Corona hat allen auch hinsichtlich der Urlaubsplanung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir erklären, wie sich die Krise auf den Urlaubsanspruch auswirkt.
1. Was ist ein Risikogebiet?
Eine Region oder ein Land wird als Risikogebiet nach gemeinsamer Analyse und Entscheidung durch das Gesundheitsministerium, das Auswärtige Amt und das Innenministerium eingestuft. Das basiert auf einer zweistufigen Bewertung. Zunächst stellen die Ministerien fest, in welchen Staaten/Regionen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. In einem zweiten Schritt wird nach qualitativen Kriterien festgestellt, ob für Staaten/Regionen, die den genannten Grenzwert nominell unterschreiten, dennoch die Gefahr eines erhöhten Infektionsrisikos vorliegt.
Welche Gebiete das aktuell sind, erfahren Sie auf der Homepage des Robert-Koch-Institutes
2. Darf ich Urlaub in einem Land machen, für das das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgegeben hat?
Auch wenn das Auswärtige Amt für die meisten europäischen Länder die Reisewarnung inzwischen aufgehoben hat, gilt sie für etwa 160 Länder weltweit zumindest bis Ende August 2020. Dabei handelt es ich allerdings nur um eine Empfehlung des Auswärtigen Amtes und nicht um eine Reiseverbot.
Sie müssen allerdings die Konsequenzen tragen, die sich daraus ergeben, dass Sie trotz der Warnung in ein Risikogebiet gereist sind. Das kann eine kostspielige nicht geplante Rückreise sein. Das können Krankheitskosten während des Aufenthaltes im Risikogebiet sein. Sie müssen mit Auswirkungen auf eine Reiserücktritts- oder Auslandskrankenversicherung rechnen. Diese zahlt grundsätzlich bei Reisewarnungen nicht.
Auf jeden Fall müssen Sie in Kauf nehmen, wenn das Gesundheitsamt über Sie nach Ihrer Rückkehr eine Quarantäne von zwei Wochen verhängt.
3. Muss ich meinem Arbeitgeber sagen, wohin ich verreise?
Grundsätzlich müssen Sie Ihrem Arbeitgeber nicht mitteilen, wohin Sie verreisen. Ihr Urlaubsziel ist Ihre Privatangelegenheit. Allerdings kann ein Anspruch des Arbeitgebers bestehen, dass Sie ihn über Ihren Aufenthalt informieren, wenn Sie sich in den Gebieten aufgehalten haben, für die das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung wegen der Infektionsgefahr herausgegeben hat oder die unter Quarantäne stehen.
Es geht nämlich dann nicht mehr um Ihre „Privatangelegenheit“, sondern um die Gesundheit der Kolleg*innen in dem Betrieb, in dem Sie arbeiten. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht für die Beschäftigten seines Unternehmens.
Das Gesundheitsamt wird für Sie nicht unbedingt Quarantäne verfügen, wenn Sie aus einem Risikogebiet zurückkehren. Das Ministerium gibt nämlich nicht zwangsläufig für alle Risikogebiete eine Reisewarnung aus.
Wenn Quarantäne verhängt wird, wird der Arbeitgeber zwangsläufig davon Kenntnis erlangen, dass Sie sich während Ihres Urlaubs in einem Risikogebiet aufgehalten haben.
4. Kann der Arbeitgeber untersagen, dass ich Urlaub im Risikogebiet mache?
Nein, das kann er nicht.
Ihr Urlaubsziel ist Ihre Privatangelegenheit und geht den Arbeitgeber grundsätzlich nichts an.
Allerdings kann es Probleme geben, wenn Sie aus dem Urlaub zurückkehren und deshalb Ihre Arbeitspflichten nicht wahrnehmen können, etwa weil Sie in Quarantäne müssen oder an Covid 19 erkranken.
Gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFzG) haben Sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung ohne Rücksicht auf die Art ihrer Erkrankung, es sei denn, sie haben diese selbst verschuldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verschuldet derjenige seine Krankheit selbst, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Ob dieses Maß erreicht ist, wenn Sie entgegen einer Reisewarnung in Urlaub fahren, kann man jetzt noch nicht abschließend beantworten. Das BAG hat in bisheriger Rechtsprechung betont, dass es im Zweifel aber nicht unbillig wäre, einem Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung zu verweigern, wenn er aufgrund einer Krankheit nicht arbeiten kann, die er selbst verschuldet hat. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nicht nur den Individualinteressen des Arbeitnehmers dient, sondern eine gesetzlich angeordnete Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Krankenversicherung festlege. Die Verpflichtung zur Zahlung von Krankengeld ruhe nämlich nur, solange der Versicherte Zahlungen vom Arbeitgeber erhielte.
