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Corona und Insolvenzen

Corona und Insolvenzen

Corona: Insolvenz, Eigenverwaltung und Schutzschirm

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treiben insbesondere viele Kleinunternehmen in die Zahlungsunfähigkeit. Aber auch größere Unternehmen wie der Warenhauskonzern Karstadt-Kaufhof geraten in Turbulenzen. In der Presse liest man von drohender Insolvenz, Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren. Wir erklären, was in diesem Zusammenhang  für Arbeitnehmer*innen von Bedeutung sein kann.

1. Was heißt Insolvenz?

Wenn ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, ist es zahlungsunfähig. Zu den Verbindlichkeiten gehören auch alle Schulden, die ein Unternehmen bei seinen Beschäftigten hat, wie etwa deren Arbeitsentgelte. Wenn das gesamte Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, spricht man von Überschuldung. In beiden Fällen muss der Unternehmer beim Insolvenzgericht (Amtsgericht) den Antrag stellen, über sein Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat der Bundestag beschlossen, dass bei Zahlungsunfähigkeit bis zum 30. September die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, ausgesetzt wird, wenn sie infolge der Auswirkungen der Pandemie entstanden ist und Aussicht besteht, sie zu beseitigen.

Der Unternehmer ist gehalten, den Insolvenzantrag zu stellen, wenn das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Zahlungspflichten zu der Zeit zu erfüllen, wenn sie fällig sein werden.

Etwa zwei bis drei Monate nach dem Insolvenzantrag wird das Gericht darüber entscheiden, ob die Insolvenz eröffnet wird. Im Insolvenzverfahren geht es darum, das verbliebene Vermögen unter den Gläubigern zu verteilen, damit sie zumindest einen Teil ihrer Forderungen bekommen.

2. Was passiert in der Zeit zwischen dem Insolvenzantrag und der Entscheidung des Gerichts

Diese Zeit bezeichnet man auch als „vorläufiges Insolvenzverfahren“. Mit dem Insolvenzantrag kann der Unternehmer auch beantragen, dass das Verfahren in Eigenverwaltung geführt wird.

Das Gericht kann die Eigenverwaltung anordnen, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Wenn der Antrag auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos ist, wird das Verfahren zwischen dem Insolvenzantrag und dem Eröffnungsbeschluss als „vorläufige Eigenverwaltung“ (§ 270a InsO) oder auf Antrag des Unternehmers als „Schutzschirmverfahren“ (§ 270b InsO) geführt.  

Wenn weder vorläufige Eigenverwaltung noch Schutzschirmverfahren angestrebt werden, geht es so weiter:

Die Insolvenzordnung bestimmt, dass das Insolvenzgericht (Amtsgericht) alle Maßnahmen treffen muss, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag zu vermeiden, dass für die Gläubiger durch unternehmerisches Handeln Nachteile entstehen. Dazu gehört auch, dass das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
 
Das Gericht hat zwei Möglichkeiten:  

  • Es bestellt einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter. In diesem Fall überträgt das Gericht ihm nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners. Das ist der weitaus häufigste Fall. Für die Beschäftigten ändert sich bis zum Eröffnungsbeschluss nichts.
  • Es bestellt einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter. Das heißt, das Gericht überträgt ihm die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners. In diesem Fall gehen die Befugnisse des Arbeitgebers auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über.


Das Gericht kann weitere Anordnungen treffen. Es kann zum Beispiel zum Schutz der Gläubigerinteressen ein Verfügungsverbot als Maßnahme zur Sicherung der Insolvenzmasse erlassen. Auch kann es anordnen, dass alle Verfügungen des Unternehmens nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

3. Was heißt Eigenverwaltung?

Das Insolvenzgericht kann in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet, wenn das Unternehmen das beantragt (§ 270 InsO). Voraussetzung ist, dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. In diesem Fall wird das Unternehmen quasi Insolvenzverwalter in eigener Sache.

