Verdachtskündigung - Berufsausbildungsverhältnis - (Bildquellenangabe: Thomas Kölsch  / pixelio.de)
Verdachtskündigung - Berufsausbildungsverhältnis - (Bildquellenangabe: Thomas Kölsch / pixelio.de)

Ein Berufsausbildungsverhältnis kann nach der Probezeit nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund setzt dabei voraus, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann. 

Ausbildungsverhältnisse erfahren so einen besonderen Schutz gegenüber normalen Arbeitsverhältnissen.

Verdachtskündigung eigenständiger Kündigungsgrund

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund für eine Kündigung bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Beschäftigte habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Nach der Rechtsprechung wird eine Verdachtskündigung bei einem Berufsausbildungsverhältnis nur dann für zulässig erachtet, wenn der besondere Charakter des Ausbildungsverhältnisses eine vertiefte Vertrauensbasis zwischen den Vertragspartnern erfordert. Diese Voraussetzungen wurden bei dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Sachverhalt als erfüllt angesehen.

Kläger war Auszubildender zum Beruf des Bankkaufmanns 

Der Sachverhalt: Der 1989 geborene Kläger war bei der beklagten Bank seit August 2010 als Auszubildender zum Bankkaufmann beschäftigt. Im Februar und März 2011 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig und besuchte an diesen Tagen eine Spielhalle, wo er mehrere EC-Cash-Zahlungen vornahm und dabei sein Konto überzog. Im Juni 2011 wurde der Kläger in einer Filiale der Bank zur Unterstützung angefordert, wo er die Nachttresor-Kassetten alleine geöffnet und das darin befindliche Geld mittels Zählmaschine gezählt hatte. Durch die Zentralbank wurde für diesen Tag ein Kassenfehlbestand in Höhe von 500 EUR festgestellt. Diesen Fehlbestand konnte der Kläger in der folgenden Anhörung nicht erklären. Zudem gab er an, spielsüchtig zu sein. Die Volksbank kündigte sodann fristlos, hilfsweise unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist wegen des dringenden Verdachts, der Kläger habe Geld entwendet.

Die Kündigungsschutzklage war erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Trier erfolglos.

Wirksamkeit der Verdachtskündigung wird in der Berufung bestätigt

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) wies die Berufung des Klägers zurück. Es bestätigte die Wirksamkeit der Verdachtskündigung. Dabei ließ es das LAG offen, ob eine Verdachtskündigung grundsätzlich oder nur ausnahmsweise auch in einem Berufsausbildungsverhältnis zulässig ist. Denn ein mögliches Vermögensdelikt eines Auszubildenden zum Bankkaufmann rechtfertige es, eine Verdachtskündigung als zulässig zu betrachten. Dabei stellte das LAG auf den besonderen Charakter des Ausbildungsverhältnisses ab, welches eine vertiefte Vertrauensbasis zwischen den Vertragspartnern erfordere. Selbst wenn man von einer nur eingeschränkten Zulässigkeit einer Verdachtskündigung im Berufsausbildungsverhältnis ausgehe, sei gerade beim Ausbildungsverhältnis der Parteien eine Verdachtskündigung zulässig.

Verdacht der Entwendung von Geld hat Ausbildungsverhältnis beendet 

Auch die folgende Revision vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Der sechste Senat bestätigte, dass die Verdachtskündigung das Ausbildungsverhältnis beendet hat. Fehler des LAG in der Berufung vermochte das BAG nicht zu sehen. Das LAG habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Umstände des Falles gewürdigt und insbesondere die Anhörung des Klägers zu Recht als fehlerfrei angesehen. Es habe weder einer vorherigen Bekanntgabe des Gesprächsthemas noch eines Hinweises bezüglich der möglichen Kontaktierung einer Vertrauensperson bedurft. Auch Datenschutzrecht stünde der Beweiserhebung und -verwertung nicht entgegen. 

Wie die Vorinstanzen gab auch das BAG dem Kläger nicht darin Recht, dass eine Verdachtskündigung generell ein Ausbildungsverhältnis nicht beenden könne. Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden könne einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht.

Anmerkung der Redaktion:

Das Bundesarbeitsgericht hat eine grundsätzliche Entscheidung zur generellen Zulässigkeit einer Verdachtskündigung in Ausbildungsverhältnissen getroffen. Dies obwohl es auf die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnissen und das Maß des nötigen Vertrauens abstellt. Die Frage der Zulässigkeit war in Rechtsprechung und Literatur umstritten.     

Wir bedauern diese Entscheidung. Die Verdachtskündigung birgt in sich das hohe Risiko, einem unschuldigen Beschäftigten die Lebensgrundlage zu entziehen. Wir halten es für nicht hinnehmbar, dass die Unschuldsvermutung in einem so elementaren Lebensbereich wie dem Arbeitsverhältnis nicht gelten soll. Wir sprechen uns grundsätzlich für die Abschaffung der Verdachtskündigung aus und halten es für sehr bedenklich, wenn der Kündigungsgrund des reinen Verdachts einer strafbaren Handlung selbst im Bereich des besonders geschützten Ausbildungsverhältnisses zulässig sein soll. 

Das vollständige Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.02.2015 kann hier nachgelesen werden.


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