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Expertentalk Corona

Corona und Arbeitnehmerrechte - Ein Expertentalk mit Dr. Till Bender (DGB Rechtsschutz)

Hier können Sie den Expertentalk nochmals ansehen

Die Corona-Pandemie hat das unser aller Leben massiv verändert. Das gilt auch für die Arbeitswelt: Während manche Beschäftigte zum Nichtstun verdammt sind, haben andere mehr zu tun als je zuvor. Bei vielen andern hat sich die Arbeit nahezu komplett in den häuslichen Bereich verlagert. Und die Betriebsräte müssen unter erschwerten Bedingungen darüber wachen, dass die Rechte der Beschäftigten im Betrieb gewahrt bleiben. Wie diese Rechte konkret aussehen und was Beschäftigte beachten müssen, darüber sprechen wir in unserem Experten-Talk zum Thema „Corona und Arbeitsrecht“ mit Dr. Till Bender.

Experten-Talk: Antworten auf die gestellten Fragen im Livestream

Darf der Arbeitgeber verlangen, dass die Beschäftigten eine zusätzliche Webcam auf den Bildschirm stellen, damit er sehen kann, ob sie arbeiten?

Sofern im Betrieb ein Betriebsrat besteht, ist eine solche Überwachungsmaßnahme in jedem Fall mitbestimmungspflichtig. Sollte der Arbeitgeber den Betriebsrat hier nicht beteiligt haben, ist die Maßnahme schon allein aus diesem Grunde unwirksam.

Unabhängig davon dürfte ein solcher Fall der Totalüberwachung gegen das Gebot der Menschenwürde verstoßen und auch deshalb unzulässig sein.

Darf der Arbeitgeber befugt, die Beschäftigten wieder ins Büro zu holen?

Sofern Beschäftigte keine ausdrücklichen Regelungen zum mobilen Arbeiten in ihrer Verträge aufgenommen haben, sind Sie grundsätzlich verpflichtet, ihre Arbeitsleistung im Betrieb zu erbringen. Etwas anderes könnte allerdings gelten, wenn der Arbeitgeber im Betrieb nicht die notwendigen Schutzmaßnahmen einführt oder es sich um Angehörige einer Risikogruppe handelt.

Müssen coronabedingte Minusstunden nachgearbeitet werden?

Kommt es darauf an, ob ein Arbeitszeitkonto besteht, oder nicht. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Risiko, dass genug Arbeit für die vorhandenen Arbeitskräfte vorhanden ist. Wenn er seine Beschäftigten also nicht einsetzen kann, weil aufgrund der Pandemie weniger zu tun ist, so muss er sie grundsätzlich trotzdem voll bezahlen und sie müssen die Stunden auch nicht nacharbeiten.

Anders kann dies sein, wenn im Betrieb ein Arbeitszeitkonto besteht. Wenn Beschäftigte nicht eingesetzt werden können, wird dies als Minus verbucht. Sie erhalten dann ihren regulären Lohn weiter und müssen die Stunden später nacharbeiten. Zu beachten ist aber, dass viele Arbeitszeitkonten Ober- bzw. Untergrenzen haben.

Muss der Arbeitgeber mir eine Möglichkeit bieten, mich waschen und umziehen zu können?

Ein Anspruch auf Waschmöglichkeiten kann sich allenfalls aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht ergeben. Also etwa dann, wenn ohne diese Möglichkeit der Arbeitnehmer gezwungen wäre, stark verschmutzt nach Hause fahren zu müssen. Grundsätzlich ist dies aber dem privaten Bereich des Beschäftigten zuzurechnen.

Beim Umziehen kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber bestimmte Arbeitskleidung vorgeschrieben hat. Ist das der Fall, zum Beispiel bei Arbeitskleidung mit Firmenaufdruck, ist der Beschäftigte nicht gezwungen, dies schon zu Hause anzulegen und mit der Firmenkleidung in der Öffentlichkeit aufzutreten.

Handelt es sich dagegen um Kleidung, die der Beschäftigte aus privatem Anlass nur bei der Arbeit trägt, muss der Arbeitgeber hierfür keine Möglichkeit schaffen und die entsprechende Zeit auch nicht vergüten.

Müssen Mitarbeiterinnen, die für Ihre Kinder keine Betreuung haben, wieder zurück aus dem mobilen Arbeiten ins Büro?