Anstelle des Insolvenzverwalters bestellt das Gericht einen Sachwalter. Dieser muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners prüfen und dessen Geschäftsführung sowie dessen Ausgaben für die Lebensführung überwachen. Beim Sachwalter sind auch die Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden.

Der Sachwalter tritt nicht wie ein Insolvenzverwalter an die Stelle des Unternehmens. Es gibt zwar einige Besonderheiten, im Wesentlichen gelten aber auch in der Eigenverwaltung die Vorschriften der Insolvenzordnung.

Ist der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen,

  1. dem Unternehmen ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder
  2. anzuordnen, dass alle Verfügungen des Unternehmens nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.


In diesem Fall spricht man von einer „vorläufigen Eigenverwaltung“. Das Gericht bestellt keinen vorläufigen Insolvenzverwalter, sondern einen vorläufigen Sachwalter.

4. Was ist ein Schutzschirmverfahren?

Das Schutzschirmverfahren ist eine besondere Form der vorläufigen Eigenverwaltung. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen mit dem Insolvenzantrag die Eigenverwaltung beantragt hat. Das Gericht hat dem Unternehmen kein Verbot auferlegt, über sein Vermögen zu verfügen und nicht angeordnet, dass alle Verfügungen des Unternehmens nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann das Unternehmen beantragen, dass das Gericht ihm eine Frist von bis zu drei Monaten einräumt, innerhalb der es dem Gericht einen Insolvenzplan vorlegt, in dem es darlegt, wie das Unternehmen saniert werden kann. Mit dem Antrag muss das Unternehmen dem Gericht die Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorlegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Dieses Verfahren stellt kein Eröffnungsverfahren im klassischen Sinne dar. Es zielt vielmehr darauf, die Insolvenz zu vermeiden. Der Betrieb wird fortgesetzt ohne die typischen insolvenzrechtlichen Beschränkungen. Der Schuldner soll in die Lage versetzt werden, Vorbereitungen dafür zu treffen, sein Unternehmen unter dem „Schutzschirm“ der Insolvenzordnung zu sanieren, bevor ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner werden während des vorläufigen Insolvenzverfahrens in aller Regel untersagt oder einstweilig eingestellt.

Nachdem innerhalb der Frist ein Insolvenzplan vorgelegt wird, hebt das Gericht das Schutzschirmverfahren auf und entscheidet, ob ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder im Regelinsolvenzverfahren eröffnet wird. Wenn das Schutzschirmverfahren sehr erfolgreich war, kann es auch sein, dass keine Insolvenz mehr eröffnet wird, weil es keinen Insolvenzgrund mehr gibt.

5. Darf der vorläufige Insolvenzverwalter mich freistellen und was heißt das für mein Arbeitsentgelt?

Jeder, der in einem Arbeitsverhältnis steht und seine Arbeitskraft entsprechend des Arbeitsvertrages anbietet, hat Anspruch auf Arbeitsentgelt. Das ist auch im Fall einer Insolvenz nicht anders. Wird ein Arbeitnehmer für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens freigestellt, hat er ab der Eröffnung Anspruch auf Arbeitsentgelt, auch wenn der vorläufige Insolvenzverwalter ihn freigestellt hat. Für die Zeit vor der Eröffnung besteht ein Anspruch auf Insolvenzgeld (maximal drei Monate)

Ist ein „starker“ Insolvenzverwalter bestellt, gibt es zum Nachteil der Beschäftigten eine insolvenzrechtliche Besonderheit. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten Schulden des insolventen Unternehmens, die der vorläufige Insolvenzverwalter begründet hat, nach § 55 der Insolvenzordnung nur dann als Masseverbindlichkeit, wenn er dafür eine Gegenleistung entgegengenommen hat. Das heißt also, Arbeitsentgelt für die Zeit nach der Eröffnung ist nur dann eine Masseverbindlichkeit, wenn der Beschäftigte tatsächlich gearbeitet hat.
 
