer ungeachtet der individuellen Lohn- oder Gehaltsgruppe nicht dem gegenleistungsbezogenen Vergütungscharakter des Einmalbetrags. Die Bewertung der Angemessenheit einer Entgelterhöhung auch im Hinblick auf die Entgeltdifferenzierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen ist grundsätzlich den Tarifvertragsparteien vorbehalten. Der Tarifvertrag darf deshalb einen für alle Arbeitnehmer einheitlichen Erhöhungsbetrag auch bei unterschiedlicher Wertigkeit der Arbeit festsetzen.

Die Regelung in § 3 Nr. 3 TV 2008, wonach der Einmalbetrag bei der Bemessung sonstiger Leistungen nicht berücksichtigt wird, bestätigt dessen Entgeltcharakter, weil es andernfalls keiner Herausnahme bei der Bemessung sonstiger Entgeltleistungen bedurft hätte.

Auswirkungen für die Praxis:

Der Kläger hat in allen drei Instanzen verloren. Das zeigt, wie eindeutig die Gerichte die von den Tarifvertragsparteien gewählte Formulierung bewertet haben. Tatsächlich werden Einmalzahlungen häufig in Lohn- und Gehaltsverhandlungen vereinbart, um Zeiträume vor dem neuen Tarifabschluss auszugleichen, aber auch um die Abstände zwischen den niedrigeren und den höheren Tarifgruppen nicht immer größer werden zu lassen. Für die niedrigeren Entgeltgruppen wirken sich Einmalzahlungen prozentual stärker aus, als für höhere. Für den Arbeitgeber erübrigt sich dagegen eine aufwendige Nachberechnung des Lohns für vergangene Zeiträume, zudem nimmt die Einmalzahlung nicht an künftigen Lohnerhöhungen teil. Die Tarifvertragsparteien haben sich im vorliegenden Fall an diese stets geübte Praxis gehalten. Diese Praxis führt aber tatsächlich dazu, dass die Einmalzahlung als Arbeitsentgeltbestandteil eben nur dann besteht, wenn auch der Anspruch auf Arbeitsentgelt als solcher besteht. Man kann daher auf die Idee kommen und versuchen, wie der Kläger zu argumentieren, dass es sich um eine Sonderzahlung handelt. Tarifverträge sind zwar Verträge, so dass es darauf ankommt, was die Tarifvertragsparteien gewollt haben, als sie den Vertrag abgeschlossen haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind sie aber trotzdem wie Gesetze auszulegen, so dass es darauf ankommt, was die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag wirklich formuliert haben. Alle Gerichte haben hierzu festgestellt, dass der Begriff Sonderzahlung allein nichts über den Charakter der Zahlung aussagt, aus welchem Anlass sie gezahlt wird. Anzeichen, dass sie wie ein 13. Monatseinkommen allein die betriebstreue honorieren soll, waren aber nicht vorhanden, so dass die Gerichte zu Recht vom reinen Entgeltcharakter der Zahlung ausgingen.