Wie oben schon gesagt, ist der Arbeitsort in erster Linie der Betrieb. Sofern die Möglichkeit von mobilem Arbeiten nicht ausdrücklich festgelegt ist, müssen Beschäftigte ihre Arbeit dort erbringen. Es empfiehlt sich allerdings, hier mit dem Arbeitgeber zu sprechen und die Frage zu erörtern, ob nicht eine Verlängerung des mobilen Arbeitens möglich ist.

Sofern Eltern keine Möglichkeit haben, eine Betreuung für ihre Kinder zu gewährleisten, haben sie außerdem einen Anspruch auf Freistellung nach dem Infektionsschutzgesetz. Diese wird für maximal sechs Wochen gezahlt und beträgt 67 Prozent des Nettoentgeltes. Während der Schulferien und anderen Zeiten, in denen Schulen und Kindergärten geschlossen sind, wird keine Entschädigung gezahlt. Der Arbeitgeber muss insoweit in Vorleistung treten, also die Entschädigung auszahlen und sie sich vom Gesundheitsamt zurückholen.

Das sogenannte Corona-Kabinett hat am 20.Mai 2020 beschlossen, die Lohnfortzahlung bei Kita- und Schulschließung von sechs auf zehn Wochen zu verlängern. Jedes der beiden Elternteile kann jeweils 10 Wochen in Anspruch nehmen.

Der Anspruch setzt voraus, dass Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, behindert oder auf Hilfe angewiesen sind, mangels anderer zumutbarer Betreuungsmöglichkeit von den Eltern selbst betreut werden.

Dürfen Betriebsräte dann auch nur prozentual "kurz arbeiten"?

Die Kurzarbeit betrifft nur den tatsächlichen Arbeitsanfall, also die Tätigkeit des Betriebes an sich. Dagegen dürfte die Betriebsratsarbeit in Corona-Zeiten trotz Kurzarbeit er nicht weniger, sondern eher mehr werden.

Der Arbeitgeber kann den Betriebsrat also nicht mit der Begründung in Kurzarbeit schicken, dass dies jetzt für den gesamten Betrieb gilt. Unabhängig von Kurzarbeit im Betrieb darf und muss der Betriebsrat also seine Tätigkeit in dem Umfang durchführen, wie dies notwendig ist. Eine Kurzarbeit des Betriebsrats gibt es insofern nicht.

Als Risikopatient soll ich bald aus dem Homeoffice geholt werden, da ich ein Einzelbüro habe. Bei der Situation habe ich trotzdem starke Bedenken. Was kann ich tun?

Insgesamt ist aber zu sagen, dass reine Bedenken hinsichtlich einer möglichen Infektion nicht ausreichen, um die Arbeit zu verweigern oder Arbeit im Homeoffice einzufordern. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Einzelbüro zur Verfügung steht.

Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, die konkreten Bedenken zu artikulieren und dem Arbeitgeber mitzuteilen, damit er diese gegebenenfalls ausräumen kann.

Kann der Arbeitgeber jeden Tag anders über die Prozente der Kurzarbeit entscheiden?

Kurzarbeit kann nicht einseitig angeordnet, sondern nur vereinbart werden. In dieser Vereinbarung sind die wichtigsten Punkte der Kurzarbeit zusammenzufassen, damit sich der Beschäftigte darauf einstellen kann. Enthält die Vereinbarung, die ja im Regelfall vom Arbeitgeber vorbereitet ist, diese wesentlichen Punkte nicht oder hält sich sehr vage, benachteiligt dies den Beschäftigten.

Deshalb ist eine solche Vereinbarung, die dem Arbeitgeber ein Höchstmaß an Gestaltungsspielraum ermöglicht und dem Arbeitnehmer ein Höchstmaß an Flexibilität abverlangt, unwirksam.

Darf man in der Kurzarbeit für seinen Chef arbeiten?

Kurzarbeit bedeutet nicht automatisch, dass man überhaupt nicht arbeitet, auch wenn dies derzeit wohl oft die Regel ist. Wenn also kein Fall der sogenannten „Kurzarbeit null“ vorliegt, also der Beschäftigte noch in geringerem Umfang tätig ist, hat er natürlich insofern Anspruch auf seinen Lohn.

Das Kurzarbeitergeld erstreckt sich dann nur auf den Teil der Arbeitsleistung, die aufgrund der Kurzarbeit entfällt.

Beispiel: die Arbeitskraft verteilen vereinbaren, dass statt Vollzeit nur noch 50 % gearbeitet werden soll. Der Beschäftigte hat dann Anspruch auf die Hälfte seines Lohns gegenüber dem Arbeitgeber und bezüglich der anderen 50 % ein Anspruch von 60 % hiervon gegenüber der Bundesagentur für Arbeit.