Aus dieser Vorschrift wird vielfach gefolgert, dass der starke vorläufige Insolvenzverwalter den Beschäftigten freistellen kann mit der Folge, dass dieser nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Dieses wird vielmehr behandelt wie das das Arbeitsentgelt von vor der Eröffnung zur Insolvenzforderung.???

Stellt der vorläufige oder später auch der endgültige Insolvenzverwalter den Beschäftigten frei und zahlt kein Arbeitsentgelt für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, hat der Beschäftigte die Möglichkeit, bei der Arbeitsagentur einen Antrag auf Arbeitslosengeld im Wege der „Gleichwohlgewährung“ zu stellen.

Ausführlich dazu unser Artikel „Wegen Corona kein Einkommen – wann zahlt die Arbeitsagentur?“

6. Was ist ein Insolvenzereignis?

Insolvenzereignis ist ein Begriff aus dem Arbeitsförderungsrecht (§ 165 SGB III). Der Zeitpunkt ist wichtig für Ihren Anspruch auf Insolvenzgeld. Es gibt drei mögliche Insolvenzereignisse:

  1. Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers
  2. Das Insolvenzgericht weist den Antrag des Arbeitgebers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab oder
  3. Einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Arbeitgeber nicht gestellt, der Betrieb ist in Deutschland völlig eingestellt und ein Insolvenzverfahren kommt offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht

7. Was ändert sich, wenn das Gericht die Insolvenz eröffnet?

Mit dem Beschluss, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers zu eröffnen, bestimmt das Gericht einen Insolvenzverwalter. Das ist in der Regel ein Jurist, der sich auf Insolvenzverfahren spezialisiert hat. Es kann derselbe sein, den das Gericht bereits als vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt hat, muss es aber nicht. Das Recht des Unternehmens, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, geht sofort auf den Insolvenzverwalter über. Das Vermögen des Unternehmens ist also beschlagnahmt. Das betrifft aber nur das Vermögen, das zur Insolvenzmasse gehört.

Beispiel:
Wenn über das Vermögen einer GmbH die Insolvenz eröffnet wird, gehört nur das Vermögen der GmbH, aber nicht die jeweiligen Privatvermögen der Gesellschafter oder das des Geschäftsführers zur Insolvenzmasse.

Auch die Gläubiger dürfen nicht mehr auf das Vermögen des Schuldners zugreifen oder die Zwangsvollstreckung betreiben.

Das Verfahren soll einen Wettlauf der Gläubiger verhindern. Ein Ziel der Insolvenzordnung ist, die Gläubiger gleich zu behandeln. Forderungen, die vor der Eröffnung aufgelaufen sind, werden nach einem gesetzlichen Verfahren verteilt. Die Gläubiger müssen ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter (oder beim Sachwalter im Falle der Eigenverwaltung) zur Insolvenztabelle melden.

8. Was sind Insolvenzforderungen und was sind Masseforderungen?

Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, sind alle Ansprüche, die vor der Eröffnung entstanden sind, Insolvenzforderungen. Entstehen nach der Eröffnung Forderungen, heißen sie Masseforderungen. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig: Insolvenzforderungen werden nicht direkt beglichen, sondern man muss sie beim Insolvenzverwalter zu einer Tabelle anmelden, in die sie aufgenommen werden. Wenn nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch Vermögen übrig ist, wird es nach einer Quote auf die Insolvenzgläubiger verteilt. Viel bleibt in der Regel nicht mehr übrig.
 
Die Masseschulden muss der Insolvenzverwalter (bzw. das Unternehmen bei Eigenverwaltung) weiter in voller Höhe zahlen. Das betrifft auch Arbeitsentgelt, das gezahlt werden muss für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung.