5. Darf der Arbeitgeber sich weigern, mein Gehalt zu zahlen, wenn ich in Quarantäne muss, weil ich aus einem Risikogebiet zurückgekehrt bin?
Es kommt darauf an, ob Sie trotz der Quarantäne Ihre Arbeitsleistung umfänglich anbieten können. Wenn Sie Im Homeoffice arbeiten können, dürfte es insoweit keine Probleme geben. Das sollte selbst gelten, wenn der Arbeitgeber Sie unter normalen Umständen nicht im Homeoffice beschäftigen will. Sie haben Ihre Arbeitsleistung angeboten. Wenn der Arbeitgeber diese nicht abnehmen will, trägt er das Risiko.
Problematisch könnte es sein, wenn Sie in einem Beruf arbeiten, in dem Homeoffice grundsätzlich nicht möglich ist.
Wenn Sie wegen staatlich angeordneter Quarantäne nicht arbeiten können, haben Sie einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 S. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG), der sich nach dem Verdienstausfall bemisst. Der Anspruch kommt nur in Betracht, wenn aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vom Gesundheitsamt ein berufliches Tätigkeitsverbot ausgesprochen oder eine Quarantäne nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG angeordnet wurde, die in ihrer Wirkung einem beruflichen Tätigkeitsverbot gleichkommt.
Den Entschädigungsanspruch gibt es allerdings nicht, wenn Sie sich – etwa als Urlaubsrückkehrer aus einem Risikogebiet oder einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland – wegen eines möglichen Verdachts auf eine Infektion ohne Anordnung des Gesundheitsamts freiwillig in Quarantäne begeben.
6. Darf der Arbeitgeber veranlassen, dass ich in Quarantäne muss, wenn ich aus einem Risikogebiet zurückkomme?
Nein, Quarantäne anordnen kann nur eine Behörde.
Der Arbeitgeber könnte sich allerdings weigern, Sie in den Betrieb zu lassen, weil er die Sicherheit der anderen Beschäftigten gefährdet sieht.
Ob er das darf, hängt davon ab, ob es entsprechende Regelungen im Betrieb oder im Arbeitsvertrag dazu gibt. Gibt es solche Regelungen nicht, kann der Arbeitgeber die Annahme Ihrer Arbeitsleistung nur verweigern, wenn er greifbare Anhaltspunkte dafür hat, dass von Ihnen eine Ansteckungsgefahr ausgeht. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Sie Symptome der Krankheit zeigen.
7. Was kann ich machen, wenn mein Arbeitgeber mir verbietet, in eine Risikoregion zu verreisen oder sich weigert, mich zu beschäftigen, wenn ich zurückkehre?
Auf jeden Fall rechtlichen Rat einer*s im Arbeitsrecht besonders bewanderter Jurist*in*en einholen. Es kommt nämlich im Einzelnen sehr darauf an, welche Verhaltensweise rechtlich sinnvoll ist.
Mitglieder einer DGB-Gewerkschaft haben insoweit das Glück, dass Sie kostenlosen Rechtsschutz durch besonders gut geschulte Jurist*innen bekommen.
8. Darf ich meinen genehmigten Urlaub „widerrufen“, wenn ich wegen der Pandemie nicht verreisen kann?
Nein. Ein Recht, den bereits bewilligten Urlaub zu stornieren, gibt es nicht. Ist der Urlaub erst einmal gewährt, kann er nicht einseitig vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer widerrufen werden.
Sie können insoweit nur auf Kulanz Ihres Arbeitgebers hoffen.
Ausführlich hierzu unser Artikel: Coronavirus und Urlaub
9. Darf mein Arbeitgeber mich „in Urlaub schicken“, weil es wegen der Pandemie derzeit nicht Arbeit gibt?
Das darf er nicht. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer*innen berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Das sind Gründe, die mit der Betriebsorganisation zu tun haben. Wirtschaftliche Risiken trägt aber der Arbeitgeber.
Wenn der Arbeitgeber Kurzarbeit einführen will, müssen zunächst die Urlaubsansprüche und Arbeitszeitguthaben der Arbeitnehmer eingesetzt werden.
Konkret heißt das:
Bei der Corona-Kurzarbeit müssen Arbeitnehmer in Abstimmung mit dem Arbeitgeber ihren gesamten Urlaubsanspruch vergangener Urlaubsjahre verbrauchen. Erst bei einer Verlängerung der Kurzarbeit über drei Monate hinaus sind weitere drei Wochen Urlaubsanspruch zu konsumieren.
Ausführlich hierzu unser Artikel: Corona-Virus und Urlaub