„Weniger Brutto = mehr Netto“- 
Finger weg von Änderung des Arbeitsvertrages zur „Nettolohnoptimierung“
„Weniger Brutto = mehr Netto“- Finger weg von Änderung des Arbeitsvertrages zur „Nettolohnoptimierung“

n seinem Urteil vom 10.05.2016 kam der 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass sich eine arbeitsvertraglich vereinbarte Verringerung des Barlohns unter im Gegenzug gewährter lohnsteuerfreier oder pauschal besteuerter weiterer Leistungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auswirkt. 

Bruttolohn abgesenkt. Als Ausgleich gibt es Sachleistungen, Rabatte und Beihilfen

Mit dieser Entscheidung folgte das Landessozialgericht nicht der Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung, die die Änderung von Arbeitsverträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung für unbeachtlich gehalten und eine Beitragsnachforderung festgesetzt hatte. 

Die von der Deutschen Rentenversicherung geforderte Nachforderung wurde vom Landessozialgericht in großen Teilen aufgehoben. Die Änderung der Arbeitsverträge schlägt auch auf das Beitragsrecht durch.

Mit seinen Arbeitnehmer*innen vereinbarte der Betreiber eines Gartencenters schriftlich und nach Feststellung des Landessozialgerichts einvernehmlich, dass der Bruttolohn abgesenkt wird und im Gegenzug Sachleistungen, in Form von beispielweise Tankgutscheinen, Restaurantschecks, Erholungsbeihilfen, Reinigungspauschalen, Personalrabatten und Kinderbetreuungszuschüssen gewährt werden. 

Sozialversicherungsbeiträge nur noch auf Grundlage der niedrigen Bruttolöhne

Ab der Änderung führte der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nur noch auf der Grundlage der niedrigeren Bruttolöhne ab. Der Rentenversicherungsträger beanstandete dies im Rahmen einer Betriebsprüfung. Er nahm eine reine Lohnverwendungsabrede an und forderte Beiträge auf der Grundlage der zuvor gezahlten Löhne nach. Klage und Berufung dagegen waren teilweise erfolgreich.

Die Richter des 11. Senats des Landessozialgerichts sahen das anders und entschieden, dass die Änderung der Arbeitsverträge wirksam und auch für das Beitragsrecht der Sozialversicherung zu beachten ist. 

Soweit nach den beitragsrechtlichen Vorschriften die Arbeitgeberleistungen nicht zum Arbeitsentgelt gehören (z.B. Erholungsbeihilfen) oder bereits mit den richtigen Sachbezugswerten verbeitragt worden sind (z.B. Restaurantschecks), dürfen nach Auffassung des Gerichts keine weiteren Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden. Lediglich hinsichtlich einiger Leistungen (Reinigungspauschale, Personalrabatte) lagen die Voraussetzungen für eine Beitragsfreiheit nicht vor. 

Ergebnis dieser Entscheidung: 

Die Rentenversicherung kann nur deutlich geringere Beiträge verlangen. Eine weitere Folge der Änderungsverträge ist die Tatsache, dass die Arbeitnehmer im Falle von Arbeitslosigkeit oder Krankheit wegen den geringeren beitragspflichtigen Entgelten ein geringeres Arbeitslosen- oder Krankengeld erhalten und im Hinblick auf die Altersrente geringere Beiträge auf den Rentenkonten der Beschäftigten angespart werden. 

Dies ändert aber nichts, so der 11. Senat des baden-württembergischen Landessozialgerichts, an der nach geltendem Recht zulässigen Änderung der Arbeitsverträge im Einvernehmen zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern.

Anmerkung:

Ob es zu diesen obskuren Vertragsänderungen tatsächlich einvernehmlich kam, erscheint dem Autor zweifelhaft. Doch Einvernehmlichkeit einmal unterstellt, so ist vor dem Abschluss derartiger Arbeitsverträge zu warnen, da den Arbeitnehmern*innen letztendlich nicht unerhebliche Nachteile entstehen können. Diese werden aber erst dann bemerkt, wenn es zum Beispiel zu Krankengeld- oder Arbeitslosengeldzahlungen kommt. 

Wer sein Arbeitsleben ohne Inanspruchnahme solcher Leistungen beenden kann, wird im Alter feststellen müssen, dass sein Rentenanspruch nicht dem entspricht, was man sich erhofft hat. Denn die während des Arbeitslebens im Sinne der Sozialversicherungsentgeltverordnung netto bezogenen Vergütungen und Sachleistungen die man gegen nicht unerhebliche Kürzungen des bisher vereinbarten Bruttolohns „eintauschte“, haben geringere Rentenbezüge zur Folge.