9. Was bedeutet es, wenn der Insolvenzverwalter „Masseunzulänglichkeit“ anzeigt?

Wenn das Vermögen des Unternehmens (die „Insolvenzmasse“) nicht mehr ausreichen wird, alle Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, wird der Insolvenzverwalter „Masseunzulänglichkeit“ anzeigen. Das ist eine Situation, die auch als „Insolvenz in der Insolvenz“ bezeichnet wird. Dann werden die Masseforderungen, die vor der Anzeige entstanden sind, zu „Altmasseverbindlichkeiten“, die nach einer vom Gesetz festgelegten Rangfolge zu begleichen sind. Leider sind die Arbeitsentgelte insoweit zweitrangig. Wichtig ist auch, dass wegen „Altmasseverbindlichkeiten“ nicht einmal mehr die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann.

10. Wann habe ich Anspruch auf Insolvenzgeld?

Für die drei Monate des Arbeitsverhältnisses, die dem Insolvenzereignis vorausgehen, haben Sie Anspruch auf Insolvenzgeld in der Höhe des Nettoarbeitsentgeltes von der Agentur für Arbeit, wenn und insoweit Sie vom Arbeitgeber in diesem Zeitraum kein Arbeitsentgelt bekommen haben.

Beispiele:

  1. Ihr Arbeitsverhältnis besteht noch. Am 1.Mai 2020 eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren. Sie haben Anspruch auf Insolvenzgeld für Februar, März und April 2020.
  2. Ihr Arbeitsverhältnis wurde zum 31. Januar 2020 beendet. Am 1.Mai 2020 eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren. Sie haben Anspruch Auf Insolvenzgeld für November und Dezember 2019 und Januar 2020.

11. Wann sollte ich einen Antrag auf Insolvenzgeld stellen?

Den Antrag sollten Sie am besten sofort stellen, wenn der Arbeitgeber Insolvenz beantragt hat. Spätestens muss der Antrag binnen einer Frist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis bei der Agentur für Arbeit gestellt werden. Da der Zeitraum, für den das Insolvenzgeld gezahlt wird, erst bestimmt werden kann, wenn das Amtsgericht den Beschluss verkündet hat, kann die Agentur für Arbeit es auch erst nach dem Beschluss bewilligen.

12. Kann die Agentur für Arbeit einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld zahlen?

Die Agentur für Arbeit kann einen Vorschuss leider nur für diejenigen zahlen, deren Arbeitsverhältnis beendet ist, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt werden.

13. Was ist eine Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes?

Wenn in Betracht kommt, dass das insolvente Unternehmen nach dem Insolvenzverfahren fortgeführt wird, gibt es für die Beschäftigten, die noch in einem Arbeitsverhältnis stehen, die Möglichkeit, dass das Insolvenzgeld vorfinanziert wird.

In diesem Fall kauft eine Bank den Beschäftigten den Anspruch auf Insolvenzgeld ab. Im Gegenzug treten die Beschäftigten ihre Forderung gegen die Bundesagentur für Arbeit ab. Die Banken zahlen den betroffenen Beschäftigten also das Insolvenzgeld aus und holen es sich später von der Agentur für Arbeit wieder.
 
Angeschoben wird ein solches Verfahren vom Insolvenzverwalter - oder im Fall von Eigenverwaltung oder Schutzschirm - vom Arbeitgeber. Die Bundesagentur für Arbeit muss der Vorfinanzierung allerdings zustimmen, damit es nicht zu Missbrauch kommt.

14. Was passiert mit meinen „alten“ Überstunden, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist?

Hier gibt es keine gute Nachricht. Überstunden, die vor der Insolvenzeröffnung geleistet worden sind, sind nicht mehr zu retten. Wer Überstunden leistet, gibt seinem Arbeiter nämlich quasi einen Kredit, den man zurückfordern kann. Insoweit hat man also Ansprüche, die vor der Eröffnung der Insolvenz entstanden sind. Das hat zur Folge, dass der Anspruch auf Abgeltung dieser Überstunden Insolvenzforderung ist. Man hat also nur die Möglichkeit, den Anspruch zur Insolvenztabelle zu melden.
 
Ausnahme sind nur die Überstunden, die man in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet hat. Für diese Stunden gibt es Insolvenzgeld.

