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Vor 25 Jahren: Jutta Limbach erste Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts

45 Jahre nachdem das Grundgesetz in Kraft getreten ist wurde erstmals eine Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Am 14. September 1994 trat Jutta Limbach ihr Amt an. Sie hat die Rechtsprechung des Gerichts wesentlich mitgeprägt.

Jutta Limbach (Mitte) verkündet eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.  Neben ihr die Verfassungsrichter Bertold Sommer (links) und Paul Kirchhof (rechts). Copyright by Reuters Photographer/Adobe Stock
Jutta Limbach (Mitte) verkündet eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Neben ihr die Verfassungsrichter Bertold Sommer (links) und Paul Kirchhof (rechts). Copyright by Reuters Photographer/Adobe Stock

Das BVerfG ist der Hüter des Grundgesetzes. Es klärt keine einfachen rechtlichen Angelegenheiten. Eine Oberinstanz für die Gerichte in Deutschland ist das BVerfG nicht. Es macht den Gerichten keine Vorschriften, wie sie Gesetze anzuwenden haben. Seine Aufgabe ist vor allem die Auslegung des Grundgesetzes. Ganz wichtig sind dabei die Entscheidungen, in denen es um die Durchsetzung der Grundrechte geht.
 

Lange Zeit dominierten Männer das BVerfG

Das BVerfG kann eingeschaltet werden, wenn es Streit darüber gibt, ob der Gesetzgeber, die Gerichte oder die Regierung das Grundgesetz bei ihren Entscheidungen beachten. Seine Entscheidungen binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Es ist damit eine sehr mächtige Einrichtung. Und wie es bei sehr mächtigen Einrichtungen so ist,  waren seine Richter lange Zeit fast ausschließlich männlich. Das Gericht hat 1951 seine Arbeit aufgenommen. Bis 1963 war Erna Scheffler die einzige Frau unter 24 Richtern am BVerfG. Überhaupt war bis 1986 nie mehr als eine Richterin gleichzeitig Mitglied des Gerichts.
 
Heute sind am BVerfG 16 Richter*innen tätig, darunter sieben Frauen. Das stellt den höchsten Frauenanteil in der Geschichte des BVerfG dar. Seit seiner Gründung 1951 wurden 18 Frauen zu Richterinnen des BVerfG berufen.
 

Sie war häufig die „erste Frau“ in einem Amt

Als Jutta Limbach ihr Amt als Präsidentin antrat, waren immerhin schon ein Viertel der Richter*innen weiblich. Sie war zu der Zeit als Juristin bereits sehr erfolgreich. Sie war Hochschullehrerin, Berliner Justizsenatorin und Mitglied der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundesrat und Bundestag. Sie war im Übrigen die erste Juraprofessorin an der Freien Universität Berlin. Und auch als Berliner Justizsenatorin war sie die erste Frau in diesem Amt.
 
Präsidentin des BVerfG war sie bis zu ihrer Pensionierung 2002. Aber selbst im Ruhestand wirkte sie weiter: als erste Frau war sie ehrenamtlich Präsidentin der Goethe-Institute.
 

Politisch geprägt in der Familie

Jutta Limbach kommt aus einer Familie, in der sich vor allem Frauen stark für die Sozialdemokraten engagierten. Ihre Urgroßmutter Pauline Staegemann gründete 1873 den ersten sozialdemokratischen Frauenverein. Ihre Großmutter Elfriede Ryneck war Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und später Abgeordnete für die SPD im Reichstag der Weimarer Republik. Jutta Limbach selbst hat einmal angegeben, dass sie eigentlich politische Journalistin als Berufsziel gehabt hatte. Aber auch an eine Laufbahn als Politikerin hatte sie gedacht, sich aber dann entschieden, als Juristin Karriere zu machen.
 
Als der damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Walter Momper, sie 1989 für das Amt der Justizsenatoren vorschlug, soll sie auch zunächst gezögert haben. Schließlich sagte sie dann doch zu mit den Worten: "Nun, meine Großmutter würde es wohl von mir erwarten." Ob Jutta Limbach als Senatorin ebenso erfolgreich gewesen ist wie als Juristin, wollen wir hier nicht bewerten. Sie übte das Amt in einer für Berlin sehr schwierigen Zeit aus. Nach dem Fall der Mauer war sie etwa verantwortlich für den Aufbau einer neuen Ostberliner Justiz und sie war auch daran beteiligt, dass Erich Honecker für die Schießbefehle an der innerdeutschen Grenze angeklagt wurde.
 

Engagiert ihr Leben lang

Politisch gewirkt hat Jutta Limbach auch ohne Mandat als engagierte Bürgerin ihr Leben lang. Karriere machte sie, obwohl sie schon früh Mutter wurde. Ihr Mann Peter, selbst Jurist und Beamter im Innenministerium, musste im Wesentlichen die Doppelbelastung mit Beruf und der Versorgung des Haushaltes mit drei Kindern übernehmen. Überhaupt hat Jutta Limbach sich stets für eine moderne Familienpolitik eingesetzt. Vorbild war für sie insoweit Frankreich mit einer ganztägigen, bezahlbaren und aus ihrer Sicht guten Kinderbetreuung.
 
Mehrfach war sie im Gespräch als Bundespräsidentin, was ihr allerdings verwehrt blieb. Sie wäre die erste Frau im höchsten Staatsamt gewesen.
 
Jutta Limbach ist am 10. September 2016 im Alter von 82 Jahren verstorben.
 
 
Zur Vertiefung:
 
1. Bekannte Entscheidungen aus der Zeit, als Jutta Limbach Präsidentin des BVerfG war:
 
„Soldaten sind Mörder“: ein Kriegsdienstverweigerer hatte an seinem Auto einen Aufkleber mit der Aufschrift „Soldaten sind Mörder“ angebracht. Deshalb wurde er wegen Volksverhetzung verurteilt. Das BVerfG hat festgestellt, dass das Urteil des Strafgerichts gegen den Grundsatz der Meinungsfreiheit verstößt
 
„Kruzifix, Kreuz im Klassenzimmer“: das Land Bayern hatten angeordnet, dass in Klassenzimmern staatlicher Schulen Kruzifixe angebracht werden müssen. Das verstößt gegen Artikel 4 Grundgesetz, wenn es sich nicht um eine Bekenntnisschule handelt
 
 
2. Hinweise und Quellen:
 
Unser Artikel „1919: Endlich dürfen auch Frauen wählen!“

Unser Artikel: „Die Würde des Menschen  - 70 Jahre Grundgesetz“

Biografie auf der Homepage Fem.Bio

Dietmar Christians, Rechtsschutzsekretär und Online-Redakteur, DGB Rechtsschutz GmbH,Hauptverwaltung - Frankfurt am Main
Autor*in:
Dietmar Christians
Online-Redakteur (ehemals Rechtsschutzsekretär)
Onlineredaktion - Hauptverwaltung - Frankfurt am Main