15. Was ist, wenn ich noch Anspruch auf Urlaub habe?

Wer weiter arbeitet, erwirbt auch weiter -anteilig- einen Anspruch auf Erholungsurlaub. Er kann den Urlaub beim Insolvenzverwalter beantragen.
 
Auch der Urlaub aus der Zeit vor Eröffnung der Insolvenz verfällt wegen der Insolvenz nicht unbedingt. Ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs entsteht erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Deshalb ist dieser Anspruch dann eine Masseforderung, wenn das Arbeitsverhältnis bis nach der Eröffnung andauert. Es kommt insoweit nicht darauf an, wann der Arbeitgeber gekündigt hat, sondern wann die Kündigungsfrist endet.

16. Gilt das Arbeitsrecht auch in der Insolvenz?

Grundsätzlich gelten die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch in der Insolvenz. Sie beendet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch. Auch das Kündigungsschutzgesetz, das die Arbeitnehmer*innen vor ungerechtfertigten Kündigungen schützt, findet weiter Anwendung.
 
Allerdings bestimmt die Insolvenzordnung, dass die Kündigungsfrist bei Arbeitsverhältnissen längstens drei Monate beträgt, auch wenn sie nach einem Tarifvertrag normalerweise deutlich länger wäre.

17. Darf der Insolvenzverwalter wegen der Insolvenz das Arbeitsverhältnis kündigen?

Ein klares Nein! Die Insolvenz selbst ist kein Kündigungsgrund. Wer eine Kündigung bekommt, sollte binnen drei Wochen, nachdem er die Kündigung erhalten hat, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Wenn die Insolvenz bereits eröffnet ist, muss man den Insolvenzverwalter verklagen und nicht den Arbeitgeber!

Es gelten dabei dieselben Regeln wie bei Kündigungen von Arbeitgebern, die nicht insolvent sind. Der Insolvenzverwalter muss im Kündigungsschutzverfahren die Kündigung begründen und die Kündigungsgründe im Zweifel beweisen. Allein die Tatsache, dass es ein Insolvenzverfahren gibt, reicht als Kündigungsgrund nicht aus.
 
Wirklichen Kündigungsschutz hat man aber nur, wenn der Betrieb, indem man arbeitet, mehr als zehn Beschäftigte hat und das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate besteht. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, wird man vor dem Arbeitsgericht nur ganz geringe Chancen haben. Das Gericht prüft dann nur, ob die Kündigung aus reiner Willkür erfolgt ist. Arbeitgeber mit Kleinbetrieben brauchen nämlich nach dem Gesetz keinen Kündigungsgrund.

18. Was ist mit meiner betrieblichen Altersversorgung, wenn mein Arbeitgeber insolvent ist?

Wer bereits eine Betriebsrente von seinem Arbeitgeber bezieht, hat insoweit wenig Grund zur Sorge. Die betriebliche Altersversorgung geschieht in der Regel über eine Direktzusage, eine Unterstützungskasse oder einen Pensionsfonds. Diese Rente ist abgesichert über den Pensionssicherungsverein (PSV). Er übernimmt im Fall der Insolvenz die monatliche Rentenzahlung.
 
Über den PSV sind auch die unverfallbare Versorgungsanwartschaften nach Maßgabe des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) abgesichert.
 
Etwas anders sieht es aus, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung erfolgt. Insoweit zahlt der Arbeitgeber ja nicht die Rente, sondern die Versicherung oder die Pensionskasse. Der Arbeitgeber hat nur zugesagt, Beiträge zu diesen Versicherungen zu leisten. Diese Zusage ist allerdings nicht insolvenzgesichert.
 
Was allerdings über den PSV abgesichert ist, ist die sogenannte Einstandspflicht des Arbeitgebers. Wenn eine Pensionskasse aufgrund der Entwicklung am Finanzmarkt nicht mehr dazu in der Lage ist, die zugesagte Versorgung zu leisten, muss der Arbeitgeber für den Rest aufkommen. Wird der Arbeitgeber insolvent, muss der PSV einspringen.